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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Friedrich Bodenstedts gesammelte Schriften. Gesammtausgabe
in zwölf Bänden. Berlin, 1866. Verlag der k. geheimen Oberhofbuchdruckerei.
(R. v. Decker.)

Von dieser Ausgabe liegen nun fünf Bände vor. Die letzten enthalten den ersten
Theil der Gedichte Alexander Puschkins, dessen lyrische Poesien, Epigramme, Balladen,
Märchen, das Epos Poltawa und den Eugen Onägin. Die Uebersetzungen lesen sich
sehr gut, das Urtheil, welches Bodenstedt über Puschkins Talent fällt, unterschreiben
wir nach den selben im Wesentlichen; doch können wir ihm in Betreff von einzelnen
Dichtungen (z. B. von Gras Ruum) nicht beipflichten, wenn er behauptet^ jede von den
Productionen seines Dichters "erfülle die vornehmste poetische Forderung, welche ist,
in reiner künstlerischer Form ein interessantes Stück Menschenleben zu offenbaren;" auch
vermögen wir nicht zu finden, daß Puschkin wahrer, gesünder und natürlicher sei
als Byron. Es ist wahr, er wurzelt mehr in seinem Volke, aber dieser Boden ist,
wo es sich nicht um die Lebensanschauung der niedern Schichten, sondern um die
der gebildeten Classe handelt, aus denen sich die Mehrzahl der lyrischen Gedichte
Puschkins entwickelt hat, nichts weniger als ein gesunder.


Die Oden des Quintus Horatius Flaccus. Deutsch im Versmaß
des Originals mit Einleitung und Erklärungen von F. O. Freiherrn v. Norden-
slycht. Berlin, 1866. Verlag der k. geheimen Obcrhvfbuchdruckerei.

Hauptaufgabe einer guten Uebersetzung fremder, vorzüglich antiker Dichter ist,
das Original so wiederzugeben, daß die Uebertragung dieselben Gedanken und Em¬
pfindungen erweckt, und dazu gehört zunächst Kenntniß des Charakters des betreffenden
Dichters und seiner Zeit, dann die Gabe, den gesammten Ton des Urtextes richtig
anzuschlagen und innezuhalten, namentlich aber die Hauptpointe sicher und möglichst
scharf herauszukehren, serner ein klarer Blick für Geist und Wesen des ursprüng¬
lichen Rhythmus und schließlich Herrschaft über die eigne Sprache, welche es er¬
möglicht, das Original ohne Verstoß gegen den Genius dieser Sprache, also wohl¬
klingend wiederzugeben. Beurtheilen wir die vorliegende Verdeutschung nach diesen
Erfordernissen, so gehört sie unzweifelhaft zu den besten, die wir von Horaz haben.
Hin und wieder kann man mehr Wörtlichkeit wünschen, aber die Stimmung ist sast
überall ungemein gut getroffen, und die deutschen Verse sind beinahe ohne Aus¬
nahme musterhafte Nachbildungen der Feinheiten des Originals ohne dem Geiste des
Deutschen Gewalt anzuthun.


Abdias von Adalbert Stifter. Mit Illustrationen nach Zeichnungen
von I. M. Kaiser. Pesth. Verlag von. Gustav Heckenast. 1866.

Eine Gabe sür den Salon, die Illustrationen (Holzschnitte) dem Text, der
eigentlich auch nicht viel mehr als Illustration ist, angemessen und in Schnitt und
Druck wohl ausgeführt.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
Friedrich Bodenstedts gesammelte Schriften. Gesammtausgabe
in zwölf Bänden. Berlin, 1866. Verlag der k. geheimen Oberhofbuchdruckerei.
(R. v. Decker.)

Von dieser Ausgabe liegen nun fünf Bände vor. Die letzten enthalten den ersten
Theil der Gedichte Alexander Puschkins, dessen lyrische Poesien, Epigramme, Balladen,
Märchen, das Epos Poltawa und den Eugen Onägin. Die Uebersetzungen lesen sich
sehr gut, das Urtheil, welches Bodenstedt über Puschkins Talent fällt, unterschreiben
wir nach den selben im Wesentlichen; doch können wir ihm in Betreff von einzelnen
Dichtungen (z. B. von Gras Ruum) nicht beipflichten, wenn er behauptet^ jede von den
Productionen seines Dichters „erfülle die vornehmste poetische Forderung, welche ist,
in reiner künstlerischer Form ein interessantes Stück Menschenleben zu offenbaren;" auch
vermögen wir nicht zu finden, daß Puschkin wahrer, gesünder und natürlicher sei
als Byron. Es ist wahr, er wurzelt mehr in seinem Volke, aber dieser Boden ist,
wo es sich nicht um die Lebensanschauung der niedern Schichten, sondern um die
der gebildeten Classe handelt, aus denen sich die Mehrzahl der lyrischen Gedichte
Puschkins entwickelt hat, nichts weniger als ein gesunder.


Die Oden des Quintus Horatius Flaccus. Deutsch im Versmaß
des Originals mit Einleitung und Erklärungen von F. O. Freiherrn v. Norden-
slycht. Berlin, 1866. Verlag der k. geheimen Obcrhvfbuchdruckerei.

