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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Geltung, hatte es mit der Freiheit sein Ende. Und so wird es wieder kommen.
Wir freuen uns über jeden liberalen Fortschritt in Oestreich, wir werden aber
an seine Dauer erst dann glauben, wenn wir sehen, daß sich Oestreich mit
Oestreich begnügt, und daß nicht verschiebbare Reichsgrenzen, sondern feste
Staatsgrenzen zwischen ihm und uns errichtet sind.


A. Springer.


Gegen die böhmische Wer?elsKrone.
Bon einem Deutsch-Böhmen.

In Ur. 11 dieser Blätter befindet sich unter dem Titel: "die Bedeutung
der böhmischen Wenzelskrone" das staatsrechtliche Programm der Fraction
der czechischen Landtagsabgeordneten in Böhmen und Mähren, das einerseits
auf die Wiederbelebung der alten ständischen Landesvertretung und andrer¬
seits auf die Lockerung des Anschlusses von Böhmen, Mähren und Schlesien
an Gesammtöstreich hinausgeht. Wir dürfen es wohl als bekannt annehmen,
daß diese "nationale" Fraction in den genannten Landtagen nur ein einzi¬
ges Mal -- unter dem unglückseligen Regime Belcredis -- durch ein Bünd-
niß mit dem Feudaladel und der Clerisei sich der Majorität gegenüber den
Vertretern der deutschen Bevölkerung dieser drei Länder rühmen konnte und
in welchem Verhältnisse somit jenes Programm zu den Wünschen der fort¬
schrittlich gesinnten Landesbevölkerungen stehe. Nicht so bekannt, noch weni¬
ger ^ersichtlich aus dem genannten Aufsatze ist es, wie es sich mit dem Ge¬
brauche und Sinne des Wortes "Se. Wenzelskrone" verhalte. -- Nach der
Art, wie dort von demselben gesprochen wird, müßte man glauben, diese
Bezeichnung sei hier zu Lande nicht nur gang und gäbe, sondern sogar, seit
Prof. Höfler die Aufnahme der richtigen und gebräuchlichen Bezeichnung in
die Landtagsadrefse gegen die vorerwähnte Majorität nicht durchzusetzen ver¬
mochte, "erst recht beliebt geworden". Dem gegenüber muß constatirt wer¬
den, daß diese Bezeichnung allerdings zu einer Art politischen Schlagwortes
geworden ist -- aber einzig und allein in der czechischen Journalistik der
neuesten Zeit; die Deutschen Böhmens, Mährens und Schlesiens, sowie außer
den Czechen alle Oestreicher haben das neue Wort erst seit 1866 nur eben-
von, der angegebenen Quelle aus kennen gelernt. Wir kennen wohl die
östreichischen Kronländer Böhmen, Mähren und Schlesien; eine östreichische
Ländergruppe unter dem seltsamen Titel der "Se. Wenzelskrone" kennen.wir
ebensowenig, als sich dieselbe in irgend einer Geographie oder einem Atlas
der Welt vorfindet. In der ganzen deutschen und magyarischen Journalistik


Geltung, hatte es mit der Freiheit sein Ende. Und so wird es wieder kommen.
Wir freuen uns über jeden liberalen Fortschritt in Oestreich, wir werden aber
an seine Dauer erst dann glauben, wenn wir sehen, daß sich Oestreich mit
Oestreich begnügt, und daß nicht verschiebbare Reichsgrenzen, sondern feste
Staatsgrenzen zwischen ihm und uns errichtet sind.


A. Springer.


Gegen die böhmische Wer?elsKrone.
Bon einem Deutsch-Böhmen.

