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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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langte er von der Person, die bei ihm wachte, sie sollte ihm durchaus etwas
erzählen. Als diese nichts wußte, sagte er mit Eifer: "hat sie denn keine
Großmutter gehabt, die ihr Märchen erzählt hätte?" Den andern Morgen
wollte er sich heimlich aus dem Bette machen und aufstehen. Die Aufwär¬
terin kam dazu. "Was machen Sie denn, Herr Hofrath?" rief diese. Er im
Zorn: "pank Sie Sich zur Thür hinaus! Sie hindert mich allezeit, wenn ich
etwas unternehmen will." Amalie, seine Enkelin, mußte ihm fleißig auf dem
Clavier vorspielen. Das ergötzte ihn sehr, und er gab genau darauf Acht,
lobte und verbesserte sie. Noch am Abend war er sehr heiter, und sagte noch
ein hübsches Bonmot. Sie verließen ihn um halb zwölf Uhr, hörten ihn
noch ein wenig stöhnen, und als sie nachsähen, war er todt." --




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Die architektonischen Bestrebungen unserer Zeit.
2.

Wenden wir uns nun zu den Concurrenzentwürfen der berliner Schule:
einen Fortschritt über die bisherige berliner Kunstübung zeigen sie nirgend, weder
in Rücksicht auf die Behandlung des Materials, noch auf die Charakteristik des
Bauwerks, noch endlich auf die Bildung des Grundplans. Die schematische
Architekturbehandlung macht die Erfüllung der beiden ersten Anforderungen
unmöglich, die Planbildung aber ist eben überhaupt die schwache Seite der
berliner Schule. Die Plantheilung sast sämmtlicher Projecte, um mit dieser
zu beginnen, ist schon in der Raumbenutzung eine ziemlich willkürliche. Der
gegebene Bauplatz, an der Durchkreuzung der Burgstraße und der Neuen
Friedrichsstraße gelegen, bietet nach beiden Seiten hin Fronte; die Bebauung
des Platzes nach der Straßenflucht ist aber schon ein sehr einfaches baupoli¬
zeiliches Erforderniß. Statt nun demgemäß die Fluchtlinie einzuhalten, läßt
die Gebäudemasse dieselbe meist unberührt und springt in willkürlichen Sprün¬
gen, Vor- und Rücklagen, mehr oder weniger hinter dieselbe zurück. Das
Liegenlassen von Terrain wird aber bei einem so theuern, kostbaren Boden
zur Verschwendung, bei einem so beschränkten Terrain, wie das gegebene,
gradezu zum Fehler, denn nur das Zusammenhalten der Maße kann bei ver¬
hältnißmäßig geringen Längen und der ohnehin durch festgestellte Maße be¬
schränkten Höhenentwicklung eine dem Wesen einer Börse entsprechende monu-


langte er von der Person, die bei ihm wachte, sie sollte ihm durchaus etwas
erzählen. Als diese nichts wußte, sagte er mit Eifer: „hat sie denn keine
Großmutter gehabt, die ihr Märchen erzählt hätte?" Den andern Morgen
wollte er sich heimlich aus dem Bette machen und aufstehen. Die Aufwär¬
terin kam dazu. „Was machen Sie denn, Herr Hofrath?" rief diese. Er im
Zorn: „pank Sie Sich zur Thür hinaus! Sie hindert mich allezeit, wenn ich
etwas unternehmen will." Amalie, seine Enkelin, mußte ihm fleißig auf dem
Clavier vorspielen. Das ergötzte ihn sehr, und er gab genau darauf Acht,
lobte und verbesserte sie. Noch am Abend war er sehr heiter, und sagte noch
ein hübsches Bonmot. Sie verließen ihn um halb zwölf Uhr, hörten ihn
noch ein wenig stöhnen, und als sie nachsähen, war er todt." —




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Die architektonischen Bestrebungen unserer Zeit.
2.

Wenden wir uns nun zu den Concurrenzentwürfen der berliner Schule:
einen Fortschritt über die bisherige berliner Kunstübung zeigen sie nirgend, weder
in Rücksicht auf die Behandlung des Materials, noch auf die Charakteristik des
Bauwerks, noch endlich auf die Bildung des Grundplans. Die schematische
Architekturbehandlung macht die Erfüllung der beiden ersten Anforderungen
unmöglich, die Planbildung aber ist eben überhaupt die schwache Seite der
berliner Schule. Die Plantheilung sast sämmtlicher Projecte, um mit dieser
zu beginnen, ist schon in der Raumbenutzung eine ziemlich willkürliche. Der
gegebene Bauplatz, an der Durchkreuzung der Burgstraße und der Neuen
Friedrichsstraße gelegen, bietet nach beiden Seiten hin Fronte; die Bebauung
des Platzes nach der Straßenflucht ist aber schon ein sehr einfaches baupoli¬
zeiliches Erforderniß. Statt nun demgemäß die Fluchtlinie einzuhalten, läßt
die Gebäudemasse dieselbe meist unberührt und springt in willkürlichen Sprün¬
gen, Vor- und Rücklagen, mehr oder weniger hinter dieselbe zurück. Das
Liegenlassen von Terrain wird aber bei einem so theuern, kostbaren Boden
zur Verschwendung, bei einem so beschränkten Terrain, wie das gegebene,
gradezu zum Fehler, denn nur das Zusammenhalten der Maße kann bei ver¬
hältnißmäßig geringen Längen und der ohnehin durch festgestellte Maße be¬
schränkten Höhenentwicklung eine dem Wesen einer Börse entsprechende monu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/60>, abgerufen am 24.07.2024.