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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Predigen, Was an dem Unternehmen zu loben ist, gehört meist in die zahlreichen
Citate aus andern Literaturhistorikern; doch muß bemerkt werden, daß für den Ver¬
fasser Leute wie Joseph v, Eichendorff (in seiner Geschichte der poetischen Literatur
Deutschlands), Röpe, der "Ehrcuretter des Hauptpastors Goeze", Onuo Klopp und
Gfrörer Hauptautoritäten sind. Lessing ist ihm "ohne Zweifel der tragischeste Cha¬
rakter unserer Literatur", der zwar treu und gewaltig nach der Wahrheit ringt,
aber "dennoch vom Dämon des Scharfsinns endlich überwältigt wird und an der
Schwelle des Allerheiligsten unbefriedigt untergeht." Schillers Geschichte des Abfalls
der Niederlande ferner ist eine durchaus unwahre. "Die ganze Revolution und Re-
formation in den Niederlanden war eine gemachte," ihre Quelle "war weder der
spanische Druck noch die Religion, sondern einzig und allein der Ehrgeiz und
die Selbstsucht einiger hervorragender Edelleute, bevorab des Prinzen von Oranien."
.Auch bei der Geschichte des dreißigjährigen Krieges "mangelte es Schillern an con-
creter Anschauung", womit Herr Kühn meint, daß er Ouro Klopps Buch über
Tilly und Aehnliches noch nicht hatte lesen können. Er würde dann unter
Andern, erfahren haben, daß Tilly, "diese große und edle Seele", "dieser große
Deutsche, im ganzen dreißigjährigen Kriege vielleicht die einzige echt ritterliche Gestalt
war", daß "bei ihm in einer für seine Zeit beispiellosen Weise die Anerkennung der
Rechte andrer Menschen wohnte, nicht blos in Bezug auf ihre Habe, ihr Eigenthum,
ihren Anspruch an Frieden und Lebensglück, sondern vor allen Dingen auf ihre
religiösen und kirchlichen Gewohnheiten", und daß er, "auf dessen ehrwürdiges und
ruhmbedecktes Haupt der Parteigeist der Protestanten Verläumdungen auf Verläum-
dungen häufte", vielleicht "ganz allein den national-deutschen Standpunkt einnahm,
den des deutschen Patriotismus für Kaiser, Reich und Nation", was um so mehr
hervortritt, wenn man ihn mit Leuten vergleicht, "wie der hasenschartige (Pfui,
Herr Doctor!) verwachsene Mädchen- und Fraucnschänder Mannsfeld" oder der "mvrd-
brennerischc und persönlich blutdürstige Christian von Braunschweig". Tilly war
"ach des Verfasser- Meinung vermuthlich unpersönlich blutdürstig, und Magde¬
burg wurde natürlich nicht von ihm, sondern von seiner eignen Bürgerschaft nieder¬
gebrannt, die dabei einer Weisung Gustav Adolphs folgte. Armer Schiller, der die
Entdeckung dieser sublimen Wahrheiten nicht erlebte! Eine interessante Beigabe zu
dem Buche ist ein Porträt Schillers nach einer Zeichnung des Kupferstechers F. Bote,
der den Dichter im Mai l804 in einer berliner Gesellschaft zeichnete. Das Origi-
"albildchcn ist gegenwärtig im Besitz des Bildhauers I. Otto Endres zu München.
Es ist nicht, wie Herr Kühn zu glauben scheint, das einzige Schillerpvrträt ans
dieser Zeit, aber es gibt die Züge des Dichters in ganz vortrefflicher Weise wieder.


Vorlesungen über die Wissenschaft der Sprache. Von Dr Max
Müller. Für das deutsche Publicum bearbeitet von or. K. Böttger. Autorisirle
Ausgabe. Leipzig, Verlag von G. Mayer. 1863.

