Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft. Herausgegeben von' M, Lazarus und H, Steinthal. Zweiter Band. Berlin, F. Dümmlers Ver¬ lagsbuchhandlung. 1862. Enthält eine Anzahl werthvoller Abhandlungen, von denen wir namentlich die Der Artikel war in seinen Grundzügen zuerst in der sogenannten "Wissenschaftlicher
Beilage" der Leipz. Zeit, abgedruckt, was wohl nur mit einem Mißverständniß der Natur und Be. D. R. Stimmung dieses wie luous g, non lucspclo benannten Blattes zu erklären ist. Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft. Herausgegeben von' M, Lazarus und H, Steinthal. Zweiter Band. Berlin, F. Dümmlers Ver¬ lagsbuchhandlung. 1862. Enthält eine Anzahl werthvoller Abhandlungen, von denen wir namentlich die Der Artikel war in seinen Grundzügen zuerst in der sogenannten „Wissenschaftlicher
Beilage" der Leipz. Zeit, abgedruckt, was wohl nur mit einem Mißverständniß der Natur und Be. D. R. Stimmung dieses wie luous g, non lucspclo benannten Blattes zu erklären ist. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0445" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114225"/> </div> <div n="2"> <head> Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft. Herausgegeben von'<lb/> M, Lazarus und H, Steinthal. Zweiter Band. Berlin, F. Dümmlers Ver¬<lb/> lagsbuchhandlung. 1862.</head><lb/> <p xml:id="ID_1426" next="#ID_1427"> Enthält eine Anzahl werthvoller Abhandlungen, von denen wir namentlich die<lb/> von Steinthal gelieferten- „Ueber die ursprüngliche Form der Sage von Prome¬<lb/> theus" — „Die Sage von Simson" — und „Ueber den Aberglauben", die von<lb/> Lazarus: „die Verdichtung des Denkens in der Geschichte" und „Ueber das Verhält¬<lb/> niß des Einzelnen zur Gesammtheit", ferner die von Lübke: „Ueber den gothischen<lb/> Styl und die Nationalitäten", die von H. v. Blomberg: „Ueber das Theatralische<lb/> in Art und Kunst der Franzosen" und die von L. Tobler „Ueber die dichterische<lb/> Behandlung der Thiere" als reich an feinen Gedanken der Beachtung empfehlen.<lb/> Besonders gelungen scheint uns unter den mythologischen Beiträgen Steinthals mit<lb/> Ausnahme der gezwungnen Deutung des Räthsels und der Entführung der Thore<lb/> von Gaza, der Aufsatz über Simson, in welchem uns der Verfasser sehr interessante<lb/> Blicke in das Heidnische thun läßt, welches noch in später Zeit neben dem Mono¬<lb/> theismus des hebräischen Volkes herging.") Simson ist, wie schon sein Name an¬<lb/> deutet (Schimschon von Schcmesch, die Sonne, wie der Philistergott Dagon von<lb/> Dag, der Fisch) und wie hier an den von ihm erzählten Thaten überzeugend nach¬<lb/> gewiesen wird, die Erinnerung um einen altsemitischen Sonnengott, den Gott einer¬<lb/> seits der zeugenden Wärme (vgl. seine vielen Liebschaften), andrerseits der versengen¬<lb/> den Gluth (vgl. die Verbrennung der Saaten der Philister), der in eigenthümlicher<lb/> Weise hebräisch modificirt ist, und dessen Leben später von dem vragmatisirenden<lb/> Schriftsteller, der das Buch der Richter zusammenstellte, den Grundsätzen der Jahve-<lb/> Neligion angepaßt wurde, .ihne daß dadurch sein ursprünglich heidnisches Wesen völ¬<lb/> lig verwischt worden wäre. Simson handelt mit übernatürlicher Kraft, er ist ganz<lb/> und gar ein Wunder. Trotzdem ist sein Auftreten nicht blos ohne eigentlichen Er¬<lb/> folg, sondern, was viel bedeutungsvoller und zwar übler ist, ohne Bewußtsein eines<lb/> Zweckes, ohne Plan und Gedanke. Er sucht sich Frauen und Dirnen — Simson,<lb/> der Jahve geweihte Nasir — unter seinen und seines Volkes Feinden, neckt l'etztcre,<lb/> reizt sie, schadet ihnen, tobtet ihrer viele; aber nirgends zeigt sich in ihm das Be¬<lb/> wußtsein einer Aufgabe, die er zum Besten seines Vaterlandes, dessen Feinden gegenüber,<lb/> zu erfüllen habe. Ihn beseelt nicht die Idee Jahve's, ihn treibt nicht Drang nach<lb/> Befreiung vom schmählichsten Joche; ihn bewegt uur Sinnenlust und launenhafter<lb/> Uebermuth. Simson ist durchaus unsittlich. Er ist eben ein alter heidnischer Gott,<lb/> und also unsittlich wie alle Götzen. Denn diese sind nichts als personificirte Kräfte<lb/> und Ereignisse in der Natur. Nun ist diese als solche gleichgiltig gegen das Wesen<lb/> der Sittlichkeit und also zwar nicht sittlich, aber doch auch nicht unsittlich. Die<lb/> mechanische Naturkraft aber als Person gedacht, in die Beziehungen des sittlichen<lb/> Lebens versetzt, kann nur als absolut unsittlich erscheinen. — Bei der ganzen Ent¬<lb/> wickelung dieses Mythcngebildcs scheint uns nur eines nicht genügend erklärt, der<lb/> schalkhafte Ton der Erzählung, durch den Simson fast wie ein hebräischer Eulen-<lb/> spiegel erscheint, und den wir uns mit Analogien ans andern Mythologien, dem</p><lb/> <note xml:id="FID_38" place="foot"> Der Artikel war in seinen Grundzügen zuerst in der sogenannten „Wissenschaftlicher<lb/> Beilage" der Leipz. Zeit, abgedruckt, was wohl nur mit einem Mißverständniß der Natur und Be.<lb/><note type="byline"> D. R.</note> Stimmung dieses wie luous g, non lucspclo benannten Blattes zu erklären ist. </note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0445]
Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft. Herausgegeben von'
M, Lazarus und H, Steinthal. Zweiter Band. Berlin, F. Dümmlers Ver¬
lagsbuchhandlung. 1862.
