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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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der Frau Reichsgräfin von Donner beliebt zu machen verstand. Nun es anders
gekommen ist, thut er-, als wenn dies das Verdienst der augustenburgischen
Partei wäre, und wird wie Shylock nicht müde, in allen Tonarten zu wieder¬
holen, daß die Schleswig-Holsteiner nur ihr Recht, ihr ganzes Recht wollen.
Sachte, sachte! auf diesem Rechte werden sie erhalten, weis Shylock erhielt. --
..Die Herzogtümer, ihrer eignen Art sich bewußt, wissen sich zugleich völlig
frei von allem kleinlichen Particularismus, den ihnen nur größere Particula-
risten kleinlichst vorwerfen." "Wie keine Eiche oder Buche eine Tanne werden
kann ... können die Schleswig-Holsteiner nicht Preußen werden, auch nicht halbe
Preußen." Das eben hat jeder Particularist mit einer gewissen Classe von
Irrsinnigen gemeinsam, daß so wenig wie diese ihren Irrsinn, so wenig er sei¬
nen Particularismus eingestehen will: ein sicheres Zeichen, daß unserer Klein¬
staaterei die nothwendigste Lebensbedingung. der Glaube an sich selbst, abhanden
gekommen ist. Die Faselei vom preußischen Particularismus hat Herr F. An¬
deren nachgesprochen, wird aber dafür hoffentlich selbstlos genug sein, die Phrase
von Buche und Tanne, die um so schöner klingt, je weniger man sich hinter
ihr etwas denken kann, künftigen Vereinsrednern zu erwünschtem Gebrauche zu
überlassen.


Politische Feigenblätter.

AIs Mitglied einer gelehrten Körperschaft
hat auch unser Festredner das Bedürfniß gefühlt, seinen Particularismus mit
Hilfe einer Theorie vom Staate unter Dach und Fach zu bringen. Er ver¬
sichert, in Deutschland könne auf Grund der "gegebenen Zustände" nur der
Bundesstaat bestehen; der Einheitsstaat könne nur "durch die Gewalt der
Waffen und durch die Partei, welche die Waffen in Händen hat", hergestellt
werden: "wird diese Partei die Waffen niederlegen zu Gunsten der Freiheit des
deutschen Volks?" Nun kommen wiederholte Warnrufe, daß die Freiheit der
deutschen Stämme, die Herrn F. mit der Freiheit des deutschen Volks gleich¬
bedeutend ist, in Gefahr sei; freilich müsse der deutsche Bundesstaat aus Staaten,
nicht aus Cabineten, gebildet sein: er werde aber um so stärker sein, je freier
in ihrem Bereich die einzelnen Staaten, sobald nur bei den Einzelnen der Wille
da sei, eine starke Bundescentralmacht zu schaffen. Lauter Dinge, die man
längst von den gu'ßdentschen Theoretikern bis zum Ueberdruß zu hören bekom¬
men hat: dieselben Phrasen, dieselben Tascheiisvielereien! Als wenn die heutige
deutsche Kleinstaaterei mit der frühere" Stammesverschiedenheit des deutschen
Volks das Geringste gemein hätte, als wenn Staatenbund und Bundesstaat
dasselbe wäre, als wenn die Verwandlung der Cabincte in Staaten und
der Wille der Staaten, sich einer Centralgewalt unterzuordnen, sich einfach
decretiren ließen und anders als durch die gründlichste Umwälzung der "gege¬
benen Zustände" zu erreichen wären! Kurz, lauter abgenutzte Redensarten:
das einzige Neue ist der forchhammersche Grund gegen die deutsche Einheit:


der Frau Reichsgräfin von Donner beliebt zu machen verstand. Nun es anders
gekommen ist, thut er-, als wenn dies das Verdienst der augustenburgischen
Partei wäre, und wird wie Shylock nicht müde, in allen Tonarten zu wieder¬
holen, daß die Schleswig-Holsteiner nur ihr Recht, ihr ganzes Recht wollen.
Sachte, sachte! auf diesem Rechte werden sie erhalten, weis Shylock erhielt. —
..Die Herzogtümer, ihrer eignen Art sich bewußt, wissen sich zugleich völlig
frei von allem kleinlichen Particularismus, den ihnen nur größere Particula-
risten kleinlichst vorwerfen." „Wie keine Eiche oder Buche eine Tanne werden
kann ... können die Schleswig-Holsteiner nicht Preußen werden, auch nicht halbe
Preußen." Das eben hat jeder Particularist mit einer gewissen Classe von
Irrsinnigen gemeinsam, daß so wenig wie diese ihren Irrsinn, so wenig er sei¬
nen Particularismus eingestehen will: ein sicheres Zeichen, daß unserer Klein¬
staaterei die nothwendigste Lebensbedingung. der Glaube an sich selbst, abhanden
gekommen ist. Die Faselei vom preußischen Particularismus hat Herr F. An¬
deren nachgesprochen, wird aber dafür hoffentlich selbstlos genug sein, die Phrase
von Buche und Tanne, die um so schöner klingt, je weniger man sich hinter
ihr etwas denken kann, künftigen Vereinsrednern zu erwünschtem Gebrauche zu
überlassen.


Politische Feigenblätter.

