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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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ist nicht, wie in altrn Tagen, die unmittelbare Almosenspende. Diese hat
zum Theil geeignetere Organe gesunden, hauptsächlich aber an effectivem
Werthe außerordentlich eingebüßt. Der kirchlichen Predigt bleibt, was auch
zu Christi Zeiten schon ihr edelster Inhalt, ihr Vorrecht vor aller concurri¬
renden Thätigkeit war: die Anfeuerung der gläubigen Hörer, daß sie sich der
Armen wirksam annehmen. Wenn es sür die Ausführung heutigen Tags, in
den verwickelten Lebenszuständen der civilisirten modernen Welt eines vor¬
ausgegangenen eigentlichen Studiums der Armenpflege bedarf, so ist das ge¬
wiß in der Sache selbst kein Hinderniß, sondern Macht Nur darauf aufmerk¬
sam, daß theologische Studien allein den Menschen nicht mehr zum Prediger
und Seelsorger auszurüsten vermögen.




Arbeiterverhältmsse von Sonst und Jetzt.

"Ich glaube nicht, daß d^e Höhe des Arbeitslohnes sich nach dem Preise
der Lebensmittel richtet; ich glaube nicht, daß bei hohen Preisen die Löhne
in demselben Verhältniße steigen; 5es glaube nicht, daß ein niedriger Preis
der Lebensmittel nothwendig einen niedrigen Arbeitslohn zur Folge hat.
Ich habe sechs Jahre vor Mir, und zwar wahrend der ersten drei, hohe Preise
und niedrige Löhne Und während der letzten drei Jahre, niedrige Preise und
hohe Löhne und finde mich daher zu dem Schlüsse gedrängt, daß die Arbeits¬
löhne sich nicht nach dem Preise der Lebensmittel richten. Es besteht kein
unmittelbares Verhältniß zwischen Arbeitslöhnen und Brvdpreisen, oder 'wenn
eins besteht, so ist ein umgekehrtes."

D'lese Worte, welche Sir Robert Peel am '22. Januar 1846 im englt-
schen Unterhause sprach, haben sich seitdem oft bestätigt und gelten auch
außerhalb Englands. Die nachstehende Tabelle enthält die Vertheilung des
Arbeitslohnes in Frankreich Unter die landwirthschaftlichen Familien des
Reiches in einer früheren Periode, nach der Schätzung von durchschnittlich vier
und einer halben Person aus die Familie, mit Angabe des jährlichen sowie
des täglichen Lohnes jeder Familie:

JahrFamilienJährl. LohnTage. Lohn
Fr. Cent. Stüber
17003.380,000Fr. 1380 37 oder 7'/--
17603,350.000., 1260 35 " 7
17884.000.000.. W10 45 ., 9
18134.600.000" 4001 10 " 22
18406,000,000" 5001 37 " 27

ist nicht, wie in altrn Tagen, die unmittelbare Almosenspende. Diese hat
zum Theil geeignetere Organe gesunden, hauptsächlich aber an effectivem
Werthe außerordentlich eingebüßt. Der kirchlichen Predigt bleibt, was auch
zu Christi Zeiten schon ihr edelster Inhalt, ihr Vorrecht vor aller concurri¬
renden Thätigkeit war: die Anfeuerung der gläubigen Hörer, daß sie sich der
Armen wirksam annehmen. Wenn es sür die Ausführung heutigen Tags, in
den verwickelten Lebenszuständen der civilisirten modernen Welt eines vor¬
ausgegangenen eigentlichen Studiums der Armenpflege bedarf, so ist das ge¬
wiß in der Sache selbst kein Hinderniß, sondern Macht Nur darauf aufmerk¬
sam, daß theologische Studien allein den Menschen nicht mehr zum Prediger
und Seelsorger auszurüsten vermögen.




Arbeiterverhältmsse von Sonst und Jetzt.

