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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Der östreichische Reichsrath als unser Lehrer.

Die Verhandlungen des östreichischen Neichsraths waren ihrem Ende nahe
-- da erinnerte Herr straffer, daß von dem Verhältnisse Oestreichs zu Deutsch¬
land nicht mit einer Sylbe die Rede gewesen; zwar gehöre dieses Verhältniß zur
auswärtigen Politik, allein man brauche doch im Kriege die Unterstützung Deutsch¬
lands mit Truppen und mit Geld, und es sei deshalb zu wünschen, daß an einer
angemessenen Stelle des Majoritätsantrags mit einigen Worten auf das Verhältniß
zu Deutschland hingewiesen würde. -- Diesem bescheidenen Wunsche wurde nicht
einmal die Ehre einer Abstimmung erwiesen. -- Wie bei der östreichischen Reichs-
verfassung von 1849, so bei den Ncichsrathsverhandlungcn von 1860, wird ohn"
Einrede angenommen, daß der Kaiserstaat sich lediglich nach seinen eigenen Bedürf¬
nissen zu constituiren und dabei auf seine Verbindung mit Deutschland keine Rück¬
sicht zu nehmen habe. Die nichtdeutsche Bevölkerung bildet die große Mehrheit, sie
will von Deutschland nichts wissen; schon deshalb scheut die Regierung jede An¬
deutung über "Bundcspflichten" oder über eine mögliche bestimmende Einwirkung
von Frankfurt auf Wien. Die deutsche Minorität, welche In Deutschland immer
noch einen Rückhalt gegen das Uebergewicht der Slaven und Magyaren sieht, mag
die Wahrnehmung beruhigen, daß die kaiserliche Regierung am Bundestage den Vor¬
sitz führt, und im Bunde nicht nur gegen geringe Matricularbeiträge große Rechte,
sondern auch einen Einfluß übt. der ihr, wenn auch nicht immer für leichtfertigen
Angriff, doch für die Vertheidigung, deutsche Hilfe sichert. Man kann daher in
Wien süglich die Redensarten sparen, welche den Deutschen gefallen, die Anderen
aber unangenehm berühren würden.

"Draußen im Reiche" liegen die Dinge anders, fast umgekehrt. Man denkt mehr
an Oestreich als an sich selbst. Wo immer von einer Reform des Bundes die Rede
ist, da spielt das Verhältniß zu Oestreich die Hauptrolle, spaltet die Meinungen
und vereitelt die Hoffnung aus Resultate. Die Selbstverleugnung ist um so rüh¬
render, da man sich gestehn muß, daß bei dem bisherigen Verhältnisse nicht die
Vortheile, wol aber die in Aussicht stehenden Leistungen auf deutscher Seite liegen.

Lassen wir uns durch den östreichischen Reichsrath belehren, daß das Verhältniß zu
Oestreich zur auswärtigen Politik gehört, d. h ein völkerrechtliches ist, und daß
wir die nothwendige Einigung zum Bundesstaate nach unseren eigenen Bedürfnissen
zu gestalten haben. Nur wenn Deutschland in die Lage kommt, sich selber helfen
zu können, wird es auch für Oestreich ein nützlicher Bundesgenosse werden. --




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Möris Busch.
Verlag von F. L, Herbig -- Druck von C, E. Slvert in Leipzig,
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Der östreichische Reichsrath als unser Lehrer.

Die Verhandlungen des östreichischen Neichsraths waren ihrem Ende nahe
— da erinnerte Herr straffer, daß von dem Verhältnisse Oestreichs zu Deutsch¬
land nicht mit einer Sylbe die Rede gewesen; zwar gehöre dieses Verhältniß zur
auswärtigen Politik, allein man brauche doch im Kriege die Unterstützung Deutsch¬
lands mit Truppen und mit Geld, und es sei deshalb zu wünschen, daß an einer
angemessenen Stelle des Majoritätsantrags mit einigen Worten auf das Verhältniß
zu Deutschland hingewiesen würde. — Diesem bescheidenen Wunsche wurde nicht
einmal die Ehre einer Abstimmung erwiesen. — Wie bei der östreichischen Reichs-
verfassung von 1849, so bei den Ncichsrathsverhandlungcn von 1860, wird ohn«
Einrede angenommen, daß der Kaiserstaat sich lediglich nach seinen eigenen Bedürf¬
nissen zu constituiren und dabei auf seine Verbindung mit Deutschland keine Rück¬
sicht zu nehmen habe. Die nichtdeutsche Bevölkerung bildet die große Mehrheit, sie
will von Deutschland nichts wissen; schon deshalb scheut die Regierung jede An¬
deutung über „Bundcspflichten" oder über eine mögliche bestimmende Einwirkung
von Frankfurt auf Wien. Die deutsche Minorität, welche In Deutschland immer
noch einen Rückhalt gegen das Uebergewicht der Slaven und Magyaren sieht, mag
die Wahrnehmung beruhigen, daß die kaiserliche Regierung am Bundestage den Vor¬
sitz führt, und im Bunde nicht nur gegen geringe Matricularbeiträge große Rechte,
sondern auch einen Einfluß übt. der ihr, wenn auch nicht immer für leichtfertigen
Angriff, doch für die Vertheidigung, deutsche Hilfe sichert. Man kann daher in
Wien süglich die Redensarten sparen, welche den Deutschen gefallen, die Anderen
aber unangenehm berühren würden.

