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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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bindung gebrach" zu sehen, und der Dank der gesammten protestantischen Chri¬
stenheit.

Das Schreiben, welches das Anerbieten enthielt, ging am 6. Mai,an die jetzige
Eigenthümer"" des Gartens Frau Cornelia Hehl ab, aber bis jetzt ist eine schrift¬
liche Rücküußerung darauf nicht erfolgt, und mancherlei Anzeichen lassen schließen, daß
die Familie auf den Wunsch des Ausschusses einzugehen nicht geneigt ist, doch
gibt letzterer ">die Hoffnung noch nicht auf, daß die Opferwilligkeit in der letzten
Stunde sich noch einstellen werde, wo die Familie Heyl die Ueberzeugung gewonnen
haben wird, daß außer diesem Garten ein sonst geeigneter Platz zur Ausstellung des
Denkmals innerhalb der Stadt nicht zu finden ist."

Was die Schuld trägt, daß die Familie diese Ueberzeugung noch nicht ' erlangt
hat, ist uns unbekannt. Man sollte meinen, das Anerbieten des Ausschusses sei
sehr annehmbar, das Opfer nicht besonders schwer, der Dienst, der durch einen guten
Entschluß der Stadt, der Kunst und der protestantischen Kirche- geleistet würde, so
ehrenvoll, daß von langer Ueberlegung kaum die Rede sein möchte. Das Bewußt¬
sein, auf demselben- Boden zu stehen, wo Luther fein welthistorisches "Ich kann nicht
anders" gesprochen, würde hohen Zauber auf das Gemüth des Beschauers ausüben
und die Monumentalität des Werkes wesentlich steigern. Die Stätte des alten Bi-
schofshvses ist jetzt ein großer und schöner Garten, und Rretschcl's mächtiges Werk,
da" großWtigste, welches die gcscnnmte neuere Plastik auszuweisen hat, würde hin
mit seinen ehrfurchterweckenden Hervengestaltcn dieselbe weihevolle Umgebung finden,
die einst die Götterbilder der antiken Kunst in den stillen abgeschiedenen Tempelhainen
fanden. Um solche Doppelwirkung zu ermöglichen, würde es für einen hohen Sinn
keiner großen Entsagung bedürfen. Die Familie tritt einen gut eingerichteten Kunst¬
gärten ab und- kauft dasür einen bessern und zugleich das befriedigende Bewußtsein
ein, ihrer Kirche die ihr gebührende Ehre gegeben, dem ersten Kunstwerk der Gegen¬
wart die einzig rechte Stelle gewährt und sich den Dank ihrer Mitbürger uno aller
Protestanten erworben zu haben. Entgegengesetzten Falles behält die Familie ihren
Gatten; um das Bewußtsein aber, durch die Weigerung einen schönen und großen
Gedanken vereitelt zu haben und diesen Vorwurf so lange an sich haften zu sehen,
als das Denkmal steht, möchten wir sie nicht beneiden.




Literatur.
..
Der neue Pitaval. Dritte Folge, sechster Theil. Leipzig, Brockhaus,
1862.

Acht Criminalgeschichtcn, von denen die interessantesten und am ausführlichsten
behandelten in die letzten drei Jahre fallen. Diese letzteren sind: der Fall, wo das
Mitglied des. Repräsentantenhauses SickleS in Washington den Staatsanwalt Grey,


bindung gebrach« zu sehen, und der Dank der gesammten protestantischen Chri¬
stenheit.

Das Schreiben, welches das Anerbieten enthielt, ging am 6. Mai,an die jetzige
Eigenthümer«« des Gartens Frau Cornelia Hehl ab, aber bis jetzt ist eine schrift¬
liche Rücküußerung darauf nicht erfolgt, und mancherlei Anzeichen lassen schließen, daß
die Familie auf den Wunsch des Ausschusses einzugehen nicht geneigt ist, doch
gibt letzterer „>die Hoffnung noch nicht auf, daß die Opferwilligkeit in der letzten
Stunde sich noch einstellen werde, wo die Familie Heyl die Ueberzeugung gewonnen
haben wird, daß außer diesem Garten ein sonst geeigneter Platz zur Ausstellung des
Denkmals innerhalb der Stadt nicht zu finden ist."

