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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Die Münchener Kunstausstellung und die Gegensätze in der mo¬
dernen Kunst.
. ^i.^

Charakter der Ausstellung, -- Cornelius. -- Die ältere Kunst¬
weise des Jahrhunderts. -- Die Neueren: Die ideale Rich¬
tung und die Realisten.

Die Münchener Kunstausstellung dieses Jahres, welche als internationale
bezeichnet wurde, hat weder für eine Weltausstellung, noch auch für eine allge¬
mein deutsche gelten wollen.

Eine beträchtliche Zahl namhafter Künstler war überhaupt nicht, ganze
einzelne Richtungen l'aum vertreten, und von den Meistern, welche als die
Führer der modernen Kunst angesehen sind, fehlte weit über die Hälfte.

Eine vollständige Anschauung der gegenwärtigen .Kunstzustände ließ sich
also hier, selbst was Deutschland anlangt, ebensowenig gewinnen als ein
endgiltiges Urtheil über die Kunstfähigkeit unseres Jahrzehnts im Vergleich zu
den vorangegangenen.

Und dennoch gab die Münchener Ausstellung dem Charakter, den die Kunst '
in unsern Tagen trägt, einen bezeichnenden Ausdruck. Was sich in den grö¬
ßeren deutschen Ausstellungen von 1888 und 1861 unter der Masse der aus
dem ganzen Jahrhundert zusammengebrachten Kunstwerke nur verdeckt zeigte:
die Verschiedenheit der Richtungen und der Gegensatz, in den die neueste Zeit
zu der eben verflossenen tritt, das trat hier im beschränkten Rahmen offener
und bestimmter hervor.

War doch schon im Plane ihrer Urheber die neue Ausstellung der Fehde¬
handschuh, den die jüngeren leidenschaftlichen und mit Pathos für ihre Sache
eintretenden Talente der zum Zopf ausgewachsenen Gewohnheit der Akademien
hinwarfen. Nur hüteten sich diese, ihn aufzunehmen; und so empfindlich war
vorab die Münchener Akademie von dem raschen Zugreifen berührt, mit dem
die Neueren die Ausstellung, welche eigentlich eine akademische sein sollte, in
die Hand nahmen, daß sie lieber sich ganz davon zurückzog. So kam es, daß


Grenzboten IV. 1863. 26
Die Münchener Kunstausstellung und die Gegensätze in der mo¬
dernen Kunst.
. ^i.^

Charakter der Ausstellung, — Cornelius. — Die ältere Kunst¬
weise des Jahrhunderts. — Die Neueren: Die ideale Rich¬
tung und die Realisten.

Die Münchener Kunstausstellung dieses Jahres, welche als internationale
bezeichnet wurde, hat weder für eine Weltausstellung, noch auch für eine allge¬
mein deutsche gelten wollen.

Eine beträchtliche Zahl namhafter Künstler war überhaupt nicht, ganze
einzelne Richtungen l'aum vertreten, und von den Meistern, welche als die
Führer der modernen Kunst angesehen sind, fehlte weit über die Hälfte.

Eine vollständige Anschauung der gegenwärtigen .Kunstzustände ließ sich
also hier, selbst was Deutschland anlangt, ebensowenig gewinnen als ein
endgiltiges Urtheil über die Kunstfähigkeit unseres Jahrzehnts im Vergleich zu
den vorangegangenen.

Und dennoch gab die Münchener Ausstellung dem Charakter, den die Kunst '
in unsern Tagen trägt, einen bezeichnenden Ausdruck. Was sich in den grö¬
ßeren deutschen Ausstellungen von 1888 und 1861 unter der Masse der aus
dem ganzen Jahrhundert zusammengebrachten Kunstwerke nur verdeckt zeigte:
die Verschiedenheit der Richtungen und der Gegensatz, in den die neueste Zeit
zu der eben verflossenen tritt, das trat hier im beschränkten Rahmen offener
und bestimmter hervor.

War doch schon im Plane ihrer Urheber die neue Ausstellung der Fehde¬
handschuh, den die jüngeren leidenschaftlichen und mit Pathos für ihre Sache
eintretenden Talente der zum Zopf ausgewachsenen Gewohnheit der Akademien
hinwarfen. Nur hüteten sich diese, ihn aufzunehmen; und so empfindlich war
vorab die Münchener Akademie von dem raschen Zugreifen berührt, mit dem
die Neueren die Ausstellung, welche eigentlich eine akademische sein sollte, in
die Hand nahmen, daß sie lieber sich ganz davon zurückzog. So kam es, daß


Grenzboten IV. 1863. 26
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[0209] Die Münchener Kunstausstellung und die Gegensätze in der mo¬ dernen Kunst. . ^i.^ Charakter der Ausstellung, — Cornelius. — Die ältere Kunst¬ weise des Jahrhunderts. — Die Neueren: Die ideale Rich¬ tung und die Realisten. Die Münchener Kunstausstellung dieses Jahres, welche als internationale bezeichnet wurde, hat weder für eine Weltausstellung, noch auch für eine allge¬ mein deutsche gelten wollen. Eine beträchtliche Zahl namhafter Künstler war überhaupt nicht, ganze einzelne Richtungen l'aum vertreten, und von den Meistern, welche als die Führer der modernen Kunst angesehen sind, fehlte weit über die Hälfte. Eine vollständige Anschauung der gegenwärtigen .Kunstzustände ließ sich also hier, selbst was Deutschland anlangt, ebensowenig gewinnen als ein endgiltiges Urtheil über die Kunstfähigkeit unseres Jahrzehnts im Vergleich zu den vorangegangenen. Und dennoch gab die Münchener Ausstellung dem Charakter, den die Kunst ' in unsern Tagen trägt, einen bezeichnenden Ausdruck. Was sich in den grö¬ ßeren deutschen Ausstellungen von 1888 und 1861 unter der Masse der aus dem ganzen Jahrhundert zusammengebrachten Kunstwerke nur verdeckt zeigte: die Verschiedenheit der Richtungen und der Gegensatz, in den die neueste Zeit zu der eben verflossenen tritt, das trat hier im beschränkten Rahmen offener und bestimmter hervor. War doch schon im Plane ihrer Urheber die neue Ausstellung der Fehde¬ handschuh, den die jüngeren leidenschaftlichen und mit Pathos für ihre Sache eintretenden Talente der zum Zopf ausgewachsenen Gewohnheit der Akademien hinwarfen. Nur hüteten sich diese, ihn aufzunehmen; und so empfindlich war vorab die Münchener Akademie von dem raschen Zugreifen berührt, mit dem die Neueren die Ausstellung, welche eigentlich eine akademische sein sollte, in die Hand nahmen, daß sie lieber sich ganz davon zurückzog. So kam es, daß Grenzboten IV. 1863. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/209>, abgerufen am 15.01.2025.