Hauptaufgabe einer guten Uebersetzung fremder, vorzüglich antiker Dichter ist,
das Original so wiederzugeben, daß die Uebertragung dieselben Gedanken und Em¬
pfindungen erweckt, und dazu gehört zunächst Kenntniß des Charakters des betreffenden
Dichters und seiner Zeit, dann die Gabe, den gesammten Ton des Urtextes richtig
anzuschlagen und innezuhalten, namentlich aber die Hauptpointe sicher und möglichst
scharf herauszukehren, serner ein klarer Blick für Geist und Wesen des ursprüng¬
lichen Rhythmus und schließlich Herrschaft über die eigne Sprache, welche es er¬
möglicht, das Original ohne Verstoß gegen den Genius dieser Sprache, also wohl¬
klingend wiederzugeben. Beurtheilen wir die vorliegende Verdeutschung nach diesen
Erfordernissen, so gehört sie unzweifelhaft zu den besten, die wir von Horaz haben.
Hin und wieder kann man mehr Wörtlichkeit wünschen, aber die Stimmung ist sast
überall ungemein gut getroffen, und die deutschen Verse sind beinahe ohne Aus¬
nahme musterhafte Nachbildungen der Feinheiten des Originals ohne dem Geiste des
Deutschen Gewalt anzuthun.


Abdias von Adalbert Stifter. Mit Illustrationen nach Zeichnungen
von I. M. Kaiser. Pesth. Verlag von. Gustav Heckenast. 1866.

Eine Gabe sür den Salon, die Illustrationen (Holzschnitte) dem Text, der
eigentlich auch nicht viel mehr als Illustration ist, angemessen und in Schnitt und
Druck wohl ausgeführt.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0550] Friedrich Bodenstedts gesammelte Schriften. Gesammtausgabe in zwölf Bänden. Berlin, 1866. Verlag der k. geheimen Oberhofbuchdruckerei. (R. v. Decker.) Von dieser Ausgabe liegen nun fünf Bände vor. Die letzten enthalten den ersten Theil der Gedichte Alexander Puschkins, dessen lyrische Poesien, Epigramme, Balladen, Märchen, das Epos Poltawa und den Eugen Onägin. Die Uebersetzungen lesen sich sehr gut, das Urtheil, welches Bodenstedt über Puschkins Talent fällt, unterschreiben wir nach den selben im Wesentlichen; doch können wir ihm in Betreff von einzelnen Dichtungen (z. B. von Gras Ruum) nicht beipflichten, wenn er behauptet^ jede von den Productionen seines Dichters „erfülle die vornehmste poetische Forderung, welche ist, in reiner künstlerischer Form ein interessantes Stück Menschenleben zu offenbaren;" auch vermögen wir nicht zu finden, daß Puschkin wahrer, gesünder und natürlicher sei als Byron. Es ist wahr, er wurzelt mehr in seinem Volke, aber dieser Boden ist, wo es sich nicht um die Lebensanschauung der niedern Schichten, sondern um die der gebildeten Classe handelt, aus denen sich die Mehrzahl der lyrischen Gedichte Puschkins entwickelt hat, nichts weniger als ein gesunder. Die Oden des Quintus Horatius Flaccus. Deutsch im Versmaß des Originals mit Einleitung und Erklärungen von F. O. Freiherrn v. Norden- slycht. Berlin, 1866. Verlag der k. geheimen Obcrhvfbuchdruckerei. Hauptaufgabe einer guten Uebersetzung fremder, vorzüglich antiker Dichter ist, das Original so wiederzugeben, daß die Uebertragung dieselben Gedanken und Em¬ pfindungen erweckt, und dazu gehört zunächst Kenntniß des Charakters des betreffenden Dichters und seiner Zeit, dann die Gabe, den gesammten Ton des Urtextes richtig anzuschlagen und innezuhalten, namentlich aber die Hauptpointe sicher und möglichst scharf herauszukehren, serner ein klarer Blick für Geist und Wesen des ursprüng¬ lichen Rhythmus und schließlich Herrschaft über die eigne Sprache, welche es er¬ möglicht, das Original ohne Verstoß gegen den Genius dieser Sprache, also wohl¬ klingend wiederzugeben. Beurtheilen wir die vorliegende Verdeutschung nach diesen Erfordernissen, so gehört sie unzweifelhaft zu den besten, die wir von Horaz haben. Hin und wieder kann man mehr Wörtlichkeit wünschen, aber die Stimmung ist sast überall ungemein gut getroffen, und die deutschen Verse sind beinahe ohne Aus¬ nahme musterhafte Nachbildungen der Feinheiten des Originals ohne dem Geiste des Deutschen Gewalt anzuthun. Abdias von Adalbert Stifter. Mit Illustrationen nach Zeichnungen von I. M. Kaiser. Pesth. Verlag von. Gustav Heckenast. 1866. Eine Gabe sür den Salon, die Illustrationen (Holzschnitte) dem Text, der eigentlich auch nicht viel mehr als Illustration ist, angemessen und in Schnitt und Druck wohl ausgeführt. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/550>, abgerufen am 21.12.2024.