Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.Preußische Mnanzfragen. I. Die Rentenconversion und die Staatsschuld. Die Uebernahme des Ministeriums der Finanzen durch den bisherigen Man vergegenwärtige sich die Lage. Ein Deficit war unzweifelhaft da, Die bisher befolgte Politik hatte der Stellung der Regierung sehr ge¬ GrenMm 1. 1870. 2"
Preußische Mnanzfragen. I. Die Rentenconversion und die Staatsschuld. Die Uebernahme des Ministeriums der Finanzen durch den bisherigen Man vergegenwärtige sich die Lage. Ein Deficit war unzweifelhaft da, Die bisher befolgte Politik hatte der Stellung der Regierung sehr ge¬ GrenMm 1. 1870. 2«
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Preußische Mnanzfragen.
I.
Die Rentenconversion und die Staatsschuld.
Die Uebernahme des Ministeriums der Finanzen durch den bisherigen
Präsidenten der Seehandlung, Herrn Camphausen, wird mit Recht als ein be¬
deutsamer und günstiger Wendepunkt in der inneren Entwickelung Preußens
begrüßt; selbst wenn der neue Minister schon jetzt wieder zurückträte, es würde
ihm doch eine ehrenvolle Stellung in der preußischen Finanzgeschichte durch
die Maßregel der Rentenconversion gesichert bleiben.
Man vergegenwärtige sich die Lage. Ein Deficit war unzweifelhaft da,
aber über die Größe desselben herrschte Ungewißheit; die Regierung leugnete
es erst ab, gab es dann bedingt zu und überraschte schließlich in der Heydt-
schen Denkschrift den Reichstag mit der Mittheilung, daß der Ausfall sich
auf 10 Mill. belaufe. Darauf erfolgte die Vorlage einer Reihe neuer Steuer¬
gesetze, meist der unwirtschaftlichsten Art, die demzufolge abgelehnt wurden.
Beim Zusammentritt des Landtags forderte Herr v. d. Heydt den 25 pro-
centigen Zuschlag zur Schlacht- und Mahl-, Classen- und Einkommensteuer
als einziges Mittel, das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben
herzustellen. Aber der Landtag blieb fest, der Minister stieß auf eine so ge¬
schlossene Opposition aller Parteien, daß ihm bei dem gleichzeitigen Mißcredit,
den die Geschichte der 100 Mill. Prämienanleihe auf ihn warf, nichts übrig
blieb, als zurückzutreten.
Die bisher befolgte Politik hatte der Stellung der Regierung sehr ge¬
schadet; zuerst hatte man viel zu bereitwillig neue Ausgaben acceptirt (wir
erinnern nur an die Entschädigungen von 1866 und die enormen Absin¬
dungen der Depossedirten), dann verfiel man ins Gegentheil und malte ins
Schwarze, um neue Steuern bewilligt zu erhalten; Beides wurde gebührend
von der demokratischen und partikularistischen Presse ausgebeutet, um die
Segnungen des norddeutschen Militärdespotismus in das grellste Licht zu
setzen und die preußischen Finanzen als beim permanenten Deficit angelangt
zu schildern.
GrenMm 1. 1870. 2«
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