Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Ueber Briefsteller im Mittelalter. (Mit besonderer Rücksicht aus das baumgartenberger Formelbuch. Herausgegeben von Honos alle art<zg -- der Kunst, die ihre Jünger ehrt und nährt, strömt Natürlich, denn die verwickelten Verhältnisse der sich in immer kleinere Wenn wir Italien aufnehmen, wo sich Nachfolger der alten römischen Die ars Äiotauäi war das sicherste Mittel dem jungen Geistlichen, mochte Ueber Briefsteller im Mittelalter. (Mit besonderer Rücksicht aus das baumgartenberger Formelbuch. Herausgegeben von Honos alle art<zg — der Kunst, die ihre Jünger ehrt und nährt, strömt Natürlich, denn die verwickelten Verhältnisse der sich in immer kleinere Wenn wir Italien aufnehmen, wo sich Nachfolger der alten römischen Die ars Äiotauäi war das sicherste Mittel dem jungen Geistlichen, mochte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191573"/> </div> <div n="1"> <head> Ueber Briefsteller im Mittelalter.</head><lb/> <p xml:id="ID_985"> (Mit besonderer Rücksicht aus das baumgartenberger Formelbuch. Herausgegeben von<lb/> Herrmann Baerwald. Wien, 1866. Bildet den 25. Band der von der historischen<lb/> Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften herausgegebenen „Oestreichischen<lb/> Geschichtsquellen", Contos Rorum ^ustriaLarum.)</p><lb/> <p xml:id="ID_986"> Honos alle art<zg — der Kunst, die ihre Jünger ehrt und nährt, strömt<lb/> die Menge der regen und gewandten Geister zu, welche nicht durch eine gro߬<lb/> artige Einseitigkeit ihrer Anlagen auf ein bestimmtes Feld angewiesen sind; sie<lb/> wird also vor den andern schnell zu einer gewissen Blüthe und Vollendung ge¬<lb/> langen. Im Mittelalter aber gewährte wohl keine Kunst reichern Gewinn als<lb/> die ars Ätetanäi, die Kunst Urkunden und Briefe zu schreiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_987"> Natürlich, denn die verwickelten Verhältnisse der sich in immer kleinere<lb/> Theile zersetzenden Lehnsmonarchie und die mannigfachen Beziehungen der Staa¬<lb/> ten unter einander — selbst Papst und Sultan wechselten Briefe — erforderten<lb/> eine große Menge Urkunden und Briefe über oft sehr schwierige Angelegenheiten,<lb/> während doch nur weniges zu schreiben verstanden. Nicht als ob es jenen Jahrhun¬<lb/> derten an geistiger Begabung gefehlt hätte, jäher der Geist des Menschen muß<lb/> vus einem Gebiete erst heimisch werden, ehe er seine Kräfte auf demselben an.<lb/> wenden kann, er muß sie hier erst gebrauchen lernen. Beneiden dürfte unser<lb/> „gebildetes" Geschlecht jene Männer um die geistige Gewandtheit und sittliche<lb/> Stärke, mit der sie oft unter den verwickeltsten Verhältnissen den Blick klar und<lb/> das Herz frei behalten — aber ihren Gedanken schriftlichen Ausdruck zu leihen,<lb/> das einzelne Wort sorgfältig zu wählen und niederzuschreiben, während der Geist<lb/> doch auch den Gedanken im Ganzen festhält und fortbildet — das war ihnen<lb/> fremd. Ihre Hand mußte am Schwert ruhen, in Wind und Wetter mußten sie<lb/> den tausend Pflichten genügen, die ihrer warteten.</p><lb/> <p xml:id="ID_988"> Wenn wir Italien aufnehmen, wo sich Nachfolger der alten römischen<lb/> Grammatiker erhielten, so genossen nur die Geistlichen und vorzugsweise die<lb/> Mönche eine Schulung des Geistes, die sie zum schriftlichen Ausdruck geschickt<lb/> machte. Jeder Fürst hatte deshalb seinen „Pfaffen", der ihn sogar auf Reisen<lb/> begleitete, und wer sonst darum benöthigt war, wandte sich an einen der schreib-<lb/> fertigen Kleriker, (die also zugleich die Stelle unserer Notare ausfüllten) und<lb/> jener Briefschreiber, die in Italien noch heute für die zahlreiche des Schreibens<lb/> unkundige Menge Liebes- und andere Briefe aufsetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_989" next="#ID_990"> Die ars Äiotauäi war das sicherste Mittel dem jungen Geistlichen, mochte<lb/> er auch aus niederem Stande sein, eine einflußreiche Stellung im Rathe der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
Ueber Briefsteller im Mittelalter.
