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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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können, so schreiben Sie mir bald mal wieder einige Zeilen, u. erfreuen Sie
dadurch Ihren ergebner


Felix Mendelssohn-Bartholdy.
3.

Düsseldorf, den Is. März 36.


Hochgeehrte Frau

Hundertmal habe ich Sie um Verzeihung zu bitten daß ich Ihnen auf
Ihre so freundliche Sendung noch nicht geantwortet und gedankt habe. Mar¬
tern aller Arten, d. h. Geschäfte aller Arten, nehmen mir meine ganze Zeit
weg; entschuldigen Sie dies nur und nehmen Sie auch jetzt noch meinen sehr
verspäteten Dank an. Durch die Sendung haben Sie mir eine sehr große
Freude gemacht, indem Sie mir, freilich nun zu spät, eine neue musikalische
Bekanntschaft verschaffen; an meisten sagt mir die Sonate zu, sie ist am
ernstesten gehalten, auch scheint sie mir am unbefangensten; namentlich das
erste Stück und das ^mag-öde, weniger das Ledöi-iio u. letzte, wo mir der
Clavierspieler, der die as-aur Variat. gemacht hat, wieder ein wenig heraus¬
sieht. Diese letztere haben mir allerdings nicht gefallen wollen, dagegen in
den ^bändigen Stücken sehr vieles wieder, und ich kann mir es denken.
Wie interessant es Ihnen gewesen sein muß, alle diese Sachen gleich nach
Ihrem Entstehen zu hören, und wie viele schöne Erwartungen dnrch seinen
Verlust unerfüllt werden mußten. -- Darf ich Sie auch bitten, dem Herrn
Schumann in meinem Namen vielmals für sein freundliches Geschenk mit
den freundlichen Worten darauf vielmal und herzlich zu danken. Ich wünschte
wohl, ich wäre auf ein Paar Tage in Leipzig um ihm mal zu sagen, wie
vieles mir darin so wohl zusagt und gefällt, und dann wieder anderes nicht,
so daß ich gewiß denke, er müßte meiner Meinung werden, wenn ich sie ihm
recht sagen könnte. Zu meinen Lieblingen gehört No. 11 in tuon; noch¬
mals bitte, danken Sie ihm recht sehr, und sagen ihm wie er mich erfreut
hat. -- Was hören Sie denn sonst Gutes Neues diesen W'meer? Hier lebe
ich wie die Lafontaine'sche Ratze, die sich in einen großen Käse zurückgezogen
hat. Wenn ich esse, so sehe ich Leute u. außerdem reite ich spazieren und
schreibe mein Oratorium.*), das nun in einigen Wochen so Gott will fertig
sein soll, und erfahre von der ganzen Welt nichts. Pfingsten werde ich das
Musikfest in Cöln dirigiren, und dann wieder auf ein Paar Monat im Reich
umherfahren, weiß selbst noch gar nicht, wohin. Nach England habe ich Lust,
nach der Schweiz noch größre, u. zum Unglück muß mir gestern ein Be¬
kannter schreiben, ob ich mit ihm eine Reise durch Spanien machen wolle,
und das blose Wort Spanien macht mir schon die größte Lust. Wenn es



") Paulus, erst 1830 in Leipzig beendet.

können, so schreiben Sie mir bald mal wieder einige Zeilen, u. erfreuen Sie
dadurch Ihren ergebner


Felix Mendelssohn-Bartholdy.
3.

Düsseldorf, den Is. März 36.


