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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Briefe Beethovens.
Briefe Beethovens. Herausgegeben von or. Ludwig Rost. Stuttgart, Cotta. 18K5.

Die herben und verdienten Zurechtweisungen, welche Herr Ludwig Rost
wegen seiner schriftstellerischen Versuche, namentlich seiner begonnenen Beethoven-
Biographie verschiedentlich hat erfahren müssen (vgl. Mg. Mus. Ztg. 1864.
Ur. 41.42 u. ".), hätten, sollte man meinen, denselben dazu veranlassen sollen,
ehe er weitere Pläne ausführte, durch gewissenhafte Studien sich die Kenntnisse
die Bildung des Urtheils und die wissenschaftliche Sorgfalt anzueignen, von.
deren Mangel er so eclatante Beweise geliefert hatte. Nicht ohne Überraschung
erfuhr man daher, daß nach jenem verunglückten biographischen Versuche sehr
bald zwei neue Arbeiten (wenn man sie so nennen kann) erschienen; den 1864
herausgegebenen Briefen Mozarts sind in kurzer Zeit die Briefe Beethovens
gefolgt.

Wenn man dieselben aus obigen Gründen begreiflicherweise mit einem
ungünstigen Vorurtheile zur Hand nahm, so mochte doch immerhin das Inter¬
esse des Gegenstandes, vielleicht auch die Hoffnung, einen Fortschritt in Herrn
nobis Arbeitsweise zu gewahre", eine nähere Kenntnißnahme rechtfertigen. Wir
gingen das Buch aufmerksam durch, um zum Schlüsse nur um so bitterer ge¬
tauscht zu werden. Wir sprechen unsere, nach eingehender Prüfung gefaßte
Meinung um so mehr noch jetzt aus. als andere Erwähnungen und Besprechungen
des Buches, die uns zu Gesicht gekommen sind, ein auf Sachkeimtniß beruhendes
Urtheil über die Leistung als solche nicht abgegeben haben; von diesen wünschen
wir unsere Besprechung dadurch unterschieden zu wissen, daß wir die modische
Sammlung nicht als interessante Lectüre behandeln, sondern fragen, in wie weit
dieselbe als wissenschaftliche Arbeit, als Bereicherung deö Materials zur Kenntniß
Von Beethovens Leben zu betrachten sei.

Da es die erste Sammlung beethvvenscher Briefe ist, die selbständig
^scheint (bekanntlich fanden sich kleine Sammlungen schon bei Wegeler, bei
Seyfried, bei Schindler), so wird zunächst nach der Berechtigung einer solchen
Sammlung zu fragen sein. Nun glauben wir nicht auf vernünftigen Wider¬
spruch zu stoßen, wenn wir von einer selbständigen Briefsammlung die doppelte


Grenzboten I. IstKS. 46
Briefe Beethovens.
Briefe Beethovens. Herausgegeben von or. Ludwig Rost. Stuttgart, Cotta. 18K5.

Die herben und verdienten Zurechtweisungen, welche Herr Ludwig Rost
wegen seiner schriftstellerischen Versuche, namentlich seiner begonnenen Beethoven-
Biographie verschiedentlich hat erfahren müssen (vgl. Mg. Mus. Ztg. 1864.
Ur. 41.42 u. «.), hätten, sollte man meinen, denselben dazu veranlassen sollen,
ehe er weitere Pläne ausführte, durch gewissenhafte Studien sich die Kenntnisse
die Bildung des Urtheils und die wissenschaftliche Sorgfalt anzueignen, von.
deren Mangel er so eclatante Beweise geliefert hatte. Nicht ohne Überraschung
erfuhr man daher, daß nach jenem verunglückten biographischen Versuche sehr
bald zwei neue Arbeiten (wenn man sie so nennen kann) erschienen; den 1864
herausgegebenen Briefen Mozarts sind in kurzer Zeit die Briefe Beethovens
gefolgt.

