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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Zur Finanzlage des souveränen Schleswig- Holstein.

Bekanntlich wird ein Haupteinwand gegen die Einverleibung der Herzog-
thümer in Preußen oder einen engern Anschluß derselben an den letztgenannten
Staat von den so viel bedeutenderen Staatslasten hergenommen, welche ihnen,
gegenüber ihren bisherigen Lasten, als Bestandtheilen des preußischen Staates
erwachsen würden. Man verweist auf die Höhe des preußischen Militärbudgets,
der preußischen Grundsteuern, auf die eventuelle Theilnahme an der preußischen
Staatsschuld u. s. w. Prüfen wir diese Behauptung. Es wird sich der Mühe
verlohnen, zu untersuchen, welche Lasten Schleswig-Holstein als souveräner
oder halbsouveräner Staat zu tragen haben wird. Wir können dabei ganz
von dem Standpunkte absehen, welchen wir in Bezug aus die künftige politische
Gestaltung der Herzogtümer einnehmen. Wir blicken in dieser Frage nicht
lediglich auf die materiellen Interessen; wenn ein enges Verhältniß Schleswig-
Holsteins zu Preußen die moralischen Interessen der Elbhcrzogthümer und die
nationalen Interessen Gesammtdeutschlands beeinträchtigte, so würde selbstver¬
ständlich auch um den Preis des niedrigsten Steuersatzes nicht für ein solches
engeres Verhältniß zu sprechen und selbst die höheren Lasten eines souveränen
oder Halbsouveränen Staates vorzuziehen sein -- und wenn andrerseits die
moralischen und geistigen Interessen Schleswig-Holsteins und die nationalen
Interessen Gesammtdeutschlands ein engeres Verhältniß der Herzogthümer zu
Preußen als rathsam oder gar nothwendig erscheinen ließen, so würden wir
dasselbe befürworten, selbst wenn es größere Anforderungen an die Steuerkräfte
des Landes mit sich brächte, als ein anderes Verhältniß. Wir unternehmen die
folgende Untersuchung eigentlich zum Nutzen derer, welche um jeden Preis gegen
eine nähere Stellung der Herzogthümer zu Preußen sind, indem ihr Vortheil
je nach dem Ausfall der Untersuchung darin bestehen wird, daß sie entweder
einen unbegründeten Einwand fallen lassen, oder einen durch Detaillirung
fester begründeten Einwand mit um so größerem Erfolge in die Schlachtlinie
führen können.

Ist nun von Schleswig-Holstein als souveränem Staate die Rede, so ver¬
stehen wir darunter einen Staat, wie die andern Glieder des deutschen Staaten-


Grenzboten III. 1SKS. 36
Zur Finanzlage des souveränen Schleswig- Holstein.

Bekanntlich wird ein Haupteinwand gegen die Einverleibung der Herzog-
thümer in Preußen oder einen engern Anschluß derselben an den letztgenannten
Staat von den so viel bedeutenderen Staatslasten hergenommen, welche ihnen,
gegenüber ihren bisherigen Lasten, als Bestandtheilen des preußischen Staates
erwachsen würden. Man verweist auf die Höhe des preußischen Militärbudgets,
der preußischen Grundsteuern, auf die eventuelle Theilnahme an der preußischen
Staatsschuld u. s. w. Prüfen wir diese Behauptung. Es wird sich der Mühe
verlohnen, zu untersuchen, welche Lasten Schleswig-Holstein als souveräner
oder halbsouveräner Staat zu tragen haben wird. Wir können dabei ganz
von dem Standpunkte absehen, welchen wir in Bezug aus die künftige politische
Gestaltung der Herzogtümer einnehmen. Wir blicken in dieser Frage nicht
lediglich auf die materiellen Interessen; wenn ein enges Verhältniß Schleswig-
Holsteins zu Preußen die moralischen Interessen der Elbhcrzogthümer und die
nationalen Interessen Gesammtdeutschlands beeinträchtigte, so würde selbstver¬
ständlich auch um den Preis des niedrigsten Steuersatzes nicht für ein solches
engeres Verhältniß zu sprechen und selbst die höheren Lasten eines souveränen
oder Halbsouveränen Staates vorzuziehen sein — und wenn andrerseits die
moralischen und geistigen Interessen Schleswig-Holsteins und die nationalen
Interessen Gesammtdeutschlands ein engeres Verhältniß der Herzogthümer zu
Preußen als rathsam oder gar nothwendig erscheinen ließen, so würden wir
dasselbe befürworten, selbst wenn es größere Anforderungen an die Steuerkräfte
des Landes mit sich brächte, als ein anderes Verhältniß. Wir unternehmen die
folgende Untersuchung eigentlich zum Nutzen derer, welche um jeden Preis gegen
eine nähere Stellung der Herzogthümer zu Preußen sind, indem ihr Vortheil
je nach dem Ausfall der Untersuchung darin bestehen wird, daß sie entweder
einen unbegründeten Einwand fallen lassen, oder einen durch Detaillirung
fester begründeten Einwand mit um so größerem Erfolge in die Schlachtlinie
führen können.