(Mit besonderer Rücksicht aus das baumgartenberger Formelbuch. Herausgegeben von
Herrmann Baerwald. Wien, 1866. Bildet den 25. Band der von der historischen
Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften herausgegebenen „Oestreichischen
Geschichtsquellen", Contos Rorum ^ustriaLarum.)
Honos alle art<zg — der Kunst, die ihre Jünger ehrt und nährt, strömt
die Menge der regen und gewandten Geister zu, welche nicht durch eine gro߬
artige Einseitigkeit ihrer Anlagen auf ein bestimmtes Feld angewiesen sind; sie
wird also vor den andern schnell zu einer gewissen Blüthe und Vollendung ge¬
langen. Im Mittelalter aber gewährte wohl keine Kunst reichern Gewinn als
die ars Ätetanäi, die Kunst Urkunden und Briefe zu schreiben.
Natürlich, denn die verwickelten Verhältnisse der sich in immer kleinere
Theile zersetzenden Lehnsmonarchie und die mannigfachen Beziehungen der Staa¬
ten unter einander — selbst Papst und Sultan wechselten Briefe — erforderten
eine große Menge Urkunden und Briefe über oft sehr schwierige Angelegenheiten,
während doch nur weniges zu schreiben verstanden. Nicht als ob es jenen Jahrhun¬
derten an geistiger Begabung gefehlt hätte, jäher der Geist des Menschen muß
vus einem Gebiete erst heimisch werden, ehe er seine Kräfte auf demselben an.
wenden kann, er muß sie hier erst gebrauchen lernen. Beneiden dürfte unser
„gebildetes" Geschlecht jene Männer um die geistige Gewandtheit und sittliche
Stärke, mit der sie oft unter den verwickeltsten Verhältnissen den Blick klar und
das Herz frei behalten — aber ihren Gedanken schriftlichen Ausdruck zu leihen,
das einzelne Wort sorgfältig zu wählen und niederzuschreiben, während der Geist
doch auch den Gedanken im Ganzen festhält und fortbildet — das war ihnen
fremd. Ihre Hand mußte am Schwert ruhen, in Wind und Wetter mußten sie
den tausend Pflichten genügen, die ihrer warteten.
Wenn wir Italien aufnehmen, wo sich Nachfolger der alten römischen
Grammatiker erhielten, so genossen nur die Geistlichen und vorzugsweise die
Mönche eine Schulung des Geistes, die sie zum schriftlichen Ausdruck geschickt
machte. Jeder Fürst hatte deshalb seinen „Pfaffen", der ihn sogar auf Reisen
begleitete, und wer sonst darum benöthigt war, wandte sich an einen der schreib-
fertigen Kleriker, (die also zugleich die Stelle unserer Notare ausfüllten) und
jener Briefschreiber, die in Italien noch heute für die zahlreiche des Schreibens
unkundige Menge Liebes- und andere Briefe aufsetzen.
Die ars Äiotauäi war das sicherste Mittel dem jungen Geistlichen, mochte
er auch aus niederem Stande sein, eine einflußreiche Stellung im Rathe der
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