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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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soll", das heißt, wie sie nach Ansicht der augustenburgischen Maschinisten es
soll: durch gründlichen Undank gegen die Retter. Leider nur zu wahr! Wer es
noch nicht weiß, wie man ein von Haus aus tüchtiges Völkchen durch Benutzung
seiner schwachen Seiten in eine so verkehrte Bahn drängen kann, wie wir dies
jetzt in Holstein sehen, dem giebt unsere Festrede die nöthigen Fingerzeige.
Jedes Bauernvolk ist von sich selbst eingenommen. Bei den Holsteinern ist ein
angebornes Selbstbewußtsein durch den tapfern Widerstand gegen Dänemark in
berechtigter Weise gehoben, durch die ausschweifenden Lobsprüche, mit denen
sie von ihren deutschen Brüdern für ihr langes Märtyrerthum getröstet wurden,
krankhaft hinaufgeschraubt worden: in der That, die Holsteiner hätten eine über¬
menschliche Selbsterkenntniß besitzen müssen, wenn im Laufe von 17 Jahren
davon nicht etwas hängen geblieben wäre! Die Besten des Volkes sind hierüber
nicht verblendet und hüten sich, dem verhängnißvollen Fehler Vorschub zu leisten:
das ist aber so recht der Tummelplatz, auf dem die höfische Demagogie mit
bestem Erfolg operirt. Der Redner, der, wie Herr F., den Preußen den Rath
giebt, "sich nicht für besser und klüger zu halten, als uns", ist des Beifalls
immer gewiß, und wenn er nun gar erst hinzufügt: "wir haben nie die Sünde
auf uns geladen, in unserem früheren staatlichen Verhältnisse unsere Eigenthüm¬
lichkeit einem Andern aufdrängen zu wollen", da wird wohl kein Zuhörer so
undankbar sein, den salbungsreichen Pharisäer durch die Frage außer Fassung
zu bringen: ob es ein Verdienst ist, nicht zu sündigen, wenn man nicht die
Macht hat zu sündigen? Selbstverständlich wird uns von Herrn F. auch die
"sprichwörtlich gewordene Holstentreue" nicht geschenkt, die hoffentlich in Zu¬
kunft dem Synonym "deutsche Treue" weichen wird; oder sollte jene specifische
Treue gemeint sein, welche die 40 Turner von Gravenstein begeisterte, sich in
das Joch zu spannen: dann wird mehr als ein Landsmann Herrn Forchhammers
das zweifelhafte Lob ablehnen.


Schlagwörter der herrschenden Partei.

.Mein Recht ist eure
Rettung", lautete das erbprinzliche Teztwort, das Herr F. seiner Rede un¬
tergelegt hat, ohne zu fragen, inwieweit es sich an den Ereignissen bewährt
hat, und wie wohl das abstracte Recht, nur vom deutschen Bunde fecundirt, über
das Dannewerk, die düppler Schanzen und den Alsensund hinübergekommen
wäre! Es ist eine freilich sehr ketzerische, aber bei aller Ketzerei schwer zu
widerlegende Behauptung, daß wir mit dem Rechte der Augustenburger als
alleinigem Palladium jetzt hinter 1863 zurückgeworfen sein würden: ohne
Preußen würde der deutsche Bund sich unter Wahrung seines Rechts zurück¬
gezogen haben, es wäre ein zweiter Tag von Bau und schlimmer als dieser
erfolgt, die besten Patrioten wären jetzt von den Dänen außer Landes gejagt,
und Peter Forchhammer -- würde vielleicht den Plan des Schlachtfeldes von
Troja wieder hervorgesucht haben, durch dessen Erklärung er sich seiner Zeit bei


soll", das heißt, wie sie nach Ansicht der augustenburgischen Maschinisten es
soll: durch gründlichen Undank gegen die Retter. Leider nur zu wahr! Wer es
noch nicht weiß, wie man ein von Haus aus tüchtiges Völkchen durch Benutzung
seiner schwachen Seiten in eine so verkehrte Bahn drängen kann, wie wir dies
jetzt in Holstein sehen, dem giebt unsere Festrede die nöthigen Fingerzeige.
Jedes Bauernvolk ist von sich selbst eingenommen. Bei den Holsteinern ist ein
angebornes Selbstbewußtsein durch den tapfern Widerstand gegen Dänemark in
berechtigter Weise gehoben, durch die ausschweifenden Lobsprüche, mit denen
sie von ihren deutschen Brüdern für ihr langes Märtyrerthum getröstet wurden,
krankhaft hinaufgeschraubt worden: in der That, die Holsteiner hätten eine über¬
menschliche Selbsterkenntniß besitzen müssen, wenn im Laufe von 17 Jahren
davon nicht etwas hängen geblieben wäre! Die Besten des Volkes sind hierüber
nicht verblendet und hüten sich, dem verhängnißvollen Fehler Vorschub zu leisten:
das ist aber so recht der Tummelplatz, auf dem die höfische Demagogie mit
bestem Erfolg operirt. Der Redner, der, wie Herr F., den Preußen den Rath
giebt, „sich nicht für besser und klüger zu halten, als uns", ist des Beifalls
immer gewiß, und wenn er nun gar erst hinzufügt: „wir haben nie die Sünde
auf uns geladen, in unserem früheren staatlichen Verhältnisse unsere Eigenthüm¬
lichkeit einem Andern aufdrängen zu wollen", da wird wohl kein Zuhörer so
undankbar sein, den salbungsreichen Pharisäer durch die Frage außer Fassung
zu bringen: ob es ein Verdienst ist, nicht zu sündigen, wenn man nicht die
Macht hat zu sündigen? Selbstverständlich wird uns von Herrn F. auch die
„sprichwörtlich gewordene Holstentreue" nicht geschenkt, die hoffentlich in Zu¬
kunft dem Synonym „deutsche Treue" weichen wird; oder sollte jene specifische
Treue gemeint sein, welche die 40 Turner von Gravenstein begeisterte, sich in
das Joch zu spannen: dann wird mehr als ein Landsmann Herrn Forchhammers
das zweifelhafte Lob ablehnen.


Schlagwörter der herrschenden Partei.

.Mein Recht ist eure
Rettung", lautete das erbprinzliche Teztwort, das Herr F. seiner Rede un¬
tergelegt hat, ohne zu fragen, inwieweit es sich an den Ereignissen bewährt
hat, und wie wohl das abstracte Recht, nur vom deutschen Bunde fecundirt, über
das Dannewerk, die düppler Schanzen und den Alsensund hinübergekommen
wäre! Es ist eine freilich sehr ketzerische, aber bei aller Ketzerei schwer zu
widerlegende Behauptung, daß wir mit dem Rechte der Augustenburger als
alleinigem Palladium jetzt hinter 1863 zurückgeworfen sein würden: ohne
Preußen würde der deutsche Bund sich unter Wahrung seines Rechts zurück¬
gezogen haben, es wäre ein zweiter Tag von Bau und schlimmer als dieser
erfolgt, die besten Patrioten wären jetzt von den Dänen außer Landes gejagt,
und Peter Forchhammer — würde vielleicht den Plan des Schlachtfeldes von
Troja wieder hervorgesucht haben, durch dessen Erklärung er sich seiner Zeit bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/246>, abgerufen am 15.01.2025.