Ist nun von Schleswig-Holstein als souveränem Staate die Rede, so ver¬
stehen wir darunter einen Staat, wie die andern Glieder des deutschen Staaten-


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[0259] Zur Finanzlage des souveränen Schleswig- Holstein. Bekanntlich wird ein Haupteinwand gegen die Einverleibung der Herzog- thümer in Preußen oder einen engern Anschluß derselben an den letztgenannten Staat von den so viel bedeutenderen Staatslasten hergenommen, welche ihnen, gegenüber ihren bisherigen Lasten, als Bestandtheilen des preußischen Staates erwachsen würden. Man verweist auf die Höhe des preußischen Militärbudgets, der preußischen Grundsteuern, auf die eventuelle Theilnahme an der preußischen Staatsschuld u. s. w. Prüfen wir diese Behauptung. Es wird sich der Mühe verlohnen, zu untersuchen, welche Lasten Schleswig-Holstein als souveräner oder halbsouveräner Staat zu tragen haben wird. Wir können dabei ganz von dem Standpunkte absehen, welchen wir in Bezug aus die künftige politische Gestaltung der Herzogtümer einnehmen. Wir blicken in dieser Frage nicht lediglich auf die materiellen Interessen; wenn ein enges Verhältniß Schleswig- Holsteins zu Preußen die moralischen Interessen der Elbhcrzogthümer und die nationalen Interessen Gesammtdeutschlands beeinträchtigte, so würde selbstver¬ ständlich auch um den Preis des niedrigsten Steuersatzes nicht für ein solches engeres Verhältniß zu sprechen und selbst die höheren Lasten eines souveränen oder Halbsouveränen Staates vorzuziehen sein — und wenn andrerseits die moralischen und geistigen Interessen Schleswig-Holsteins und die nationalen Interessen Gesammtdeutschlands ein engeres Verhältniß der Herzogthümer zu Preußen als rathsam oder gar nothwendig erscheinen ließen, so würden wir dasselbe befürworten, selbst wenn es größere Anforderungen an die Steuerkräfte des Landes mit sich brächte, als ein anderes Verhältniß. Wir unternehmen die folgende Untersuchung eigentlich zum Nutzen derer, welche um jeden Preis gegen eine nähere Stellung der Herzogthümer zu Preußen sind, indem ihr Vortheil je nach dem Ausfall der Untersuchung darin bestehen wird, daß sie entweder einen unbegründeten Einwand fallen lassen, oder einen durch Detaillirung fester begründeten Einwand mit um so größerem Erfolge in die Schlachtlinie führen können. Ist nun von Schleswig-Holstein als souveränem Staate die Rede, so ver¬ stehen wir darunter einen Staat, wie die andern Glieder des deutschen Staaten- Grenzboten III. 1SKS. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/259>, abgerufen am 15.01.2025.