Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die neuen Bauten in Wien.
2.

Die Demoluung der Wälle begann. Doch ging man im Anfange so lang¬
sam und beinahe tändelnd vor. daß man es den Wienern nicht verübeln konnte,
wenn sie trotz ihrer früheren Klagen die ihnen nunmehr gestattete Abhilfe nur
zögernd benutzten. Nur besonders kühne oder von den Absichten der Regierung
genauer unterrichtete Speculanten wagten sich an den Kauf der übrigens nur
Periodisch und vereinzelt aufgebotenen Bauplätze.

Vielleicht glaubte man, wie in allen übrigen Angelegenheiten, auch bei der
Demolirung der wiener Stadtwälle durch die Verwendung des militärischen
Elements am frühesten zum Ziele zu gelangen. Es wurde daher, als mit der
Niederreißung des Stubenthores und der anstoßenden Wallstrecke der Anfang
gemacht wurde, neben dem eigentlichen Stadterweiterungscomits noch ein eigenes
militärisches, größtentheils aus Genieoffizieren bestehendes Conn6 aufgestellt
und demselben ein zahlreiches Truppendetachement beigegeben. Man sprengte
die Mauern mit Pulver und Schießbaumwolle und machte viel Aufhebens von
den auf diese Weise unternommenen wissenschaftlichen Experimenten und den
durch dieselben erlangten mittelbaren und unmittelbaren Vortheilen. Bei näherer
Betrachtung aber erwiesen sich diese "wissenschaftlichen Experimente" als mili¬
tärische Spielereien und unverhältnißmäßig kostspielige Spectakelstücke. In das
zu sprengende Wallstück wurden eine Reihe Sprenglöcher gegraben und je nach
Belieben mit Pulver oder Wolle gefüllt. Die ganze Manipulation wurde ge-
wöhnlich nach der herkömmlichen Handwerksmethode ausgeführt und ging so
gemächlich vor sich, daß eine den hierbei zugewiesenen Militärs gleich starke
Taglöhnerabtheilung den Wall in der gleichen Zeit vollständig abgetragen und
auch das Material fortgeschafft haben würde. Das Schlußexperiment, die
Sprengung wurde auf pomphafte Weise in Scene gesetzt. Von den Männern
der Wissenschaft war entweder nichts zu sehen, oder wenn deren einige zugegen
waren, so geschah es nur zur äußern Verherrlichung des Festes, da sie keine
Stimme hatten und als bloße Figuranten irgendeine schickliche Stelle in der
Suite unter "den eingeladenen Civilisten" zugewiesen bekamen. Desto zahlreicher
war die Schaar der Offiziere, Hofchargen und sonstigen Uniformirten, welche
die Ankunft der betreffenden höchsten Persönlichkeiten erwarten mußten. Dann
geschah es auch wohl, daß irgendein Adjutant auf dem Platze erschien, um
sich von der Ausgiebigkeit der getroffenen Empsangsvorkehrungen zu über¬
zeugen, die Truppen zu besichtigen und allenfalls zum Schlüsse in herab¬
lassender Weise an einen der anwesenden Fachgelehrten eine denselben recht ver¬
blüffende Frage über Hunde oder Pferde zu richten. Trommel- und Trompeten-


44*
Die neuen Bauten in Wien.
2.

Die Demoluung der Wälle begann. Doch ging man im Anfange so lang¬
sam und beinahe tändelnd vor. daß man es den Wienern nicht verübeln konnte,
wenn sie trotz ihrer früheren Klagen die ihnen nunmehr gestattete Abhilfe nur
zögernd benutzten. Nur besonders kühne oder von den Absichten der Regierung
genauer unterrichtete Speculanten wagten sich an den Kauf der übrigens nur
Periodisch und vereinzelt aufgebotenen Bauplätze.