Enthält eine Anzahl werthvoller Abhandlungen, von denen wir namentlich die
von Steinthal gelieferten- „Ueber die ursprüngliche Form der Sage von Prome¬
theus" — „Die Sage von Simson" — und „Ueber den Aberglauben", die von
Lazarus: „die Verdichtung des Denkens in der Geschichte" und „Ueber das Verhält¬
niß des Einzelnen zur Gesammtheit", ferner die von Lübke: „Ueber den gothischen
Styl und die Nationalitäten", die von H. v. Blomberg: „Ueber das Theatralische
in Art und Kunst der Franzosen" und die von L. Tobler „Ueber die dichterische
Behandlung der Thiere" als reich an feinen Gedanken der Beachtung empfehlen.
Besonders gelungen scheint uns unter den mythologischen Beiträgen Steinthals mit
Ausnahme der gezwungnen Deutung des Räthsels und der Entführung der Thore
von Gaza, der Aufsatz über Simson, in welchem uns der Verfasser sehr interessante
Blicke in das Heidnische thun läßt, welches noch in später Zeit neben dem Mono¬
theismus des hebräischen Volkes herging.") Simson ist, wie schon sein Name an¬
deutet (Schimschon von Schcmesch, die Sonne, wie der Philistergott Dagon von
Dag, der Fisch) und wie hier an den von ihm erzählten Thaten überzeugend nach¬
gewiesen wird, die Erinnerung um einen altsemitischen Sonnengott, den Gott einer¬
seits der zeugenden Wärme (vgl. seine vielen Liebschaften), andrerseits der versengen¬
den Gluth (vgl. die Verbrennung der Saaten der Philister), der in eigenthümlicher
Weise hebräisch modificirt ist, und dessen Leben später von dem vragmatisirenden
Schriftsteller, der das Buch der Richter zusammenstellte, den Grundsätzen der Jahve-
Neligion angepaßt wurde, .ihne daß dadurch sein ursprünglich heidnisches Wesen völ¬
lig verwischt worden wäre. Simson handelt mit übernatürlicher Kraft, er ist ganz
und gar ein Wunder. Trotzdem ist sein Auftreten nicht blos ohne eigentlichen Er¬
folg, sondern, was viel bedeutungsvoller und zwar übler ist, ohne Bewußtsein eines
Zweckes, ohne Plan und Gedanke. Er sucht sich Frauen und Dirnen — Simson,
der Jahve geweihte Nasir — unter seinen und seines Volkes Feinden, neckt l'etztcre,
reizt sie, schadet ihnen, tobtet ihrer viele; aber nirgends zeigt sich in ihm das Be¬
wußtsein einer Aufgabe, die er zum Besten seines Vaterlandes, dessen Feinden gegenüber,
zu erfüllen habe. Ihn beseelt nicht die Idee Jahve's, ihn treibt nicht Drang nach
Befreiung vom schmählichsten Joche; ihn bewegt uur Sinnenlust und launenhafter
Uebermuth. Simson ist durchaus unsittlich. Er ist eben ein alter heidnischer Gott,
und also unsittlich wie alle Götzen. Denn diese sind nichts als personificirte Kräfte
und Ereignisse in der Natur. Nun ist diese als solche gleichgiltig gegen das Wesen
der Sittlichkeit und also zwar nicht sittlich, aber doch auch nicht unsittlich. Die
mechanische Naturkraft aber als Person gedacht, in die Beziehungen des sittlichen
Lebens versetzt, kann nur als absolut unsittlich erscheinen. — Bei der ganzen Ent¬
wickelung dieses Mythcngebildcs scheint uns nur eines nicht genügend erklärt, der
schalkhafte Ton der Erzählung, durch den Simson fast wie ein hebräischer Eulen-
spiegel erscheint, und den wir uns mit Analogien ans andern Mythologien, dem
Der Artikel war in seinen Grundzügen zuerst in der sogenannten „Wissenschaftlicher
Beilage" der Leipz. Zeit, abgedruckt, was wohl nur mit einem Mißverständniß der Natur und Be.
D. R. Stimmung dieses wie luous g, non lucspclo benannten Blattes zu erklären ist.
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