Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.Der Geist der Nation wider den Geist der Universitäten. 3. Das Studentenduell, Das Studentenduell ist wie alle Lieblingsgegenstände romantisch-phan¬ Der Geist der Nation wider den Geist der Universitäten. 3. Das Studentenduell, Das Studentenduell ist wie alle Lieblingsgegenstände romantisch-phan¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115040"/> </div> <div n="1"> <head> Der Geist der Nation wider den Geist der Universitäten.</head><lb/> <div n="2"> <head> 3. Das Studentenduell,</head><lb/> <p xml:id="ID_581" next="#ID_582"> Das Studentenduell ist wie alle Lieblingsgegenstände romantisch-phan¬<lb/> tastischer Weltanschauung eine Ruine. Es gab eine Zeit, da der Zweikampf<lb/> eine lebendige Macht war, die eine sittliche Idee im Leben der Nation ver¬<lb/> körperte. Es war die Idee, daß der menschliche Geist, wo streitende Rechte und<lb/> Interessen verletzt sind, die sich nicht mehr rein herstellen und klar auseinander¬<lb/> setzen lassen, auf die Entscheidung durch rohe Gewalt nicht nur aus ge¬<lb/> meiner Noch zurückkommt, sondern sich zu diesem Schritt feierlich entschließt,<lb/> in dem Gefühl, daß, wo seine beherrschende und ordnende Uebersicht über die<lb/> Gewalten, die sich feindlich bekämpfen, nicht ausreicht, einer höheren Macht<lb/> die letzte Entscheidung anheimzustellen ist, von der er das scheinbare Spiel des<lb/> Zufalls in dem ungewissen Loos des Kampfes geleitet glaubt. Diese Idee<lb/> war noch nicht verloren, als auch die praktische Bedeutung des Zweikampfs<lb/> als Entscheidungsnüttel unentscheidbarer Streitigkeiten längst erloschen war;<lb/> sie erlosch auch nicht ganz, als schon die mildere Sitte die nothwendig tät¬<lb/> lichen Ausgänge nicht mehr forderte. Es blieb der mysteriöse, man kann sagen<lb/> religiöse Gedanke an dem Duell haften, daß, wenn ein Conflict sich nicht aus¬<lb/> gleichen läßt, bei dessen Fortbestehen das Dasein eines Menschen ein beständiger<lb/> Makel an der Ehre eines andern nicht minder zu ehrenhafter Existenz berechtigten<lb/> bleiben muß. eine höhere Macht eingreift und den einen durch das Glück seiner<lb/> Waffe von dem anderen befreit, wenn sie sich gegenseitig freiwillig der Möglich¬<lb/> keit dazu aussetzen; oder daß sie selbst nachher Beide wieder neben einander be¬<lb/> stehen können, als wenn nichts vorgefallen wäre, wenn sie nur einmal gemein¬<lb/> sam in das Bereich dieser höhern lösenden Macht getreten sind. In dieser<lb/> Auffassung ist die rohe Gewalt selbst ein Mittel versöhnender Herstellung ge¬<lb/> worden, wo kein anderes ausreichte. Es kann aber Niemand, er mag es nun<lb/> beklagen oder nicht, darüber zweifelhaft sein, daß diese Idee im Bewußtsein<lb/> - des deutschen Volkes so gut wie völlig erloschen ist. Je mehr der consequent<lb/> durchgeführte Gedanke des vom Staat als der Gesammtheit alles Einzelnen<lb/> ausgeübten Rechts das Gemeinleben der Nation durchdringt, um so mehr erfüllt<lb/> sich das Ganze mit dem Gefühl, daß der Einzelne auch dieses Allen gemein¬<lb/> same Recht als eine höhere Macht anerkennen muß, bei deren Entscheidungen er<lb/> sich in feindlichen Conflicten mit seinen Staatsgenossen in den meisten, den<lb/> einfacheren Streitfällen zu beruhigen hat, während für schwierigere Conflicte</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0188]
Der Geist der Nation wider den Geist der Universitäten.
3. Das Studentenduell,
Das Studentenduell ist wie alle Lieblingsgegenstände romantisch-phan¬
tastischer Weltanschauung eine Ruine. Es gab eine Zeit, da der Zweikampf
eine lebendige Macht war, die eine sittliche Idee im Leben der Nation ver¬
körperte. Es war die Idee, daß der menschliche Geist, wo streitende Rechte und
Interessen verletzt sind, die sich nicht mehr rein herstellen und klar auseinander¬
setzen lassen, auf die Entscheidung durch rohe Gewalt nicht nur aus ge¬
meiner Noch zurückkommt, sondern sich zu diesem Schritt feierlich entschließt,
in dem Gefühl, daß, wo seine beherrschende und ordnende Uebersicht über die
Gewalten, die sich feindlich bekämpfen, nicht ausreicht, einer höheren Macht
die letzte Entscheidung anheimzustellen ist, von der er das scheinbare Spiel des
Zufalls in dem ungewissen Loos des Kampfes geleitet glaubt. Diese Idee
war noch nicht verloren, als auch die praktische Bedeutung des Zweikampfs
als Entscheidungsnüttel unentscheidbarer Streitigkeiten längst erloschen war;
sie erlosch auch nicht ganz, als schon die mildere Sitte die nothwendig tät¬
lichen Ausgänge nicht mehr forderte. Es blieb der mysteriöse, man kann sagen
religiöse Gedanke an dem Duell haften, daß, wenn ein Conflict sich nicht aus¬
gleichen läßt, bei dessen Fortbestehen das Dasein eines Menschen ein beständiger
Makel an der Ehre eines andern nicht minder zu ehrenhafter Existenz berechtigten
bleiben muß. eine höhere Macht eingreift und den einen durch das Glück seiner
Waffe von dem anderen befreit, wenn sie sich gegenseitig freiwillig der Möglich¬
keit dazu aussetzen; oder daß sie selbst nachher Beide wieder neben einander be¬
stehen können, als wenn nichts vorgefallen wäre, wenn sie nur einmal gemein¬
sam in das Bereich dieser höhern lösenden Macht getreten sind. In dieser
Auffassung ist die rohe Gewalt selbst ein Mittel versöhnender Herstellung ge¬
worden, wo kein anderes ausreichte. Es kann aber Niemand, er mag es nun
beklagen oder nicht, darüber zweifelhaft sein, daß diese Idee im Bewußtsein
- des deutschen Volkes so gut wie völlig erloschen ist. Je mehr der consequent
durchgeführte Gedanke des vom Staat als der Gesammtheit alles Einzelnen
ausgeübten Rechts das Gemeinleben der Nation durchdringt, um so mehr erfüllt
sich das Ganze mit dem Gefühl, daß der Einzelne auch dieses Allen gemein¬
same Recht als eine höhere Macht anerkennen muß, bei deren Entscheidungen er
sich in feindlichen Conflicten mit seinen Staatsgenossen in den meisten, den
einfacheren Streitfällen zu beruhigen hat, während für schwierigere Conflicte
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