Vielleicht glaubte man, wie in allen übrigen Angelegenheiten, auch bei der
Demolirung der wiener Stadtwälle durch die Verwendung des militärischen
Elements am frühesten zum Ziele zu gelangen. Es wurde daher, als mit der
Niederreißung des Stubenthores und der anstoßenden Wallstrecke der Anfang
gemacht wurde, neben dem eigentlichen Stadterweiterungscomits noch ein eigenes
militärisches, größtentheils aus Genieoffizieren bestehendes Conn6 aufgestellt
und demselben ein zahlreiches Truppendetachement beigegeben. Man sprengte
die Mauern mit Pulver und Schießbaumwolle und machte viel Aufhebens von
den auf diese Weise unternommenen wissenschaftlichen Experimenten und den
durch dieselben erlangten mittelbaren und unmittelbaren Vortheilen. Bei näherer
Betrachtung aber erwiesen sich diese „wissenschaftlichen Experimente" als mili¬
tärische Spielereien und unverhältnißmäßig kostspielige Spectakelstücke. In das
zu sprengende Wallstück wurden eine Reihe Sprenglöcher gegraben und je nach
Belieben mit Pulver oder Wolle gefüllt. Die ganze Manipulation wurde ge-
wöhnlich nach der herkömmlichen Handwerksmethode ausgeführt und ging so
gemächlich vor sich, daß eine den hierbei zugewiesenen Militärs gleich starke
Taglöhnerabtheilung den Wall in der gleichen Zeit vollständig abgetragen und
auch das Material fortgeschafft haben würde. Das Schlußexperiment, die
Sprengung wurde auf pomphafte Weise in Scene gesetzt. Von den Männern
der Wissenschaft war entweder nichts zu sehen, oder wenn deren einige zugegen
waren, so geschah es nur zur äußern Verherrlichung des Festes, da sie keine
Stimme hatten und als bloße Figuranten irgendeine schickliche Stelle in der
Suite unter „den eingeladenen Civilisten" zugewiesen bekamen. Desto zahlreicher
war die Schaar der Offiziere, Hofchargen und sonstigen Uniformirten, welche
die Ankunft der betreffenden höchsten Persönlichkeiten erwarten mußten. Dann
geschah es auch wohl, daß irgendein Adjutant auf dem Platze erschien, um
sich von der Ausgiebigkeit der getroffenen Empsangsvorkehrungen zu über¬
zeugen, die Truppen zu besichtigen und allenfalls zum Schlüsse in herab¬
lassender Weise an einen der anwesenden Fachgelehrten eine denselben recht ver¬
blüffende Frage über Hunde oder Pferde zu richten. Trommel- und Trompeten-


