Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.Nemus Apostel. üsnan, leg ^xotros. ?s.rig, Niedsl I.nox trervs. 1866. Ein Erfolg wie der von Renans Leben Jesu pflegt sich nicht zu wieder¬ Aber freilich schon im Inhalt muß der neue Band gegen den früheren" zu¬ Genzbotcn III. 18t>6, 12
Nemus Apostel. üsnan, leg ^xotros. ?s.rig, Niedsl I.nox trervs. 1866. Ein Erfolg wie der von Renans Leben Jesu pflegt sich nicht zu wieder¬ Aber freilich schon im Inhalt muß der neue Band gegen den früheren" zu¬ Genzbotcn III. 18t>6, 12
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Nemus Apostel.
üsnan, leg ^xotros. ?s.rig, Niedsl I.nox trervs. 1866.
E. Renan, die Apostel. Autor, deutsche Ausgabe. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1866.
Ein Erfolg wie der von Renans Leben Jesu pflegt sich nicht zu wieder¬
holen. Einmal nur wirkt der Reiz der Neuheit, der Ueberraschung. Als eine
bestimmte Individualität mit schon bekannten Zügen lebt jetzt der Schriftsteller
in der Vorstellung des Publikums, und er kann von Glück sagen, wenn
man nur findet, daß er derselbe geblieben ist. Die neue Leistung wird, selbst
wenn der früheren ebenbürtig, nicht mehr ein Außerordentliches sein, es fehlt
jenes Unmeßbare, das damals im ersten Augenblick verblüffte und gefangen¬
nahm. Von dem französischen Episcopat war es weise, daß er diesmal die
Bannbullen sparte und die Parole ausgab das Buch zu ignoriren; nur die
Verfolgung hätte es können zum Ereigniß machen.
Aber freilich schon im Inhalt muß der neue Band gegen den früheren" zu¬
rückstehen. Man weiß, worin im Grund der ungeheure Reiz bestand, dert die
Vie as ^Sön in so weiten Kreisen ausübte. Nämlich darin, daß sie ein leben¬
diges Porträt an eine Stelle gesetzt hat, wo bisher nur ein Begriff, unver¬
ständlich und doch in aller Munde, oder — seit den Arbeiten der Kritik — nUt
eine Lücke gewesen war. Gleichviel ob das Porträt getreu war, d. h. den vor¬
handenen Spuren der Ueberlieferung genau entsprach: die bloße Thatsache, daß
es, mit bewundernswürdiger Kunst ausgeführt, in jene Lücke trat, brachte die
außerordentliche Wirkung hervor. Zum ersten Mal war die Persönlichkeit dessen,
der größeren Einfluß als irgendein andrer aus die Geschichte der Menschheit Aus¬
geübt hat, einer fremdartigen Sphäre entrückt. Sein Name, bisher der reli¬
giösen Vorstellung oder der Wissenschaft angehörig, ward Fleisch und Blut, er
War einer der Unsrigen geworden. Die Kunst eines Schriftstellers, den eom-
Petente Stimmen unter seinen Landsleuten unter die ersten Zierden ihrer Literatur
rechnen, erneuerte sein Bild für die Phantasie: denn wenn das Buch auch eine
Seite darbot, die der Erbauung, und eine andere, die der Wissenschaft gehörte,
so war die Hauptsache doch die, daß es sich als Kunstwerk einführte, dessen
ästhetischer Wirkung alle andern Zwecke untergeordnet waren. Und zwar
durch und durch modernes Kunstwerk, berechnet für den Geist unsres Jahr¬
hunderts und aus ihm geboren. Dieser Jesus war mitten in die GegenMrt
gerückt, nichts Altfränkisches war zurückgeblieben, er trug die Züge jenes freien
universalistischen Idealismus. wie er als Erwerb aller vorausgegangenert Bil¬
dungsepochen nur unsrer Zeit eigen ist. Selbst jene Empfindsamkeit, die' überall
Genzbotcn III. 18t>6, 12
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