Wenn man dieselben aus obigen Gründen begreiflicherweise mit einem
ungünstigen Vorurtheile zur Hand nahm, so mochte doch immerhin das Inter¬
esse des Gegenstandes, vielleicht auch die Hoffnung, einen Fortschritt in Herrn
nobis Arbeitsweise zu gewahre», eine nähere Kenntnißnahme rechtfertigen. Wir
gingen das Buch aufmerksam durch, um zum Schlüsse nur um so bitterer ge¬
tauscht zu werden. Wir sprechen unsere, nach eingehender Prüfung gefaßte
Meinung um so mehr noch jetzt aus. als andere Erwähnungen und Besprechungen
des Buches, die uns zu Gesicht gekommen sind, ein auf Sachkeimtniß beruhendes
Urtheil über die Leistung als solche nicht abgegeben haben; von diesen wünschen
wir unsere Besprechung dadurch unterschieden zu wissen, daß wir die modische
Sammlung nicht als interessante Lectüre behandeln, sondern fragen, in wie weit
dieselbe als wissenschaftliche Arbeit, als Bereicherung deö Materials zur Kenntniß
Von Beethovens Leben zu betrachten sei.

Da es die erste Sammlung beethvvenscher Briefe ist, die selbständig
^scheint (bekanntlich fanden sich kleine Sammlungen schon bei Wegeler, bei
Seyfried, bei Schindler), so wird zunächst nach der Berechtigung einer solchen
Sammlung zu fragen sein. Nun glauben wir nicht auf vernünftigen Wider¬
spruch zu stoßen, wenn wir von einer selbständigen Briefsammlung die doppelte


Grenzboten I. IstKS. 46
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[0385] Briefe Beethovens. Briefe Beethovens. Herausgegeben von or. Ludwig Rost. Stuttgart, Cotta. 18K5. Die herben und verdienten Zurechtweisungen, welche Herr Ludwig Rost wegen seiner schriftstellerischen Versuche, namentlich seiner begonnenen Beethoven- Biographie verschiedentlich hat erfahren müssen (vgl. Mg. Mus. Ztg. 1864. Ur. 41.42 u. «.), hätten, sollte man meinen, denselben dazu veranlassen sollen, ehe er weitere Pläne ausführte, durch gewissenhafte Studien sich die Kenntnisse die Bildung des Urtheils und die wissenschaftliche Sorgfalt anzueignen, von. deren Mangel er so eclatante Beweise geliefert hatte. Nicht ohne Überraschung erfuhr man daher, daß nach jenem verunglückten biographischen Versuche sehr bald zwei neue Arbeiten (wenn man sie so nennen kann) erschienen; den 1864 herausgegebenen Briefen Mozarts sind in kurzer Zeit die Briefe Beethovens gefolgt. Wenn man dieselben aus obigen Gründen begreiflicherweise mit einem ungünstigen Vorurtheile zur Hand nahm, so mochte doch immerhin das Inter¬ esse des Gegenstandes, vielleicht auch die Hoffnung, einen Fortschritt in Herrn nobis Arbeitsweise zu gewahre», eine nähere Kenntnißnahme rechtfertigen. Wir gingen das Buch aufmerksam durch, um zum Schlüsse nur um so bitterer ge¬ tauscht zu werden. Wir sprechen unsere, nach eingehender Prüfung gefaßte Meinung um so mehr noch jetzt aus. als andere Erwähnungen und Besprechungen des Buches, die uns zu Gesicht gekommen sind, ein auf Sachkeimtniß beruhendes Urtheil über die Leistung als solche nicht abgegeben haben; von diesen wünschen wir unsere Besprechung dadurch unterschieden zu wissen, daß wir die modische Sammlung nicht als interessante Lectüre behandeln, sondern fragen, in wie weit dieselbe als wissenschaftliche Arbeit, als Bereicherung deö Materials zur Kenntniß Von Beethovens Leben zu betrachten sei. Da es die erste Sammlung beethvvenscher Briefe ist, die selbständig ^scheint (bekanntlich fanden sich kleine Sammlungen schon bei Wegeler, bei Seyfried, bei Schindler), so wird zunächst nach der Berechtigung einer solchen Sammlung zu fragen sein. Nun glauben wir nicht auf vernünftigen Wider¬ spruch zu stoßen, wenn wir von einer selbständigen Briefsammlung die doppelte Grenzboten I. IstKS. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/385>, abgerufen am 30.12.2024.