44*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283680"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die neuen Bauten in Wien.<lb/>
2. </head><lb/>
          <p xml:id="ID_931"> Die Demoluung der Wälle begann. Doch ging man im Anfange so lang¬<lb/>
sam und beinahe tändelnd vor. daß man es den Wienern nicht verübeln konnte,<lb/>
wenn sie trotz ihrer früheren Klagen die ihnen nunmehr gestattete Abhilfe nur<lb/>
zögernd benutzten. Nur besonders kühne oder von den Absichten der Regierung<lb/>
genauer unterrichtete Speculanten wagten sich an den Kauf der übrigens nur<lb/>
Periodisch und vereinzelt aufgebotenen Bauplätze.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_932" next="#ID_933"> Vielleicht glaubte man, wie in allen übrigen Angelegenheiten, auch bei der<lb/>
Demolirung der wiener Stadtwälle durch die Verwendung des militärischen<lb/>
Elements am frühesten zum Ziele zu gelangen. Es wurde daher, als mit der<lb/>
Niederreißung des Stubenthores und der anstoßenden Wallstrecke der Anfang<lb/>
gemacht wurde, neben dem eigentlichen Stadterweiterungscomits noch ein eigenes<lb/>
militärisches, größtentheils aus Genieoffizieren bestehendes Conn6 aufgestellt<lb/>
und demselben ein zahlreiches Truppendetachement beigegeben. Man sprengte<lb/>
die Mauern mit Pulver und Schießbaumwolle und machte viel Aufhebens von<lb/>
den auf diese Weise unternommenen wissenschaftlichen Experimenten und den<lb/>
durch dieselben erlangten mittelbaren und unmittelbaren Vortheilen. Bei näherer<lb/>
Betrachtung aber erwiesen sich diese &#x201E;wissenschaftlichen Experimente" als mili¬<lb/>
tärische Spielereien und unverhältnißmäßig kostspielige Spectakelstücke. In das<lb/>
zu sprengende Wallstück wurden eine Reihe Sprenglöcher gegraben und je nach<lb/>
Belieben mit Pulver oder Wolle gefüllt. Die ganze Manipulation wurde ge-<lb/>
wöhnlich nach der herkömmlichen Handwerksmethode ausgeführt und ging so<lb/>
gemächlich vor sich, daß eine den hierbei zugewiesenen Militärs gleich starke<lb/>
Taglöhnerabtheilung den Wall in der gleichen Zeit vollständig abgetragen und<lb/>
auch das Material fortgeschafft haben würde. Das Schlußexperiment, die<lb/>
Sprengung wurde auf pomphafte Weise in Scene gesetzt. Von den Männern<lb/>
der Wissenschaft war entweder nichts zu sehen, oder wenn deren einige zugegen<lb/>
waren, so geschah es nur zur äußern Verherrlichung des Festes, da sie keine<lb/>
Stimme hatten und als bloße Figuranten irgendeine schickliche Stelle in der<lb/>
Suite unter &#x201E;den eingeladenen Civilisten" zugewiesen bekamen. Desto zahlreicher<lb/>
war die Schaar der Offiziere, Hofchargen und sonstigen Uniformirten, welche<lb/>
die Ankunft der betreffenden höchsten Persönlichkeiten erwarten mußten. Dann<lb/>
geschah es auch wohl, daß irgendein Adjutant auf dem Platze erschien, um<lb/>
sich von der Ausgiebigkeit der getroffenen Empsangsvorkehrungen zu über¬<lb/>
zeugen, die Truppen zu besichtigen und allenfalls zum Schlüsse in herab¬<lb/>
lassender Weise an einen der anwesenden Fachgelehrten eine denselben recht ver¬<lb/>
blüffende Frage über Hunde oder Pferde zu richten. Trommel- und Trompeten-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 44*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0327] Die neuen Bauten in Wien. 2. Die Demoluung der Wälle begann. Doch ging man im Anfange so lang¬ sam und beinahe tändelnd vor. daß man es den Wienern nicht verübeln konnte, wenn sie trotz ihrer früheren Klagen die ihnen nunmehr gestattete Abhilfe nur zögernd benutzten. Nur besonders kühne oder von den Absichten der Regierung genauer unterrichtete Speculanten wagten sich an den Kauf der übrigens nur Periodisch und vereinzelt aufgebotenen Bauplätze. Vielleicht glaubte man, wie in allen übrigen Angelegenheiten, auch bei der Demolirung der wiener Stadtwälle durch die Verwendung des militärischen Elements am frühesten zum Ziele zu gelangen. Es wurde daher, als mit der Niederreißung des Stubenthores und der anstoßenden Wallstrecke der Anfang gemacht wurde, neben dem eigentlichen Stadterweiterungscomits noch ein eigenes militärisches, größtentheils aus Genieoffizieren bestehendes Conn6 aufgestellt und demselben ein zahlreiches Truppendetachement beigegeben. Man sprengte die Mauern mit Pulver und Schießbaumwolle und machte viel Aufhebens von den auf diese Weise unternommenen wissenschaftlichen Experimenten und den durch dieselben erlangten mittelbaren und unmittelbaren Vortheilen. Bei näherer Betrachtung aber erwiesen sich diese „wissenschaftlichen Experimente" als mili¬ tärische Spielereien und unverhältnißmäßig kostspielige Spectakelstücke. In das zu sprengende Wallstück wurden eine Reihe Sprenglöcher gegraben und je nach Belieben mit Pulver oder Wolle gefüllt. Die ganze Manipulation wurde ge- wöhnlich nach der herkömmlichen Handwerksmethode ausgeführt und ging so gemächlich vor sich, daß eine den hierbei zugewiesenen Militärs gleich starke Taglöhnerabtheilung den Wall in der gleichen Zeit vollständig abgetragen und auch das Material fortgeschafft haben würde. Das Schlußexperiment, die Sprengung wurde auf pomphafte Weise in Scene gesetzt. Von den Männern der Wissenschaft war entweder nichts zu sehen, oder wenn deren einige zugegen waren, so geschah es nur zur äußern Verherrlichung des Festes, da sie keine Stimme hatten und als bloße Figuranten irgendeine schickliche Stelle in der Suite unter „den eingeladenen Civilisten" zugewiesen bekamen. Desto zahlreicher war die Schaar der Offiziere, Hofchargen und sonstigen Uniformirten, welche die Ankunft der betreffenden höchsten Persönlichkeiten erwarten mußten. Dann geschah es auch wohl, daß irgendein Adjutant auf dem Platze erschien, um sich von der Ausgiebigkeit der getroffenen Empsangsvorkehrungen zu über¬ zeugen, die Truppen zu besichtigen und allenfalls zum Schlüsse in herab¬ lassender Weise an einen der anwesenden Fachgelehrten eine denselben recht ver¬ blüffende Frage über Hunde oder Pferde zu richten. Trommel- und Trompeten- 44*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/327
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/327>, abgerufen am 15.01.2025.