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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Schranken der Geschwornencompetenz darzulegen, der Regierung die wirkliche
Meinung der Praxis zu sagen, welche das Ministerium mit dem neuen Ent¬
wurf getroffen und ausgesprochen zu haben glaubt.

Darum ist es endlich Pflicht des Abgeordnetenhauses, sein Veto einzulegen
ge.M die Mißgestaltung dieses wichtigsten Gerichtes. Hier droht dem wahren
Constitutionalismus in der Rechtspflege schwere Gefahr, welche durch ein neues
Gesetz auf lange Jahre Kraft gewinnen soll. Die wahren Vertreter der großen
Majorität des Volkes halten sich nicht mehr zurück von ihren Pflichten als
Staatsbürger, wie einst in den Trauerjahren seit 1830. Wohlan! erfüllen sie
ganz diese Pflichten, daß sie nicht selbst ein Uebel verstärken, welches durch die
unselige Zurückhaltung ihrer Parteigenossen so lange schon auf dem Lande lastet.

Alle Verbrechen, alle politischen und Preßverbrechen und
-vergehen für die Entscheidung der Schwurgerichte, das ist es, was
wir fordern müssen und fordern.




Preußen und Schleswig-Holstein.
Zuerst eine Erinnerung an vergangene Stimmungen.

Als vor etwa achtzehn Monaten die Nachricht nach Deutschland kam, daß
der Gesundheitszustand des Königs von Dänemark eine Erledigung des Throns
in Aussicht stelle, war den Liberalen zweifellos, daß die größte Anspannung
der Kräfte nothwendig sei und die neue Situation benutzt werden müsse, die
Herzogthümer gänzlich von Dänemark zu lösen und mit Deutschland zu verbin¬
den. Die politische Lage war ungünstig. Sowohl das Ministerium Bismarck
als Oestreich hatten durch die Behandlung derselben Frage am Bunde bewiesen,
daß sie einen kriegerischen Conflict mit Dänemark nicht wollten, es war zu
befürchten, daß der neue König, welcher durch die londoner Verträge zur Herr¬
schaft bestimmt war. einer nachdrücklichen Pression der deutschen Großmächte
einige Concessionen machen werde, sobald er den dänischen Fanatismus nicht
mehr als Hinderniß seiner Inthronisation zu fürchten habe, und daß die Gro߬
mächte ihm so lange weitere Nachsicht gönnen würden, bis er thatsächlich in
seinen Ländern festgesetzt sei. Das gesammte Ausland war dem deutschen In¬
teresse abgeneigt. In den Herzogthümern selbst war an einen offenen Widerstand,
der über Proteste und Erklärungen muthiger Männer hinausging, nicht zu


Schranken der Geschwornencompetenz darzulegen, der Regierung die wirkliche
Meinung der Praxis zu sagen, welche das Ministerium mit dem neuen Ent¬
wurf getroffen und ausgesprochen zu haben glaubt.

Darum ist es endlich Pflicht des Abgeordnetenhauses, sein Veto einzulegen
ge.M die Mißgestaltung dieses wichtigsten Gerichtes. Hier droht dem wahren
Constitutionalismus in der Rechtspflege schwere Gefahr, welche durch ein neues
Gesetz auf lange Jahre Kraft gewinnen soll. Die wahren Vertreter der großen
Majorität des Volkes halten sich nicht mehr zurück von ihren Pflichten als
Staatsbürger, wie einst in den Trauerjahren seit 1830. Wohlan! erfüllen sie
ganz diese Pflichten, daß sie nicht selbst ein Uebel verstärken, welches durch die
unselige Zurückhaltung ihrer Parteigenossen so lange schon auf dem Lande lastet.

Alle Verbrechen, alle politischen und Preßverbrechen und
-vergehen für die Entscheidung der Schwurgerichte, das ist es, was
wir fordern müssen und fordern.




Preußen und Schleswig-Holstein.
Zuerst eine Erinnerung an vergangene Stimmungen.