Der Verfasser, Sohn Wilhelm Müllers, des Dichters der "Griechenlieder", und
einer der geachtetsten jünger" Sprachforscher, behandelt hier ein Thema, welches
bisher noch nicht für das größere Publicum bearbeitet worden ist, obwohl die
Wissenschaft, die sich mit ihm beschäftigt, in den letzten Jahrzehnten nicht weniger
bedeutsame Fortschritte gemacht und nicht weniger gründliche Umgestaltungen erfahren
hat, als die Naturwissenschaften, deren Resultate jetzt mehr und mehr Gemeingut


Predigen, Was an dem Unternehmen zu loben ist, gehört meist in die zahlreichen
Citate aus andern Literaturhistorikern; doch muß bemerkt werden, daß für den Ver¬
fasser Leute wie Joseph v, Eichendorff (in seiner Geschichte der poetischen Literatur
Deutschlands), Röpe, der „Ehrcuretter des Hauptpastors Goeze", Onuo Klopp und
Gfrörer Hauptautoritäten sind. Lessing ist ihm „ohne Zweifel der tragischeste Cha¬
rakter unserer Literatur", der zwar treu und gewaltig nach der Wahrheit ringt,
aber „dennoch vom Dämon des Scharfsinns endlich überwältigt wird und an der
Schwelle des Allerheiligsten unbefriedigt untergeht." Schillers Geschichte des Abfalls
der Niederlande ferner ist eine durchaus unwahre. „Die ganze Revolution und Re-
formation in den Niederlanden war eine gemachte," ihre Quelle „war weder der
spanische Druck noch die Religion, sondern einzig und allein der Ehrgeiz und
die Selbstsucht einiger hervorragender Edelleute, bevorab des Prinzen von Oranien."
.Auch bei der Geschichte des dreißigjährigen Krieges „mangelte es Schillern an con-
creter Anschauung", womit Herr Kühn meint, daß er Ouro Klopps Buch über
Tilly und Aehnliches noch nicht hatte lesen können. Er würde dann unter
Andern, erfahren haben, daß Tilly, „diese große und edle Seele", „dieser große
Deutsche, im ganzen dreißigjährigen Kriege vielleicht die einzige echt ritterliche Gestalt
war", daß „bei ihm in einer für seine Zeit beispiellosen Weise die Anerkennung der
Rechte andrer Menschen wohnte, nicht blos in Bezug auf ihre Habe, ihr Eigenthum,
ihren Anspruch an Frieden und Lebensglück, sondern vor allen Dingen auf ihre
religiösen und kirchlichen Gewohnheiten", und daß er, „auf dessen ehrwürdiges und
ruhmbedecktes Haupt der Parteigeist der Protestanten Verläumdungen auf Verläum-
dungen häufte", vielleicht „ganz allein den national-deutschen Standpunkt einnahm,
den des deutschen Patriotismus für Kaiser, Reich und Nation", was um so mehr
hervortritt, wenn man ihn mit Leuten vergleicht, „wie der hasenschartige (Pfui,
Herr Doctor!) verwachsene Mädchen- und Fraucnschänder Mannsfeld" oder der „mvrd-
brennerischc und persönlich blutdürstige Christian von Braunschweig". Tilly war
»ach des Verfasser- Meinung vermuthlich unpersönlich blutdürstig, und Magde¬
burg wurde natürlich nicht von ihm, sondern von seiner eignen Bürgerschaft nieder¬
gebrannt, die dabei einer Weisung Gustav Adolphs folgte. Armer Schiller, der die
Entdeckung dieser sublimen Wahrheiten nicht erlebte! Eine interessante Beigabe zu
dem Buche ist ein Porträt Schillers nach einer Zeichnung des Kupferstechers F. Bote,
der den Dichter im Mai l804 in einer berliner Gesellschaft zeichnete. Das Origi-
»albildchcn ist gegenwärtig im Besitz des Bildhauers I. Otto Endres zu München.
Es ist nicht, wie Herr Kühn zu glauben scheint, das einzige Schillerpvrträt ans
dieser Zeit, aber es gibt die Züge des Dichters in ganz vortrefflicher Weise wieder.


Vorlesungen über die Wissenschaft der Sprache. Von Dr Max
Müller. Für das deutsche Publicum bearbeitet von or. K. Böttger. Autorisirle
Ausgabe. Leipzig, Verlag von G. Mayer. 1863.