Was die Schuld trägt, daß die Familie diese Ueberzeugung noch nicht ' erlangt
hat, ist uns unbekannt. Man sollte meinen, das Anerbieten des Ausschusses sei
sehr annehmbar, das Opfer nicht besonders schwer, der Dienst, der durch einen guten
Entschluß der Stadt, der Kunst und der protestantischen Kirche- geleistet würde, so
ehrenvoll, daß von langer Ueberlegung kaum die Rede sein möchte. Das Bewußt¬
sein, auf demselben- Boden zu stehen, wo Luther fein welthistorisches „Ich kann nicht
anders" gesprochen, würde hohen Zauber auf das Gemüth des Beschauers ausüben
und die Monumentalität des Werkes wesentlich steigern. Die Stätte des alten Bi-
schofshvses ist jetzt ein großer und schöner Garten, und Rretschcl's mächtiges Werk,
da» großWtigste, welches die gcscnnmte neuere Plastik auszuweisen hat, würde hin
mit seinen ehrfurchterweckenden Hervengestaltcn dieselbe weihevolle Umgebung finden,
die einst die Götterbilder der antiken Kunst in den stillen abgeschiedenen Tempelhainen
fanden. Um solche Doppelwirkung zu ermöglichen, würde es für einen hohen Sinn
keiner großen Entsagung bedürfen. Die Familie tritt einen gut eingerichteten Kunst¬
gärten ab und- kauft dasür einen bessern und zugleich das befriedigende Bewußtsein
ein, ihrer Kirche die ihr gebührende Ehre gegeben, dem ersten Kunstwerk der Gegen¬
wart die einzig rechte Stelle gewährt und sich den Dank ihrer Mitbürger uno aller
Protestanten erworben zu haben. Entgegengesetzten Falles behält die Familie ihren
Gatten; um das Bewußtsein aber, durch die Weigerung einen schönen und großen
Gedanken vereitelt zu haben und diesen Vorwurf so lange an sich haften zu sehen,
als das Denkmal steht, möchten wir sie nicht beneiden.




Literatur.
..
Der neue Pitaval. Dritte Folge, sechster Theil. Leipzig, Brockhaus,
1862.

Acht Criminalgeschichtcn, von denen die interessantesten und am ausführlichsten
behandelten in die letzten drei Jahre fallen. Diese letzteren sind: der Fall, wo das
Mitglied des. Repräsentantenhauses SickleS in Washington den Staatsanwalt Grey,


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[0327] bindung gebrach« zu sehen, und der Dank der gesammten protestantischen Chri¬ stenheit. Das Schreiben, welches das Anerbieten enthielt, ging am 6. Mai,an die jetzige Eigenthümer«« des Gartens Frau Cornelia Hehl ab, aber bis jetzt ist eine schrift¬ liche Rücküußerung darauf nicht erfolgt, und mancherlei Anzeichen lassen schließen, daß die Familie auf den Wunsch des Ausschusses einzugehen nicht geneigt ist, doch gibt letzterer „>die Hoffnung noch nicht auf, daß die Opferwilligkeit in der letzten Stunde sich noch einstellen werde, wo die Familie Heyl die Ueberzeugung gewonnen haben wird, daß außer diesem Garten ein sonst geeigneter Platz zur Ausstellung des Denkmals innerhalb der Stadt nicht zu finden ist." Was die Schuld trägt, daß die Familie diese Ueberzeugung noch nicht ' erlangt hat, ist uns unbekannt. Man sollte meinen, das Anerbieten des Ausschusses sei sehr annehmbar, das Opfer nicht besonders schwer, der Dienst, der durch einen guten Entschluß der Stadt, der Kunst und der protestantischen Kirche- geleistet würde, so ehrenvoll, daß von langer Ueberlegung kaum die Rede sein möchte. Das Bewußt¬ sein, auf demselben- Boden zu stehen, wo Luther fein welthistorisches „Ich kann nicht anders" gesprochen, würde hohen Zauber auf das Gemüth des Beschauers ausüben und die Monumentalität des Werkes wesentlich steigern. Die Stätte des alten Bi- schofshvses ist jetzt ein großer und schöner Garten, und Rretschcl's mächtiges Werk, da» großWtigste, welches die gcscnnmte neuere Plastik auszuweisen hat, würde hin mit seinen ehrfurchterweckenden Hervengestaltcn dieselbe weihevolle Umgebung finden, die einst die Götterbilder der antiken Kunst in den stillen abgeschiedenen Tempelhainen fanden. Um solche Doppelwirkung zu ermöglichen, würde es für einen hohen Sinn keiner großen Entsagung bedürfen. Die Familie tritt einen gut eingerichteten Kunst¬ gärten ab und- kauft dasür einen bessern und zugleich das befriedigende Bewußtsein ein, ihrer Kirche die ihr gebührende Ehre gegeben, dem ersten Kunstwerk der Gegen¬ wart die einzig rechte Stelle gewährt und sich den Dank ihrer Mitbürger uno aller Protestanten erworben zu haben. Entgegengesetzten Falles behält die Familie ihren Gatten; um das Bewußtsein aber, durch die Weigerung einen schönen und großen Gedanken vereitelt zu haben und diesen Vorwurf so lange an sich haften zu sehen, als das Denkmal steht, möchten wir sie nicht beneiden. Literatur. .. Der neue Pitaval. Dritte Folge, sechster Theil. Leipzig, Brockhaus, 1862. Acht Criminalgeschichtcn, von denen die interessantesten und am ausführlichsten behandelten in die letzten drei Jahre fallen. Diese letzteren sind: der Fall, wo das Mitglied des. Repräsentantenhauses SickleS in Washington den Staatsanwalt Grey,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/327>, abgerufen am 27.12.2024.