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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Tag für Tag daran. Ich eile nun Ihnen dafür zu danken und Ihnen zu
sagen, wie sehr es mich freut daß Sie mir Ihr freundliches Andenken be¬
wahren. Meine Adresse hier ist eben ganz einfach meinen Namen und den
der Stadt Düsseldorf, denn ich bin auf der Post durch manche Schnellpost-
billete, u. s. w. bekannt. Nur thut es mir leid, daß Ihr Brieflein so ganz
kurz ist u. eigentlich nur nach der Adresse frägt, dann schließt, Sie sagen
daß Sie vom Leipziger Musiktreiben schwiegen um mir keine unangenehme
Minute zu bereiten -- das verstehe ich kaum, denn daß sich nicht irgend
etwas Erfreuliches davon sagen ließe kann ich mir doch nicht denken, und
daß mir Ihre Beschreibung davon nur sehr angenehm und interessant sein
kann wissen Sie wohl. Ich könnte wohl so was von hier eher schreiben,
denn es ist doch ganz unglaublich kleinstädtisch im Rhein-Athen, wie die
Rhein-Athener sagen (nämlich Düsseldorf) und wenn's Orchester nicht be¬
trunken ist und sich prügelt, spielt es doch noch nicht mittelmäßig, und ich
ermahne sehr zur Nüchternheit, und Friedlichkeit u. zum Tacthalten und zum
Milo -- so umsonst, wie andre Prediger, sie fallen doch wieder unbarm¬
herzig über sich und die Noten her. Aber von Ihrem musikreichsn, ton¬
angebenden Leipzig mit der Thomasschule und den Concerten und der Oper
u. aller neuen guten Musik -- da muß sich doch was Angenehmes erzählen
lassen. Und so hoffe ich denn bald wieder mit einigen Worten von Ihnen
erfreut zu werden, da Sie mir gewiß ein so großes Vergnügen nicht vor¬
enthalten werden, und da es Ihnen, wie gesagt, unmöglich an Stoff fehlen
kann, um einen jungen Einsiedler wieder in die Welt zu führen. An Hof¬
rath Rochlitz habe ich selber geschrieben, und bitte Sie nur mich ihm bestens
zu empfehlen, so wie Ihrem Herrn Gemahl, und die Hochachtung zu geneh¬
migen, mit der ich bin


Ihr ergebener
Felix Mendelssohn-Bartholdy.
2.

Düsseldorf, den 10. Januar LS.


Hochgeehrte Frau

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihren freundlichen Brief; ich
hatte schon einen Tag ehe ich ihn empfing den Tod Ihres Freundes") durch
die Zeitung erfahren, und mir gedacht, wie sehr ein solcher Verlust Sie
schmerzen muß. Man weiß dann immer nicht, ob man sich freuen soll oder
es bedauern, wenn man sich so kurz vor dem Scheiden noch wieder sieht oder
kennen lernt, aber in jedem Falle würden Sie mich ganz erfreuen, wenn Sie
mir, wie Sie es mir andeuten, einige seiner Sachen zuschicken wollten. Sie



') Ludwig Schurke an" Stuttgart.

Tag für Tag daran. Ich eile nun Ihnen dafür zu danken und Ihnen zu
sagen, wie sehr es mich freut daß Sie mir Ihr freundliches Andenken be¬
wahren. Meine Adresse hier ist eben ganz einfach meinen Namen und den
der Stadt Düsseldorf, denn ich bin auf der Post durch manche Schnellpost-
billete, u. s. w. bekannt. Nur thut es mir leid, daß Ihr Brieflein so ganz
kurz ist u. eigentlich nur nach der Adresse frägt, dann schließt, Sie sagen
daß Sie vom Leipziger Musiktreiben schwiegen um mir keine unangenehme
Minute zu bereiten — das verstehe ich kaum, denn daß sich nicht irgend
etwas Erfreuliches davon sagen ließe kann ich mir doch nicht denken, und
daß mir Ihre Beschreibung davon nur sehr angenehm und interessant sein
kann wissen Sie wohl. Ich könnte wohl so was von hier eher schreiben,
denn es ist doch ganz unglaublich kleinstädtisch im Rhein-Athen, wie die
Rhein-Athener sagen (nämlich Düsseldorf) und wenn's Orchester nicht be¬
trunken ist und sich prügelt, spielt es doch noch nicht mittelmäßig, und ich
ermahne sehr zur Nüchternheit, und Friedlichkeit u. zum Tacthalten und zum
Milo — so umsonst, wie andre Prediger, sie fallen doch wieder unbarm¬
herzig über sich und die Noten her. Aber von Ihrem musikreichsn, ton¬
angebenden Leipzig mit der Thomasschule und den Concerten und der Oper
u. aller neuen guten Musik — da muß sich doch was Angenehmes erzählen
lassen. Und so hoffe ich denn bald wieder mit einigen Worten von Ihnen
erfreut zu werden, da Sie mir gewiß ein so großes Vergnügen nicht vor¬
enthalten werden, und da es Ihnen, wie gesagt, unmöglich an Stoff fehlen
kann, um einen jungen Einsiedler wieder in die Welt zu führen. An Hof¬
rath Rochlitz habe ich selber geschrieben, und bitte Sie nur mich ihm bestens
zu empfehlen, so wie Ihrem Herrn Gemahl, und die Hochachtung zu geneh¬
migen, mit der ich bin


