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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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geberen Falle des Berliner Domes geschehen solle, so meinen wir, daß der
gegenwärtige Bau allerdings von solcher Unschönheit ist, daß man im archi-
- tektonischen Interesse nur wünschen kann, ihn verschwinden zu sehen. Als
das natürlichste würde uns erscheinen, wenn man den Flügel des Schlosses,
in welchem sich jetzt die Hofapotheke und kleinere Wohnungen befinden, ab¬
bräche und dort eine Kirche von mäßigem Umfange baute, deren Styl sich
dem des Schlosses anzupassen hätte. So würde unserer Ansicht nach am
besten dem künstlerischen Interesse genügt, während jede gothische Kirche, die
an die Stelle des Domes gebaut würde, die Harmonie des ganzen Ensemble
von Schloß, Museum, Opernhaus u. s. w. zerstören müßte, und während
jeder große Kuppelbau unpraktisch für den Gottesdienst ist. Eine solche
Schloßkirche würde dem praktischen Bedürfniß der Domgemeinde genügen; und
für die Hälfte der Summen, welche ein Monstrebau wie der projectirte ver¬
schlingen müßte, könnte man in allen Theilen der Stadt die Kirchen bauen,
welche dort etwa Bedürfniß sein sollten. Der Platz endlich, welcher durch den
Abbruch des jetzigen Domes gewonnen werden würde, könnte zweckmäßig zur
Erweiterung der Anlagen des Lustgartens- benutzt werden, der durch die
Ausführung des vamxo Santo mit den Cornelius'schen Fresken den würdig¬
sten Abschluß erhielte.




Pasoeloup's Volksconcerte in Paris.

Der Pariser rühmt gern, in der "Hauptstadt der Welt" könne Jeder
nach seinen Gewohnheiten leben, zu Belehrung und Vergnügen sei für jeden
Geschmack gesorgt. Leider ist das häufig gehörte: on trouve tont K
eben nur eine Phrase, die schön klingt, aber durchaus unwahr ist. Nament¬
lich wird der Deutsche hier vielen lieben Gewohnheiten der Heimath entsagen
müssen, und zwar gerade solchen, die, weil in seiner Natur begründet, ihm
am schwersten abzulegen sind. Wir wollen heute nur von der Musik sprechen.
Gute, d. h. classische Musik, so oft zu so mäßigen, für Alle zugänglichen
Preisen zu hören, wie es uns in den größeren, auch in vielen kleineren
Städten Deutschlands geboten wird, war bis vor Kurzem eine Sache der
Unmöglichkeit, und ist auch heute noch schwer. Das Repertoire der großen
Oper ist außerordentlich beschränkt; diesen Winter z. B. gab sie nur Thoma's
entsetzlich langweiligen Hamlet, die Hugenotten, die Afrikanerin. Gounot's


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geberen Falle des Berliner Domes geschehen solle, so meinen wir, daß der
gegenwärtige Bau allerdings von solcher Unschönheit ist, daß man im archi-
- tektonischen Interesse nur wünschen kann, ihn verschwinden zu sehen. Als
das natürlichste würde uns erscheinen, wenn man den Flügel des Schlosses,
in welchem sich jetzt die Hofapotheke und kleinere Wohnungen befinden, ab¬
bräche und dort eine Kirche von mäßigem Umfange baute, deren Styl sich
dem des Schlosses anzupassen hätte. So würde unserer Ansicht nach am
besten dem künstlerischen Interesse genügt, während jede gothische Kirche, die
an die Stelle des Domes gebaut würde, die Harmonie des ganzen Ensemble
von Schloß, Museum, Opernhaus u. s. w. zerstören müßte, und während
jeder große Kuppelbau unpraktisch für den Gottesdienst ist. Eine solche
Schloßkirche würde dem praktischen Bedürfniß der Domgemeinde genügen; und
für die Hälfte der Summen, welche ein Monstrebau wie der projectirte ver¬
schlingen müßte, könnte man in allen Theilen der Stadt die Kirchen bauen,
welche dort etwa Bedürfniß sein sollten. Der Platz endlich, welcher durch den
Abbruch des jetzigen Domes gewonnen werden würde, könnte zweckmäßig zur
Erweiterung der Anlagen des Lustgartens- benutzt werden, der durch die
Ausführung des vamxo Santo mit den Cornelius'schen Fresken den würdig¬
sten Abschluß erhielte.




Pasoeloup's Volksconcerte in Paris.

Der Pariser rühmt gern, in der „Hauptstadt der Welt" könne Jeder
nach seinen Gewohnheiten leben, zu Belehrung und Vergnügen sei für jeden
Geschmack gesorgt. Leider ist das häufig gehörte: on trouve tont K
eben nur eine Phrase, die schön klingt, aber durchaus unwahr ist. Nament¬
lich wird der Deutsche hier vielen lieben Gewohnheiten der Heimath entsagen
müssen, und zwar gerade solchen, die, weil in seiner Natur begründet, ihm
am schwersten abzulegen sind. Wir wollen heute nur von der Musik sprechen.
Gute, d. h. classische Musik, so oft zu so mäßigen, für Alle zugänglichen
Preisen zu hören, wie es uns in den größeren, auch in vielen kleineren
Städten Deutschlands geboten wird, war bis vor Kurzem eine Sache der
Unmöglichkeit, und ist auch heute noch schwer. Das Repertoire der großen
Oper ist außerordentlich beschränkt; diesen Winter z. B. gab sie nur Thoma's
entsetzlich langweiligen Hamlet, die Hugenotten, die Afrikanerin. Gounot's


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/371>, abgerufen am 04.07.2024.