AIs Mitglied einer gelehrten Körperschaft
hat auch unser Festredner das Bedürfniß gefühlt, seinen Particularismus mit
Hilfe einer Theorie vom Staate unter Dach und Fach zu bringen. Er ver¬
sichert, in Deutschland könne auf Grund der „gegebenen Zustände" nur der
Bundesstaat bestehen; der Einheitsstaat könne nur „durch die Gewalt der
Waffen und durch die Partei, welche die Waffen in Händen hat", hergestellt
werden: „wird diese Partei die Waffen niederlegen zu Gunsten der Freiheit des
deutschen Volks?" Nun kommen wiederholte Warnrufe, daß die Freiheit der
deutschen Stämme, die Herrn F. mit der Freiheit des deutschen Volks gleich¬
bedeutend ist, in Gefahr sei; freilich müsse der deutsche Bundesstaat aus Staaten,
nicht aus Cabineten, gebildet sein: er werde aber um so stärker sein, je freier
in ihrem Bereich die einzelnen Staaten, sobald nur bei den Einzelnen der Wille
da sei, eine starke Bundescentralmacht zu schaffen. Lauter Dinge, die man
längst von den gu'ßdentschen Theoretikern bis zum Ueberdruß zu hören bekom¬
men hat: dieselben Phrasen, dieselben Tascheiisvielereien! Als wenn die heutige
deutsche Kleinstaaterei mit der frühere» Stammesverschiedenheit des deutschen
Volks das Geringste gemein hätte, als wenn Staatenbund und Bundesstaat
dasselbe wäre, als wenn die Verwandlung der Cabincte in Staaten und
der Wille der Staaten, sich einer Centralgewalt unterzuordnen, sich einfach
decretiren ließen und anders als durch die gründlichste Umwälzung der „gege¬
benen Zustände" zu erreichen wären! Kurz, lauter abgenutzte Redensarten:
das einzige Neue ist der forchhammersche Grund gegen die deutsche Einheit:


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[0247] der Frau Reichsgräfin von Donner beliebt zu machen verstand. Nun es anders gekommen ist, thut er-, als wenn dies das Verdienst der augustenburgischen Partei wäre, und wird wie Shylock nicht müde, in allen Tonarten zu wieder¬ holen, daß die Schleswig-Holsteiner nur ihr Recht, ihr ganzes Recht wollen. Sachte, sachte! auf diesem Rechte werden sie erhalten, weis Shylock erhielt. — ..Die Herzogtümer, ihrer eignen Art sich bewußt, wissen sich zugleich völlig frei von allem kleinlichen Particularismus, den ihnen nur größere Particula- risten kleinlichst vorwerfen." „Wie keine Eiche oder Buche eine Tanne werden kann ... können die Schleswig-Holsteiner nicht Preußen werden, auch nicht halbe Preußen." Das eben hat jeder Particularist mit einer gewissen Classe von Irrsinnigen gemeinsam, daß so wenig wie diese ihren Irrsinn, so wenig er sei¬ nen Particularismus eingestehen will: ein sicheres Zeichen, daß unserer Klein¬ staaterei die nothwendigste Lebensbedingung. der Glaube an sich selbst, abhanden gekommen ist. Die Faselei vom preußischen Particularismus hat Herr F. An¬ deren nachgesprochen, wird aber dafür hoffentlich selbstlos genug sein, die Phrase von Buche und Tanne, die um so schöner klingt, je weniger man sich hinter ihr etwas denken kann, künftigen Vereinsrednern zu erwünschtem Gebrauche zu überlassen. Politische Feigenblätter. AIs Mitglied einer gelehrten Körperschaft hat auch unser Festredner das Bedürfniß gefühlt, seinen Particularismus mit Hilfe einer Theorie vom Staate unter Dach und Fach zu bringen. Er ver¬ sichert, in Deutschland könne auf Grund der „gegebenen Zustände" nur der Bundesstaat bestehen; der Einheitsstaat könne nur „durch die Gewalt der Waffen und durch die Partei, welche die Waffen in Händen hat", hergestellt werden: „wird diese Partei die Waffen niederlegen zu Gunsten der Freiheit des deutschen Volks?" Nun kommen wiederholte Warnrufe, daß die Freiheit der deutschen Stämme, die Herrn F. mit der Freiheit des deutschen Volks gleich¬ bedeutend ist, in Gefahr sei; freilich müsse der deutsche Bundesstaat aus Staaten, nicht aus Cabineten, gebildet sein: er werde aber um so stärker sein, je freier in ihrem Bereich die einzelnen Staaten, sobald nur bei den Einzelnen der Wille da sei, eine starke Bundescentralmacht zu schaffen. Lauter Dinge, die man längst von den gu'ßdentschen Theoretikern bis zum Ueberdruß zu hören bekom¬ men hat: dieselben Phrasen, dieselben Tascheiisvielereien! Als wenn die heutige deutsche Kleinstaaterei mit der frühere» Stammesverschiedenheit des deutschen Volks das Geringste gemein hätte, als wenn Staatenbund und Bundesstaat dasselbe wäre, als wenn die Verwandlung der Cabincte in Staaten und der Wille der Staaten, sich einer Centralgewalt unterzuordnen, sich einfach decretiren ließen und anders als durch die gründlichste Umwälzung der „gege¬ benen Zustände" zu erreichen wären! Kurz, lauter abgenutzte Redensarten: das einzige Neue ist der forchhammersche Grund gegen die deutsche Einheit:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/247>, abgerufen am 15.01.2025.