Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.Das allgemeine und geheime Stimmrecht vor dem Reichstage. '^or den Wähle" zum Reichstag, also vor dem 12. Februar 1807. war Glcnjbotcn 1. l"e!?. 5-7
Das allgemeine und geheime Stimmrecht vor dem Reichstage. '^or den Wähle» zum Reichstag, also vor dem 12. Februar 1807. war Glcnjbotcn 1. l»e!?. 5-7
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0455" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190614"/> </div> <div n="1"> <head> Das allgemeine und geheime Stimmrecht vor dem Reichstage.</head><lb/> <p xml:id="ID_1526" next="#ID_1527"> '^or den Wähle» zum Reichstag, also vor dem 12. Februar 1807. war<lb/> das allgemeine und geheime Stimmrecht — oder wie man es in England kurz-<lb/> weg nennt: das Bailot — für uns alle eine Sphinx, die uns unlösbare Räthsel<lb/> aufgab. Jede Partei betrachtete dasselbe mit Gefühlen, gemischt ans Furcht<lb/> und aus Hoffnung, und, gestehen wir es offen, wir sind seitdem trotz der Er¬<lb/> weiterung unserer Erfahrungen und Wahrnehmungen in der Erkenntnis! der<lb/> Gesetze, nach welchen sich das Suffrage universel, angewandt auf die deutsche<lb/> Nation, und insbesondere auf d>c Bevölkerung des norddeutschen Bundes be¬<lb/> wegt hat und in Zukunft bewege» wird, immer noch nicht sehr weit vorgeschritten.<lb/> Es hat sich in Sachsen und Schleswig-Holstein den Parlicularisten günstig er¬<lb/> wiesen, in Hessen und Nassau den Umlauern, in Hannover hat es zwischen<lb/> beiden halbirt. In Altpreußen begünstigte es die Conservativen, in Ncupreußen<lb/> die Liberalen. In Posen die preußisch-deutsche, in Rheinland unt Westfalen<lb/> die unpreußisch - klerikale Partei. So durchläuft es die ganze Windrose des<lb/> Evmpasses und zeigt an jeder Stelle ein anderes Gesicht. Daraus wird man<lb/> erwidern: ganz »cuürlich, denn in jedem Lande, in jeder Provinz, >n jedem Be¬<lb/> zirke und in jedem Wahlkreis sind die Parteien anders beziffert und gruppirt,<lb/> und »ach Maßgabe dieser Voraussetzungen, welche sich an jedem Orte anders<lb/> ^statten, muß auch das Wahlergebnis; verschieden ausfallen. Das mag wahr<lb/> sein, allein das einzig entscheidende Moment ist es doch nicht. Es wird dadurch<lb/> »>ehe erläutert, wie es kommt, daß derselbe preußische Wahlbezirk, der noch vor<lb/> Kurzem zwei der entschiedenste» Fortschrittsleute in das Abgeordnetenhaus der<lb/> preußischen Monarchie wählte, auf einmal in den Reichstag des norddeutschen<lb/> Bundes einen Conservative» vom reinste» Wasser schickt. Ist die Stimmung<lb/> so üäuzlich umgeschlagen? Wir zweifeln sehr daran. Die Landtagswahlen,<lb/> welche wahrscheinlich Ende 1867 stattfinden, werden uns darüber belehre». Oder<lb/> sind die unteren Classen, deren Stimmen bei dem Ballvt gleiches Gewicht haben</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Glcnjbotcn 1. l»e!?. 5-7</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0455]
Das allgemeine und geheime Stimmrecht vor dem Reichstage.
'^or den Wähle» zum Reichstag, also vor dem 12. Februar 1807. war
das allgemeine und geheime Stimmrecht — oder wie man es in England kurz-
weg nennt: das Bailot — für uns alle eine Sphinx, die uns unlösbare Räthsel
aufgab. Jede Partei betrachtete dasselbe mit Gefühlen, gemischt ans Furcht
und aus Hoffnung, und, gestehen wir es offen, wir sind seitdem trotz der Er¬
weiterung unserer Erfahrungen und Wahrnehmungen in der Erkenntnis! der
Gesetze, nach welchen sich das Suffrage universel, angewandt auf die deutsche
Nation, und insbesondere auf d>c Bevölkerung des norddeutschen Bundes be¬
wegt hat und in Zukunft bewege» wird, immer noch nicht sehr weit vorgeschritten.
Es hat sich in Sachsen und Schleswig-Holstein den Parlicularisten günstig er¬
wiesen, in Hessen und Nassau den Umlauern, in Hannover hat es zwischen
beiden halbirt. In Altpreußen begünstigte es die Conservativen, in Ncupreußen
die Liberalen. In Posen die preußisch-deutsche, in Rheinland unt Westfalen
die unpreußisch - klerikale Partei. So durchläuft es die ganze Windrose des
Evmpasses und zeigt an jeder Stelle ein anderes Gesicht. Daraus wird man
erwidern: ganz »cuürlich, denn in jedem Lande, in jeder Provinz, >n jedem Be¬
zirke und in jedem Wahlkreis sind die Parteien anders beziffert und gruppirt,
und »ach Maßgabe dieser Voraussetzungen, welche sich an jedem Orte anders
^statten, muß auch das Wahlergebnis; verschieden ausfallen. Das mag wahr
sein, allein das einzig entscheidende Moment ist es doch nicht. Es wird dadurch
»>ehe erläutert, wie es kommt, daß derselbe preußische Wahlbezirk, der noch vor
Kurzem zwei der entschiedenste» Fortschrittsleute in das Abgeordnetenhaus der
preußischen Monarchie wählte, auf einmal in den Reichstag des norddeutschen
Bundes einen Conservative» vom reinste» Wasser schickt. Ist die Stimmung
so üäuzlich umgeschlagen? Wir zweifeln sehr daran. Die Landtagswahlen,
welche wahrscheinlich Ende 1867 stattfinden, werden uns darüber belehre». Oder
sind die unteren Classen, deren Stimmen bei dem Ballvt gleiches Gewicht haben
Glcnjbotcn 1. l»e!?. 5-7
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