Hochgeehrte Frau

Hundertmal habe ich Sie um Verzeihung zu bitten daß ich Ihnen auf
Ihre so freundliche Sendung noch nicht geantwortet und gedankt habe. Mar¬
tern aller Arten, d. h. Geschäfte aller Arten, nehmen mir meine ganze Zeit
weg; entschuldigen Sie dies nur und nehmen Sie auch jetzt noch meinen sehr
verspäteten Dank an. Durch die Sendung haben Sie mir eine sehr große
Freude gemacht, indem Sie mir, freilich nun zu spät, eine neue musikalische
Bekanntschaft verschaffen; an meisten sagt mir die Sonate zu, sie ist am
ernstesten gehalten, auch scheint sie mir am unbefangensten; namentlich das
erste Stück und das ^mag-öde, weniger das Ledöi-iio u. letzte, wo mir der
Clavierspieler, der die as-aur Variat. gemacht hat, wieder ein wenig heraus¬
sieht. Diese letztere haben mir allerdings nicht gefallen wollen, dagegen in
den ^bändigen Stücken sehr vieles wieder, und ich kann mir es denken.
Wie interessant es Ihnen gewesen sein muß, alle diese Sachen gleich nach
Ihrem Entstehen zu hören, und wie viele schöne Erwartungen dnrch seinen
Verlust unerfüllt werden mußten. — Darf ich Sie auch bitten, dem Herrn
Schumann in meinem Namen vielmals für sein freundliches Geschenk mit
den freundlichen Worten darauf vielmal und herzlich zu danken. Ich wünschte
wohl, ich wäre auf ein Paar Tage in Leipzig um ihm mal zu sagen, wie
vieles mir darin so wohl zusagt und gefällt, und dann wieder anderes nicht,
so daß ich gewiß denke, er müßte meiner Meinung werden, wenn ich sie ihm
recht sagen könnte. Zu meinen Lieblingen gehört No. 11 in tuon; noch¬
mals bitte, danken Sie ihm recht sehr, und sagen ihm wie er mich erfreut
hat. — Was hören Sie denn sonst Gutes Neues diesen W'meer? Hier lebe
ich wie die Lafontaine'sche Ratze, die sich in einen großen Käse zurückgezogen
hat. Wenn ich esse, so sehe ich Leute u. außerdem reite ich spazieren und
schreibe mein Oratorium.*), das nun in einigen Wochen so Gott will fertig
sein soll, und erfahre von der ganzen Welt nichts. Pfingsten werde ich das
Musikfest in Cöln dirigiren, und dann wieder auf ein Paar Monat im Reich
umherfahren, weiß selbst noch gar nicht, wohin. Nach England habe ich Lust,
nach der Schweiz noch größre, u. zum Unglück muß mir gestern ein Be¬
kannter schreiben, ob ich mit ihm eine Reise durch Spanien machen wolle,
und das blose Wort Spanien macht mir schon die größte Lust. Wenn es



") Paulus, erst 1830 in Leipzig beendet.
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[0354] können, so schreiben Sie mir bald mal wieder einige Zeilen, u. erfreuen Sie dadurch Ihren ergebner Felix Mendelssohn-Bartholdy. 3. Düsseldorf, den Is. März 36. Hochgeehrte Frau Hundertmal habe ich Sie um Verzeihung zu bitten daß ich Ihnen auf Ihre so freundliche Sendung noch nicht geantwortet und gedankt habe. Mar¬ tern aller Arten, d. h. Geschäfte aller Arten, nehmen mir meine ganze Zeit weg; entschuldigen Sie dies nur und nehmen Sie auch jetzt noch meinen sehr verspäteten Dank an. Durch die Sendung haben Sie mir eine sehr große Freude gemacht, indem Sie mir, freilich nun zu spät, eine neue musikalische Bekanntschaft verschaffen; an meisten sagt mir die Sonate zu, sie ist am ernstesten gehalten, auch scheint sie mir am unbefangensten; namentlich das erste Stück und das ^mag-öde, weniger das Ledöi-iio u. letzte, wo mir der Clavierspieler, der die as-aur Variat. gemacht hat, wieder ein wenig heraus¬ sieht. Diese letztere haben mir allerdings nicht gefallen wollen, dagegen in den ^bändigen Stücken sehr vieles wieder, und ich kann mir es denken. Wie interessant es Ihnen gewesen sein muß, alle diese Sachen gleich nach Ihrem Entstehen zu hören, und wie viele schöne Erwartungen dnrch seinen Verlust unerfüllt werden mußten. — Darf ich Sie auch bitten, dem Herrn Schumann in meinem Namen vielmals für sein freundliches Geschenk mit den freundlichen Worten darauf vielmal und herzlich zu danken. Ich wünschte wohl, ich wäre auf ein Paar Tage in Leipzig um ihm mal zu sagen, wie vieles mir darin so wohl zusagt und gefällt, und dann wieder anderes nicht, so daß ich gewiß denke, er müßte meiner Meinung werden, wenn ich sie ihm recht sagen könnte. Zu meinen Lieblingen gehört No. 11 in tuon; noch¬ mals bitte, danken Sie ihm recht sehr, und sagen ihm wie er mich erfreut hat. — Was hören Sie denn sonst Gutes Neues diesen W'meer? Hier lebe ich wie die Lafontaine'sche Ratze, die sich in einen großen Käse zurückgezogen hat. Wenn ich esse, so sehe ich Leute u. außerdem reite ich spazieren und schreibe mein Oratorium.*), das nun in einigen Wochen so Gott will fertig sein soll, und erfahre von der ganzen Welt nichts. Pfingsten werde ich das Musikfest in Cöln dirigiren, und dann wieder auf ein Paar Monat im Reich umherfahren, weiß selbst noch gar nicht, wohin. Nach England habe ich Lust, nach der Schweiz noch größre, u. zum Unglück muß mir gestern ein Be¬ kannter schreiben, ob ich mit ihm eine Reise durch Spanien machen wolle, und das blose Wort Spanien macht mir schon die größte Lust. Wenn es ") Paulus, erst 1830 in Leipzig beendet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/354>, abgerufen am 22.12.2024.