In Ur. 11 dieser Blätter befindet sich unter dem Titel: „die Bedeutung
der böhmischen Wenzelskrone" das staatsrechtliche Programm der Fraction
der czechischen Landtagsabgeordneten in Böhmen und Mähren, das einerseits
auf die Wiederbelebung der alten ständischen Landesvertretung und andrer¬
seits auf die Lockerung des Anschlusses von Böhmen, Mähren und Schlesien
an Gesammtöstreich hinausgeht. Wir dürfen es wohl als bekannt annehmen,
daß diese „nationale" Fraction in den genannten Landtagen nur ein einzi¬
ges Mal — unter dem unglückseligen Regime Belcredis — durch ein Bünd-
niß mit dem Feudaladel und der Clerisei sich der Majorität gegenüber den
Vertretern der deutschen Bevölkerung dieser drei Länder rühmen konnte und
in welchem Verhältnisse somit jenes Programm zu den Wünschen der fort¬
schrittlich gesinnten Landesbevölkerungen stehe. Nicht so bekannt, noch weni¬
ger ^ersichtlich aus dem genannten Aufsatze ist es, wie es sich mit dem Ge¬
brauche und Sinne des Wortes „Se. Wenzelskrone" verhalte. — Nach der
Art, wie dort von demselben gesprochen wird, müßte man glauben, diese
Bezeichnung sei hier zu Lande nicht nur gang und gäbe, sondern sogar, seit
Prof. Höfler die Aufnahme der richtigen und gebräuchlichen Bezeichnung in
die Landtagsadrefse gegen die vorerwähnte Majorität nicht durchzusetzen ver¬
mochte, „erst recht beliebt geworden". Dem gegenüber muß constatirt wer¬
den, daß diese Bezeichnung allerdings zu einer Art politischen Schlagwortes
geworden ist — aber einzig und allein in der czechischen Journalistik der
neuesten Zeit; die Deutschen Böhmens, Mährens und Schlesiens, sowie außer
den Czechen alle Oestreicher haben das neue Wort erst seit 1866 nur eben-
von, der angegebenen Quelle aus kennen gelernt. Wir kennen wohl die
östreichischen Kronländer Böhmen, Mähren und Schlesien; eine östreichische
Ländergruppe unter dem seltsamen Titel der „Se. Wenzelskrone" kennen.wir
ebensowenig, als sich dieselbe in irgend einer Geographie oder einem Atlas
der Welt vorfindet. In der ganzen deutschen und magyarischen Journalistik


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[0083] Geltung, hatte es mit der Freiheit sein Ende. Und so wird es wieder kommen. Wir freuen uns über jeden liberalen Fortschritt in Oestreich, wir werden aber an seine Dauer erst dann glauben, wenn wir sehen, daß sich Oestreich mit Oestreich begnügt, und daß nicht verschiebbare Reichsgrenzen, sondern feste Staatsgrenzen zwischen ihm und uns errichtet sind. A. Springer. Gegen die böhmische Wer?elsKrone. Bon einem Deutsch-Böhmen. In Ur. 11 dieser Blätter befindet sich unter dem Titel: „die Bedeutung der böhmischen Wenzelskrone" das staatsrechtliche Programm der Fraction der czechischen Landtagsabgeordneten in Böhmen und Mähren, das einerseits auf die Wiederbelebung der alten ständischen Landesvertretung und andrer¬ seits auf die Lockerung des Anschlusses von Böhmen, Mähren und Schlesien an Gesammtöstreich hinausgeht. Wir dürfen es wohl als bekannt annehmen, daß diese „nationale" Fraction in den genannten Landtagen nur ein einzi¬ ges Mal — unter dem unglückseligen Regime Belcredis — durch ein Bünd- niß mit dem Feudaladel und der Clerisei sich der Majorität gegenüber den Vertretern der deutschen Bevölkerung dieser drei Länder rühmen konnte und in welchem Verhältnisse somit jenes Programm zu den Wünschen der fort¬ schrittlich gesinnten Landesbevölkerungen stehe. Nicht so bekannt, noch weni¬ ger ^ersichtlich aus dem genannten Aufsatze ist es, wie es sich mit dem Ge¬ brauche und Sinne des Wortes „Se. Wenzelskrone" verhalte. — Nach der Art, wie dort von demselben gesprochen wird, müßte man glauben, diese Bezeichnung sei hier zu Lande nicht nur gang und gäbe, sondern sogar, seit Prof. Höfler die Aufnahme der richtigen und gebräuchlichen Bezeichnung in die Landtagsadrefse gegen die vorerwähnte Majorität nicht durchzusetzen ver¬ mochte, „erst recht beliebt geworden". Dem gegenüber muß constatirt wer¬ den, daß diese Bezeichnung allerdings zu einer Art politischen Schlagwortes geworden ist — aber einzig und allein in der czechischen Journalistik der neuesten Zeit; die Deutschen Böhmens, Mährens und Schlesiens, sowie außer den Czechen alle Oestreicher haben das neue Wort erst seit 1866 nur eben- von, der angegebenen Quelle aus kennen gelernt. Wir kennen wohl die östreichischen Kronländer Böhmen, Mähren und Schlesien; eine östreichische Ländergruppe unter dem seltsamen Titel der „Se. Wenzelskrone" kennen.wir ebensowenig, als sich dieselbe in irgend einer Geographie oder einem Atlas der Welt vorfindet. In der ganzen deutschen und magyarischen Journalistik

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/83>, abgerufen am 15.01.2025.