„Draußen im Reiche" liegen die Dinge anders, fast umgekehrt. Man denkt mehr
an Oestreich als an sich selbst. Wo immer von einer Reform des Bundes die Rede
ist, da spielt das Verhältniß zu Oestreich die Hauptrolle, spaltet die Meinungen
und vereitelt die Hoffnung aus Resultate. Die Selbstverleugnung ist um so rüh¬
render, da man sich gestehn muß, daß bei dem bisherigen Verhältnisse nicht die
Vortheile, wol aber die in Aussicht stehenden Leistungen auf deutscher Seite liegen.

Lassen wir uns durch den östreichischen Reichsrath belehren, daß das Verhältniß zu
Oestreich zur auswärtigen Politik gehört, d. h ein völkerrechtliches ist, und daß
wir die nothwendige Einigung zum Bundesstaate nach unseren eigenen Bedürfnissen
zu gestalten haben. Nur wenn Deutschland in die Lage kommt, sich selber helfen
zu können, wird es auch für Oestreich ein nützlicher Bundesgenosse werden. —




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Möris Busch.
Verlag von F. L, Herbig — Druck von C, E. Slvert in Leipzig,
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[0132] .., Der östreichische Reichsrath als unser Lehrer. Die Verhandlungen des östreichischen Neichsraths waren ihrem Ende nahe — da erinnerte Herr straffer, daß von dem Verhältnisse Oestreichs zu Deutsch¬ land nicht mit einer Sylbe die Rede gewesen; zwar gehöre dieses Verhältniß zur auswärtigen Politik, allein man brauche doch im Kriege die Unterstützung Deutsch¬ lands mit Truppen und mit Geld, und es sei deshalb zu wünschen, daß an einer angemessenen Stelle des Majoritätsantrags mit einigen Worten auf das Verhältniß zu Deutschland hingewiesen würde. — Diesem bescheidenen Wunsche wurde nicht einmal die Ehre einer Abstimmung erwiesen. — Wie bei der östreichischen Reichs- verfassung von 1849, so bei den Ncichsrathsverhandlungcn von 1860, wird ohn« Einrede angenommen, daß der Kaiserstaat sich lediglich nach seinen eigenen Bedürf¬ nissen zu constituiren und dabei auf seine Verbindung mit Deutschland keine Rück¬ sicht zu nehmen habe. Die nichtdeutsche Bevölkerung bildet die große Mehrheit, sie will von Deutschland nichts wissen; schon deshalb scheut die Regierung jede An¬ deutung über „Bundcspflichten" oder über eine mögliche bestimmende Einwirkung von Frankfurt auf Wien. Die deutsche Minorität, welche In Deutschland immer noch einen Rückhalt gegen das Uebergewicht der Slaven und Magyaren sieht, mag die Wahrnehmung beruhigen, daß die kaiserliche Regierung am Bundestage den Vor¬ sitz führt, und im Bunde nicht nur gegen geringe Matricularbeiträge große Rechte, sondern auch einen Einfluß übt. der ihr, wenn auch nicht immer für leichtfertigen Angriff, doch für die Vertheidigung, deutsche Hilfe sichert. Man kann daher in Wien süglich die Redensarten sparen, welche den Deutschen gefallen, die Anderen aber unangenehm berühren würden. „Draußen im Reiche" liegen die Dinge anders, fast umgekehrt. Man denkt mehr an Oestreich als an sich selbst. Wo immer von einer Reform des Bundes die Rede ist, da spielt das Verhältniß zu Oestreich die Hauptrolle, spaltet die Meinungen und vereitelt die Hoffnung aus Resultate. Die Selbstverleugnung ist um so rüh¬ render, da man sich gestehn muß, daß bei dem bisherigen Verhältnisse nicht die Vortheile, wol aber die in Aussicht stehenden Leistungen auf deutscher Seite liegen. Lassen wir uns durch den östreichischen Reichsrath belehren, daß das Verhältniß zu Oestreich zur auswärtigen Politik gehört, d. h ein völkerrechtliches ist, und daß wir die nothwendige Einigung zum Bundesstaate nach unseren eigenen Bedürfnissen zu gestalten haben. Nur wenn Deutschland in die Lage kommt, sich selber helfen zu können, wird es auch für Oestreich ein nützlicher Bundesgenosse werden. — Verantwortlicher Redacteur: Dr. Möris Busch. Verlag von F. L, Herbig — Druck von C, E. Slvert in Leipzig,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/132>, abgerufen am 15.01.2025.