„Ich glaube nicht, daß d^e Höhe des Arbeitslohnes sich nach dem Preise
der Lebensmittel richtet; ich glaube nicht, daß bei hohen Preisen die Löhne
in demselben Verhältniße steigen; 5es glaube nicht, daß ein niedriger Preis
der Lebensmittel nothwendig einen niedrigen Arbeitslohn zur Folge hat.
Ich habe sechs Jahre vor Mir, und zwar wahrend der ersten drei, hohe Preise
und niedrige Löhne Und während der letzten drei Jahre, niedrige Preise und
hohe Löhne und finde mich daher zu dem Schlüsse gedrängt, daß die Arbeits¬
löhne sich nicht nach dem Preise der Lebensmittel richten. Es besteht kein
unmittelbares Verhältniß zwischen Arbeitslöhnen und Brvdpreisen, oder 'wenn
eins besteht, so ist ein umgekehrtes."

D'lese Worte, welche Sir Robert Peel am '22. Januar 1846 im englt-
schen Unterhause sprach, haben sich seitdem oft bestätigt und gelten auch
außerhalb Englands. Die nachstehende Tabelle enthält die Vertheilung des
Arbeitslohnes in Frankreich Unter die landwirthschaftlichen Familien des
Reiches in einer früheren Periode, nach der Schätzung von durchschnittlich vier
und einer halben Person aus die Familie, mit Angabe des jährlichen sowie
des täglichen Lohnes jeder Familie:

JahrFamilienJährl. LohnTage. Lohn
Fr. Cent. Stüber
17003.380,000Fr. 1380 37 oder 7'/--
17603,350.000., 1260 35 „ 7
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[0394] ist nicht, wie in altrn Tagen, die unmittelbare Almosenspende. Diese hat zum Theil geeignetere Organe gesunden, hauptsächlich aber an effectivem Werthe außerordentlich eingebüßt. Der kirchlichen Predigt bleibt, was auch zu Christi Zeiten schon ihr edelster Inhalt, ihr Vorrecht vor aller concurri¬ renden Thätigkeit war: die Anfeuerung der gläubigen Hörer, daß sie sich der Armen wirksam annehmen. Wenn es sür die Ausführung heutigen Tags, in den verwickelten Lebenszuständen der civilisirten modernen Welt eines vor¬ ausgegangenen eigentlichen Studiums der Armenpflege bedarf, so ist das ge¬ wiß in der Sache selbst kein Hinderniß, sondern Macht Nur darauf aufmerk¬ sam, daß theologische Studien allein den Menschen nicht mehr zum Prediger und Seelsorger auszurüsten vermögen. Arbeiterverhältmsse von Sonst und Jetzt. „Ich glaube nicht, daß d^e Höhe des Arbeitslohnes sich nach dem Preise der Lebensmittel richtet; ich glaube nicht, daß bei hohen Preisen die Löhne in demselben Verhältniße steigen; 5es glaube nicht, daß ein niedriger Preis der Lebensmittel nothwendig einen niedrigen Arbeitslohn zur Folge hat. Ich habe sechs Jahre vor Mir, und zwar wahrend der ersten drei, hohe Preise und niedrige Löhne Und während der letzten drei Jahre, niedrige Preise und hohe Löhne und finde mich daher zu dem Schlüsse gedrängt, daß die Arbeits¬ löhne sich nicht nach dem Preise der Lebensmittel richten. Es besteht kein unmittelbares Verhältniß zwischen Arbeitslöhnen und Brvdpreisen, oder 'wenn eins besteht, so ist ein umgekehrtes." D'lese Worte, welche Sir Robert Peel am '22. Januar 1846 im englt- schen Unterhause sprach, haben sich seitdem oft bestätigt und gelten auch außerhalb Englands. Die nachstehende Tabelle enthält die Vertheilung des Arbeitslohnes in Frankreich Unter die landwirthschaftlichen Familien des Reiches in einer früheren Periode, nach der Schätzung von durchschnittlich vier und einer halben Person aus die Familie, mit Angabe des jährlichen sowie des täglichen Lohnes jeder Familie: JahrFamilienJährl. LohnTage. Lohn Fr. Cent. Stüber 17003.380,000Fr. 1380 37 oder 7'/-- 17603,350.000., 1260 35 „ 7 17884.000.000.. W10 45 ., 9 18134.600.000„ 4001 10 „ 22 18406,000,000„ 5001 37 „ 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/394>, abgerufen am 26.06.2024.