Der Verfasser, Sohn Wilhelm Müllers, des Dichters der „Griechenlieder", und
einer der geachtetsten jünger» Sprachforscher, behandelt hier ein Thema, welches
bisher noch nicht für das größere Publicum bearbeitet worden ist, obwohl die
Wissenschaft, die sich mit ihm beschäftigt, in den letzten Jahrzehnten nicht weniger
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hat, als die Naturwissenschaften, deren Resultate jetzt mehr und mehr Gemeingut


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[0447] Predigen, Was an dem Unternehmen zu loben ist, gehört meist in die zahlreichen Citate aus andern Literaturhistorikern; doch muß bemerkt werden, daß für den Ver¬ fasser Leute wie Joseph v, Eichendorff (in seiner Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands), Röpe, der „Ehrcuretter des Hauptpastors Goeze", Onuo Klopp und Gfrörer Hauptautoritäten sind. Lessing ist ihm „ohne Zweifel der tragischeste Cha¬ rakter unserer Literatur", der zwar treu und gewaltig nach der Wahrheit ringt, aber „dennoch vom Dämon des Scharfsinns endlich überwältigt wird und an der Schwelle des Allerheiligsten unbefriedigt untergeht." Schillers Geschichte des Abfalls der Niederlande ferner ist eine durchaus unwahre. „Die ganze Revolution und Re- formation in den Niederlanden war eine gemachte," ihre Quelle „war weder der spanische Druck noch die Religion, sondern einzig und allein der Ehrgeiz und die Selbstsucht einiger hervorragender Edelleute, bevorab des Prinzen von Oranien." .Auch bei der Geschichte des dreißigjährigen Krieges „mangelte es Schillern an con- creter Anschauung", womit Herr Kühn meint, daß er Ouro Klopps Buch über Tilly und Aehnliches noch nicht hatte lesen können. Er würde dann unter Andern, erfahren haben, daß Tilly, „diese große und edle Seele", „dieser große Deutsche, im ganzen dreißigjährigen Kriege vielleicht die einzige echt ritterliche Gestalt war", daß „bei ihm in einer für seine Zeit beispiellosen Weise die Anerkennung der Rechte andrer Menschen wohnte, nicht blos in Bezug auf ihre Habe, ihr Eigenthum, ihren Anspruch an Frieden und Lebensglück, sondern vor allen Dingen auf ihre religiösen und kirchlichen Gewohnheiten", und daß er, „auf dessen ehrwürdiges und ruhmbedecktes Haupt der Parteigeist der Protestanten Verläumdungen auf Verläum- dungen häufte", vielleicht „ganz allein den national-deutschen Standpunkt einnahm, den des deutschen Patriotismus für Kaiser, Reich und Nation", was um so mehr hervortritt, wenn man ihn mit Leuten vergleicht, „wie der hasenschartige (Pfui, Herr Doctor!) verwachsene Mädchen- und Fraucnschänder Mannsfeld" oder der „mvrd- brennerischc und persönlich blutdürstige Christian von Braunschweig". Tilly war »ach des Verfasser- Meinung vermuthlich unpersönlich blutdürstig, und Magde¬ burg wurde natürlich nicht von ihm, sondern von seiner eignen Bürgerschaft nieder¬ gebrannt, die dabei einer Weisung Gustav Adolphs folgte. Armer Schiller, der die Entdeckung dieser sublimen Wahrheiten nicht erlebte! Eine interessante Beigabe zu dem Buche ist ein Porträt Schillers nach einer Zeichnung des Kupferstechers F. Bote, der den Dichter im Mai l804 in einer berliner Gesellschaft zeichnete. Das Origi- »albildchcn ist gegenwärtig im Besitz des Bildhauers I. Otto Endres zu München. Es ist nicht, wie Herr Kühn zu glauben scheint, das einzige Schillerpvrträt ans dieser Zeit, aber es gibt die Züge des Dichters in ganz vortrefflicher Weise wieder. Vorlesungen über die Wissenschaft der Sprache. Von Dr Max Müller. Für das deutsche Publicum bearbeitet von or. K. Böttger. Autorisirle Ausgabe. Leipzig, Verlag von G. Mayer. 1863. Der Verfasser, Sohn Wilhelm Müllers, des Dichters der „Griechenlieder", und einer der geachtetsten jünger» Sprachforscher, behandelt hier ein Thema, welches bisher noch nicht für das größere Publicum bearbeitet worden ist, obwohl die Wissenschaft, die sich mit ihm beschäftigt, in den letzten Jahrzehnten nicht weniger bedeutsame Fortschritte gemacht und nicht weniger gründliche Umgestaltungen erfahren hat, als die Naturwissenschaften, deren Resultate jetzt mehr und mehr Gemeingut

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/447>, abgerufen am 22.12.2024.