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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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miLLr-i eontiibutZNZ plobs die Gesetze zu empfanden, die man in Wien macht.
Wir finden es sehr natürlich, daß sie mit den Italienern ein Gleiches vor¬
haben. -- Daß sie aber alles drei , zugleich ins Werk setzen, daß sie das Reich,
daß sie Italien, daß sie Ungarn sich gleichmäßig unterwerfen wollen -- lieber
sollten sie daran denken, ihre Schulden zu bezahlen. /

In Oestreich scheint eine neue Krisis bevorzustehen, Schon ist Ungarn
mit Truppen überschwemmt, die deutsche Gemüthlichkeit erwartet den Belage¬
rungszustand. Wir zweifeln nicht daran, daß die Regierung durch äußere Ge¬
walt Sieger bleiben würde, aber es wäre ein furchtbar gewagtes Spiel. Das
Diplom und was damit zusammenhängt, war der letzte Rettungsanker, nach
dem die öffentliche Meinung griff: reißt man dieses muthwillig entzwei, so
konnte die Katastrophe schneller hereinbrechen, als -- uns selber lieb wäre.


5-5


Klosterleben im Mittelalter.

Die Klöster gehören zu den merkwürdigsten Gestaltungen, in denen der
Geist und Charakter des Mittelalters sich ausgesprochen hat. Zwar reicht
ihr Ursprung, wie bekannt, noch in die letzte Zeit des Alterthums zurück und
ist nicht einmal in Enropa. sondern in den Wüsteneien Aegyptens zu suchen,
wo sich dnrch die Vereinigung mehrerer Einsiedler die ersten Anstalten dieser
Art bildeten, aber das eigenthümliche Gepräge und die Ausbildung durch
Regel und Ordnung hat das Klosterwesen erst seit seiner Verpflanzung in das
Abendland erhalten. Unverkennbar ist nach mehr als einer Richtung der
große Einfluß, den es auf die ganze Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft
im Mittelalter gehabt hat.

Das Christenthum war grade in einer Zeit zu den Germanen gekommen,
wo durch die Zerbröckelung des römischen Weltreichs und die Wanderung/"
der nordischen Völker die Grundlagen zerstört worden waren, auf welchen die
bisherigen Zustände beruhten. Jahrhunderte vergingen, ehe aus dem Chaos
Ordnmig und Form sich neu bildeten, Jahrhunderte voll frischen, üppig kei¬
menden Lebens, aber auch voll Verwirrung und Unsicherheit, voll ungefüger


miLLr-i eontiibutZNZ plobs die Gesetze zu empfanden, die man in Wien macht.
Wir finden es sehr natürlich, daß sie mit den Italienern ein Gleiches vor¬
haben. — Daß sie aber alles drei , zugleich ins Werk setzen, daß sie das Reich,
daß sie Italien, daß sie Ungarn sich gleichmäßig unterwerfen wollen — lieber
sollten sie daran denken, ihre Schulden zu bezahlen. /

In Oestreich scheint eine neue Krisis bevorzustehen, Schon ist Ungarn
mit Truppen überschwemmt, die deutsche Gemüthlichkeit erwartet den Belage¬
rungszustand. Wir zweifeln nicht daran, daß die Regierung durch äußere Ge¬
walt Sieger bleiben würde, aber es wäre ein furchtbar gewagtes Spiel. Das
Diplom und was damit zusammenhängt, war der letzte Rettungsanker, nach
dem die öffentliche Meinung griff: reißt man dieses muthwillig entzwei, so
konnte die Katastrophe schneller hereinbrechen, als — uns selber lieb wäre.


5-5


Klosterleben im Mittelalter.

Die Klöster gehören zu den merkwürdigsten Gestaltungen, in denen der
Geist und Charakter des Mittelalters sich ausgesprochen hat. Zwar reicht
ihr Ursprung, wie bekannt, noch in die letzte Zeit des Alterthums zurück und
ist nicht einmal in Enropa. sondern in den Wüsteneien Aegyptens zu suchen,
wo sich dnrch die Vereinigung mehrerer Einsiedler die ersten Anstalten dieser
Art bildeten, aber das eigenthümliche Gepräge und die Ausbildung durch
Regel und Ordnung hat das Klosterwesen erst seit seiner Verpflanzung in das
Abendland erhalten. Unverkennbar ist nach mehr als einer Richtung der
große Einfluß, den es auf die ganze Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft
im Mittelalter gehabt hat.

Das Christenthum war grade in einer Zeit zu den Germanen gekommen,
wo durch die Zerbröckelung des römischen Weltreichs und die Wanderung/"
der nordischen Völker die Grundlagen zerstört worden waren, auf welchen die
bisherigen Zustände beruhten. Jahrhunderte vergingen, ehe aus dem Chaos
Ordnmig und Form sich neu bildeten, Jahrhunderte voll frischen, üppig kei¬
menden Lebens, aber auch voll Verwirrung und Unsicherheit, voll ungefüger


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[0398] miLLr-i eontiibutZNZ plobs die Gesetze zu empfanden, die man in Wien macht. Wir finden es sehr natürlich, daß sie mit den Italienern ein Gleiches vor¬ haben. — Daß sie aber alles drei , zugleich ins Werk setzen, daß sie das Reich, daß sie Italien, daß sie Ungarn sich gleichmäßig unterwerfen wollen — lieber sollten sie daran denken, ihre Schulden zu bezahlen. / In Oestreich scheint eine neue Krisis bevorzustehen, Schon ist Ungarn mit Truppen überschwemmt, die deutsche Gemüthlichkeit erwartet den Belage¬ rungszustand. Wir zweifeln nicht daran, daß die Regierung durch äußere Ge¬ walt Sieger bleiben würde, aber es wäre ein furchtbar gewagtes Spiel. Das Diplom und was damit zusammenhängt, war der letzte Rettungsanker, nach dem die öffentliche Meinung griff: reißt man dieses muthwillig entzwei, so konnte die Katastrophe schneller hereinbrechen, als — uns selber lieb wäre. 5-5 Klosterleben im Mittelalter. Die Klöster gehören zu den merkwürdigsten Gestaltungen, in denen der Geist und Charakter des Mittelalters sich ausgesprochen hat. Zwar reicht ihr Ursprung, wie bekannt, noch in die letzte Zeit des Alterthums zurück und ist nicht einmal in Enropa. sondern in den Wüsteneien Aegyptens zu suchen, wo sich dnrch die Vereinigung mehrerer Einsiedler die ersten Anstalten dieser Art bildeten, aber das eigenthümliche Gepräge und die Ausbildung durch Regel und Ordnung hat das Klosterwesen erst seit seiner Verpflanzung in das Abendland erhalten. Unverkennbar ist nach mehr als einer Richtung der große Einfluß, den es auf die ganze Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft im Mittelalter gehabt hat. Das Christenthum war grade in einer Zeit zu den Germanen gekommen, wo durch die Zerbröckelung des römischen Weltreichs und die Wanderung/" der nordischen Völker die Grundlagen zerstört worden waren, auf welchen die bisherigen Zustände beruhten. Jahrhunderte vergingen, ehe aus dem Chaos Ordnmig und Form sich neu bildeten, Jahrhunderte voll frischen, üppig kei¬ menden Lebens, aber auch voll Verwirrung und Unsicherheit, voll ungefüger

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/398>, abgerufen am 15.01.2025.