Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Die Parteien im italienischen Parlament. Die Einheit jener großen Nationalpartei, welche sich schon vor 1859 ge¬ In Mailand ist dieser Tage eine Schrift erschienen, welche mitten in die Aber dieselbe Publication ist zugleich ein sprechender Beweis, wie weit Grenzboten. IV. 18V8. , Si
Die Parteien im italienischen Parlament. Die Einheit jener großen Nationalpartei, welche sich schon vor 1859 ge¬ In Mailand ist dieser Tage eine Schrift erschienen, welche mitten in die Aber dieselbe Publication ist zugleich ein sprechender Beweis, wie weit Grenzboten. IV. 18V8. , Si
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Die Parteien im italienischen Parlament.
Die Einheit jener großen Nationalpartei, welche sich schon vor 1859 ge¬
bildet hatte und in den folgenden Jahren die feste Stütze der Cavour'schen
Politik war. besteht längst nicht mehr. Auch Cavour hätte schwerlich auf die
Länge seine Getreuen zusammengehalten, und die Scenen, die er noch selbst
im Parlament mit Garibaldi hatte, kündigten bereits die erbitterte Fehde an
die seitdem um sein Erbe geführt wird. Es macht dem politischen Tact der
Italiener alle Ehre, daß sie es wenigstens damals verstanden das Vaterland
über die Secten zu stellen, daß dort, durch bittere Erfahrungen belehrt, alle
Parteien, die Monarchisten und Republikaner, Unitarier und Föderalisten
auf dem Boden eines Compromisses sich einigten, der so lange währte, bis
die Grundlagen der Wiedergeburt gesichert waren. Es hat allen Anschein
als ob es in Deutschland selbst in den entscheidendsten Momenten vergeblich
wäre, allen Parteien die Einsicht zuzumuthen. daß es Zeiten gibt, in wel¬
chen das Vaterland die oberste und einzige Rücksicht ist.
In Mailand ist dieser Tage eine Schrift erschienen, welche mitten in die
heiße Arbeit hineinblicken läßt, welche den patriotischen Agitatoren da¬
mals jene Vereinigung der Parteien kostete. Ausonio Franchi, der bekannte
Freidenker, hat nämlich die Correspondenz des unlängst verstorbenen Lafarina
herausgegeben, der erst Secretär, dann Präsident des Nationalvereins und
immer dessen Seele gewesen ist, treu in den Fußtapfen Mamin's wandelnd,
von welchem zuerst die Anregung zu jenem Compromiß ausging. Es gehörte
ganz diese unverwüstliche Arbeitskraft, diese selbstlose Hingebung an die Sache
dazu, wie Lafarina sie besaß, um den Einwendungen und Rechthabereien der
Parteien zum Trotz mit dem Grundsatz durchzuringen, daß man jeden Weg,
wenn er nur zum Ziele führe, einschlagen müsse, ob er zu den bisherigen
dogmatischen Glaubensbekenntnissen passe oder nicht. „Mit dem König von
Piemont, wenn er seine Krone für Italien einsetzt; wo nicht, nicht."
Aber dieselbe Publication ist zugleich ein sprechender Beweis, wie weit
entfernt Italien heute von jener freiwilligen und freundschaftlichen Neutrali-
Grenzboten. IV. 18V8. , Si
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