Als vor etwa achtzehn Monaten die Nachricht nach Deutschland kam, daß
der Gesundheitszustand des Königs von Dänemark eine Erledigung des Throns
in Aussicht stelle, war den Liberalen zweifellos, daß die größte Anspannung
der Kräfte nothwendig sei und die neue Situation benutzt werden müsse, die
Herzogthümer gänzlich von Dänemark zu lösen und mit Deutschland zu verbin¬
den. Die politische Lage war ungünstig. Sowohl das Ministerium Bismarck
als Oestreich hatten durch die Behandlung derselben Frage am Bunde bewiesen,
daß sie einen kriegerischen Conflict mit Dänemark nicht wollten, es war zu
befürchten, daß der neue König, welcher durch die londoner Verträge zur Herr¬
schaft bestimmt war. einer nachdrücklichen Pression der deutschen Großmächte
einige Concessionen machen werde, sobald er den dänischen Fanatismus nicht
mehr als Hinderniß seiner Inthronisation zu fürchten habe, und daß die Gro߬
mächte ihm so lange weitere Nachsicht gönnen würden, bis er thatsächlich in
seinen Ländern festgesetzt sei. Das gesammte Ausland war dem deutschen In¬
teresse abgeneigt. In den Herzogthümern selbst war an einen offenen Widerstand,
der über Proteste und Erklärungen muthiger Männer hinausging, nicht zu


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[0036] Schranken der Geschwornencompetenz darzulegen, der Regierung die wirkliche Meinung der Praxis zu sagen, welche das Ministerium mit dem neuen Ent¬ wurf getroffen und ausgesprochen zu haben glaubt. Darum ist es endlich Pflicht des Abgeordnetenhauses, sein Veto einzulegen ge.M die Mißgestaltung dieses wichtigsten Gerichtes. Hier droht dem wahren Constitutionalismus in der Rechtspflege schwere Gefahr, welche durch ein neues Gesetz auf lange Jahre Kraft gewinnen soll. Die wahren Vertreter der großen Majorität des Volkes halten sich nicht mehr zurück von ihren Pflichten als Staatsbürger, wie einst in den Trauerjahren seit 1830. Wohlan! erfüllen sie ganz diese Pflichten, daß sie nicht selbst ein Uebel verstärken, welches durch die unselige Zurückhaltung ihrer Parteigenossen so lange schon auf dem Lande lastet. Alle Verbrechen, alle politischen und Preßverbrechen und -vergehen für die Entscheidung der Schwurgerichte, das ist es, was wir fordern müssen und fordern. Preußen und Schleswig-Holstein. Zuerst eine Erinnerung an vergangene Stimmungen. Als vor etwa achtzehn Monaten die Nachricht nach Deutschland kam, daß der Gesundheitszustand des Königs von Dänemark eine Erledigung des Throns in Aussicht stelle, war den Liberalen zweifellos, daß die größte Anspannung der Kräfte nothwendig sei und die neue Situation benutzt werden müsse, die Herzogthümer gänzlich von Dänemark zu lösen und mit Deutschland zu verbin¬ den. Die politische Lage war ungünstig. Sowohl das Ministerium Bismarck als Oestreich hatten durch die Behandlung derselben Frage am Bunde bewiesen, daß sie einen kriegerischen Conflict mit Dänemark nicht wollten, es war zu befürchten, daß der neue König, welcher durch die londoner Verträge zur Herr¬ schaft bestimmt war. einer nachdrücklichen Pression der deutschen Großmächte einige Concessionen machen werde, sobald er den dänischen Fanatismus nicht mehr als Hinderniß seiner Inthronisation zu fürchten habe, und daß die Gro߬ mächte ihm so lange weitere Nachsicht gönnen würden, bis er thatsächlich in seinen Ländern festgesetzt sei. Das gesammte Ausland war dem deutschen In¬ teresse abgeneigt. In den Herzogthümern selbst war an einen offenen Widerstand, der über Proteste und Erklärungen muthiger Männer hinausging, nicht zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/36>, abgerufen am 11.12.2024.