Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.steht weder Recke noch Tugend, der Freiheit schworen sie in die Hand ihres Friedrich der Große als Exercirmeister und Jnstructor. Wol sattsam bekannt sind die großen Revüen, die Friedrich der Zweite In den Frühlings- und Sommermonaten wurden die Truppen fleißig ge> steht weder Recke noch Tugend, der Freiheit schworen sie in die Hand ihres Friedrich der Große als Exercirmeister und Jnstructor. Wol sattsam bekannt sind die großen Revüen, die Friedrich der Zweite In den Frühlings- und Sommermonaten wurden die Truppen fleißig ge> <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0071" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112579"/> <p xml:id="ID_174" prev="#ID_173"> steht weder Recke noch Tugend, der Freiheit schworen sie in die Hand ihres<lb/> Großmeisters ab. Sie können heucheln, täuschen, lügen, aber ihre Regel steht<lb/> fest: gine ut saut, aut non sint!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Friedrich der Große als Exercirmeister und Jnstructor.</head><lb/> <p xml:id="ID_175"> Wol sattsam bekannt sind die großen Revüen, die Friedrich der Zweite<lb/> alljährlich im Herbste über größere Theile seines Heeres in den verschiedenen<lb/> Provinzen seiner Monarchie abhielt, um die Manövrirfähigkeit dieser Truppen<lb/> zu prüfen. Diese Revüen, wobei der König Alles gar sehr, wol übermäßig<lb/> genau nahm, und wobei seinem scharfen Blick selten etwas entging, waren<lb/> bekanntlich, vom commandirenden General bis zum Gemeinen herab, nicht<lb/> wenig gefürchtet, denn der Monarch zeigte mit dem zunehmenden Alter immer<lb/> mehr Launen, und nicht selten verlor bei solchen Gelegenheiten der königliche<lb/> Philosoph der Art seine Haltung, daß er wol mit dem gehobenen, weltbekann¬<lb/> ten Krückstock und zornsprühenden Auge plötzlich auf Truppentheile, die nach<lb/> seiner Meinung einen Fehler gemacht hatten, lossprengte und dabei gewöhn¬<lb/> lich die Offiziere hernahm, denen, er dabei vor aller Welt sehr unangenehme<lb/> Dinge sagte. Nicht selten hörte man ihn mit seiner scharfen Stimme einen<lb/> dieser Unglücklichen anschreien: „Herr, was macht Er da für Zeug!" oder gar:<lb/> „Herr, Scheere Er sich zum Teufel!" worauf mancher, sonst tüchtige und brave<lb/> Mann wegen eines geringen Versehens ohne Entschuldigung nicht nur sofort<lb/> seinen Degen einstecken und sich vom Platze entfernen mußte, sondern der Be¬<lb/> troffene auch mit diesen wenigen königlichen Worten seinen Laufpaß für immer<lb/> so gut wie> in der Tasche hatte. Bisweilen wurde der König durch spätere<lb/> Vorstellungen und Fürbitten höherer und einflußreicher Offiziere in günstig<lb/> gewählten Momenten besänftigt oder über einen bisher Mißliebigen zu einer<lb/> andern Meinung gebracht und die Sache wurde so zu Gunsten des Betroffenen<lb/> redressirt; aber solche Fälle gehörten zu den seltner«, da der König von einem<lb/> einmal gefaßten Vorurtheil gegen eine Persönlichkeit nicht leicht abzubringen<lb/> war. und daher verblieb es gewöhnlich bei dem königlichen Dictum.</p><lb/> <p xml:id="ID_176" next="#ID_177"> In den Frühlings- und Sommermonaten wurden die Truppen fleißig ge><lb/> übt. Alles. Generale und Korporale arbeiteten mit allen ihnen zu Gebote</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0071]
steht weder Recke noch Tugend, der Freiheit schworen sie in die Hand ihres
Großmeisters ab. Sie können heucheln, täuschen, lügen, aber ihre Regel steht
fest: gine ut saut, aut non sint!
Friedrich der Große als Exercirmeister und Jnstructor.
Wol sattsam bekannt sind die großen Revüen, die Friedrich der Zweite
alljährlich im Herbste über größere Theile seines Heeres in den verschiedenen
Provinzen seiner Monarchie abhielt, um die Manövrirfähigkeit dieser Truppen
zu prüfen. Diese Revüen, wobei der König Alles gar sehr, wol übermäßig
genau nahm, und wobei seinem scharfen Blick selten etwas entging, waren
bekanntlich, vom commandirenden General bis zum Gemeinen herab, nicht
wenig gefürchtet, denn der Monarch zeigte mit dem zunehmenden Alter immer
mehr Launen, und nicht selten verlor bei solchen Gelegenheiten der königliche
Philosoph der Art seine Haltung, daß er wol mit dem gehobenen, weltbekann¬
ten Krückstock und zornsprühenden Auge plötzlich auf Truppentheile, die nach
seiner Meinung einen Fehler gemacht hatten, lossprengte und dabei gewöhn¬
lich die Offiziere hernahm, denen, er dabei vor aller Welt sehr unangenehme
Dinge sagte. Nicht selten hörte man ihn mit seiner scharfen Stimme einen
dieser Unglücklichen anschreien: „Herr, was macht Er da für Zeug!" oder gar:
„Herr, Scheere Er sich zum Teufel!" worauf mancher, sonst tüchtige und brave
Mann wegen eines geringen Versehens ohne Entschuldigung nicht nur sofort
seinen Degen einstecken und sich vom Platze entfernen mußte, sondern der Be¬
troffene auch mit diesen wenigen königlichen Worten seinen Laufpaß für immer
so gut wie> in der Tasche hatte. Bisweilen wurde der König durch spätere
Vorstellungen und Fürbitten höherer und einflußreicher Offiziere in günstig
gewählten Momenten besänftigt oder über einen bisher Mißliebigen zu einer
andern Meinung gebracht und die Sache wurde so zu Gunsten des Betroffenen
redressirt; aber solche Fälle gehörten zu den seltner«, da der König von einem
einmal gefaßten Vorurtheil gegen eine Persönlichkeit nicht leicht abzubringen
war. und daher verblieb es gewöhnlich bei dem königlichen Dictum.
In den Frühlings- und Sommermonaten wurden die Truppen fleißig ge>
übt. Alles. Generale und Korporale arbeiteten mit allen ihnen zu Gebote
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