Ihr ergebener
Felix Mendelssohn-Bartholdy.
2.

Düsseldorf, den 10. Januar LS.


Hochgeehrte Frau

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihren freundlichen Brief; ich
hatte schon einen Tag ehe ich ihn empfing den Tod Ihres Freundes") durch
die Zeitung erfahren, und mir gedacht, wie sehr ein solcher Verlust Sie
schmerzen muß. Man weiß dann immer nicht, ob man sich freuen soll oder
es bedauern, wenn man sich so kurz vor dem Scheiden noch wieder sieht oder
kennen lernt, aber in jedem Falle würden Sie mich ganz erfreuen, wenn Sie
mir, wie Sie es mir andeuten, einige seiner Sachen zuschicken wollten. Sie



') Ludwig Schurke an« Stuttgart.
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[0352] Tag für Tag daran. Ich eile nun Ihnen dafür zu danken und Ihnen zu sagen, wie sehr es mich freut daß Sie mir Ihr freundliches Andenken be¬ wahren. Meine Adresse hier ist eben ganz einfach meinen Namen und den der Stadt Düsseldorf, denn ich bin auf der Post durch manche Schnellpost- billete, u. s. w. bekannt. Nur thut es mir leid, daß Ihr Brieflein so ganz kurz ist u. eigentlich nur nach der Adresse frägt, dann schließt, Sie sagen daß Sie vom Leipziger Musiktreiben schwiegen um mir keine unangenehme Minute zu bereiten — das verstehe ich kaum, denn daß sich nicht irgend etwas Erfreuliches davon sagen ließe kann ich mir doch nicht denken, und daß mir Ihre Beschreibung davon nur sehr angenehm und interessant sein kann wissen Sie wohl. Ich könnte wohl so was von hier eher schreiben, denn es ist doch ganz unglaublich kleinstädtisch im Rhein-Athen, wie die Rhein-Athener sagen (nämlich Düsseldorf) und wenn's Orchester nicht be¬ trunken ist und sich prügelt, spielt es doch noch nicht mittelmäßig, und ich ermahne sehr zur Nüchternheit, und Friedlichkeit u. zum Tacthalten und zum Milo — so umsonst, wie andre Prediger, sie fallen doch wieder unbarm¬ herzig über sich und die Noten her. Aber von Ihrem musikreichsn, ton¬ angebenden Leipzig mit der Thomasschule und den Concerten und der Oper u. aller neuen guten Musik — da muß sich doch was Angenehmes erzählen lassen. Und so hoffe ich denn bald wieder mit einigen Worten von Ihnen erfreut zu werden, da Sie mir gewiß ein so großes Vergnügen nicht vor¬ enthalten werden, und da es Ihnen, wie gesagt, unmöglich an Stoff fehlen kann, um einen jungen Einsiedler wieder in die Welt zu führen. An Hof¬ rath Rochlitz habe ich selber geschrieben, und bitte Sie nur mich ihm bestens zu empfehlen, so wie Ihrem Herrn Gemahl, und die Hochachtung zu geneh¬ migen, mit der ich bin Ihr ergebener Felix Mendelssohn-Bartholdy. 2. Düsseldorf, den 10. Januar LS. Hochgeehrte Frau Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihren freundlichen Brief; ich hatte schon einen Tag ehe ich ihn empfing den Tod Ihres Freundes") durch die Zeitung erfahren, und mir gedacht, wie sehr ein solcher Verlust Sie schmerzen muß. Man weiß dann immer nicht, ob man sich freuen soll oder es bedauern, wenn man sich so kurz vor dem Scheiden noch wieder sieht oder kennen lernt, aber in jedem Falle würden Sie mich ganz erfreuen, wenn Sie mir, wie Sie es mir andeuten, einige seiner Sachen zuschicken wollten. Sie ') Ludwig Schurke an« Stuttgart.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/352>, abgerufen am 22.12.2024.