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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Von der spanischen Nordküste.

Wie sehr auch seit den letzten Jahrzehnten die ganze Erde von Neu- und
Wißbegierigen nach allen Richtungen durchzogen worden ist, so enthält doch
selbst unser Welttheil noch manchen entlegenen Winkel, der. ob auch noch so
reich an Schönheiten und Interesse, doch selten einen Gast aus der Ferne an¬
lockt und wohin die ausgetretenen Bahnen der Touristen nicht reichen. In
einen solchen und zwar einen, der wahrhaftig nicht zu den reizlosesten Theilen
des westlichen Europas gehört, nämlich an die nördliche Küste der pyrenüi-
schen Halbinsel, führten mich meine persönlichen Verhältnisse gegen Ende des
Jahres 185? und fügten es, daß ich seitdem meinen bleibenden Wohnsitz
dort nahm.

Der bequemste und kürzeste Weg dahin führt von Paris aus über Nan¬
tes, welches mit Santander durch eine Dampfbootlinie in regelmäßiger Ver¬
bindung steht. Da aber der der Winterszeit wegen auf eine einmalige Fahrt
im Monat beschränkte Dienst auf derselben mich zu langem Verweilen in
Paris genöthigt haben würde, so fuhr ich nach Bayonne, in der Hoffnung,
dort eine günstigere Gelegenheit zum Weiterkommen zu finden. Allerdings
vermittelt ein spanisches Dampfboot allmonatlich einmal die Verbindung zwi¬
schen den wichtigsten Punkten der spanischen Nordküste bis nach Coruna; wollte
ich jedoch nicht wenigstens acht Tage aus seine Abfahrt warten, so blieb mir
nichts übrig, als zu Lande weiter nach Bilbao zu gehen, und man machte
mir Hoffnung, daß ich dort ein zeitiger abgehendes Boot treffen würde.
Denn ich hatte einmal den lebhaften Wunsch, zur See zu reisen, um nicht
in der Post den gewaltigen Bogen machen zu müssen, den die Straße nach
Oviedo über Burgos. Valladolid und Leon beschreibt. Die Fahrt nach Bil¬
bao in der Diligenza aus den ihrer Vortrefflichkeit wegen mit Recht berühm¬
ten Straßen Biscavas ging so rasch und gemächlich von statten, daß ich die
abschreckenden Vorstellungen von Reisen in Spanien ins Reich der Fabel zu
verweisen anfing, freilich nur um schon in den nächsten Tagen desto gründ¬
licher überzeugt zu werden, wie sehr sie gegründet sind. Bald kamen uns die


Grenzboten II. 1359.
Von der spanischen Nordküste.

Wie sehr auch seit den letzten Jahrzehnten die ganze Erde von Neu- und
Wißbegierigen nach allen Richtungen durchzogen worden ist, so enthält doch
selbst unser Welttheil noch manchen entlegenen Winkel, der. ob auch noch so
reich an Schönheiten und Interesse, doch selten einen Gast aus der Ferne an¬
lockt und wohin die ausgetretenen Bahnen der Touristen nicht reichen. In
einen solchen und zwar einen, der wahrhaftig nicht zu den reizlosesten Theilen
des westlichen Europas gehört, nämlich an die nördliche Küste der pyrenüi-
schen Halbinsel, führten mich meine persönlichen Verhältnisse gegen Ende des
Jahres 185? und fügten es, daß ich seitdem meinen bleibenden Wohnsitz
dort nahm.

Der bequemste und kürzeste Weg dahin führt von Paris aus über Nan¬
tes, welches mit Santander durch eine Dampfbootlinie in regelmäßiger Ver¬
bindung steht. Da aber der der Winterszeit wegen auf eine einmalige Fahrt
im Monat beschränkte Dienst auf derselben mich zu langem Verweilen in
Paris genöthigt haben würde, so fuhr ich nach Bayonne, in der Hoffnung,
dort eine günstigere Gelegenheit zum Weiterkommen zu finden. Allerdings
vermittelt ein spanisches Dampfboot allmonatlich einmal die Verbindung zwi¬
schen den wichtigsten Punkten der spanischen Nordküste bis nach Coruna; wollte
ich jedoch nicht wenigstens acht Tage aus seine Abfahrt warten, so blieb mir
nichts übrig, als zu Lande weiter nach Bilbao zu gehen, und man machte
mir Hoffnung, daß ich dort ein zeitiger abgehendes Boot treffen würde.
Denn ich hatte einmal den lebhaften Wunsch, zur See zu reisen, um nicht
in der Post den gewaltigen Bogen machen zu müssen, den die Straße nach
Oviedo über Burgos. Valladolid und Leon beschreibt. Die Fahrt nach Bil¬
bao in der Diligenza aus den ihrer Vortrefflichkeit wegen mit Recht berühm¬
ten Straßen Biscavas ging so rasch und gemächlich von statten, daß ich die
abschreckenden Vorstellungen von Reisen in Spanien ins Reich der Fabel zu
verweisen anfing, freilich nur um schon in den nächsten Tagen desto gründ¬
licher überzeugt zu werden, wie sehr sie gegründet sind. Bald kamen uns die


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[0091] Von der spanischen Nordküste. Wie sehr auch seit den letzten Jahrzehnten die ganze Erde von Neu- und Wißbegierigen nach allen Richtungen durchzogen worden ist, so enthält doch selbst unser Welttheil noch manchen entlegenen Winkel, der. ob auch noch so reich an Schönheiten und Interesse, doch selten einen Gast aus der Ferne an¬ lockt und wohin die ausgetretenen Bahnen der Touristen nicht reichen. In einen solchen und zwar einen, der wahrhaftig nicht zu den reizlosesten Theilen des westlichen Europas gehört, nämlich an die nördliche Küste der pyrenüi- schen Halbinsel, führten mich meine persönlichen Verhältnisse gegen Ende des Jahres 185? und fügten es, daß ich seitdem meinen bleibenden Wohnsitz dort nahm. Der bequemste und kürzeste Weg dahin führt von Paris aus über Nan¬ tes, welches mit Santander durch eine Dampfbootlinie in regelmäßiger Ver¬ bindung steht. Da aber der der Winterszeit wegen auf eine einmalige Fahrt im Monat beschränkte Dienst auf derselben mich zu langem Verweilen in Paris genöthigt haben würde, so fuhr ich nach Bayonne, in der Hoffnung, dort eine günstigere Gelegenheit zum Weiterkommen zu finden. Allerdings vermittelt ein spanisches Dampfboot allmonatlich einmal die Verbindung zwi¬ schen den wichtigsten Punkten der spanischen Nordküste bis nach Coruna; wollte ich jedoch nicht wenigstens acht Tage aus seine Abfahrt warten, so blieb mir nichts übrig, als zu Lande weiter nach Bilbao zu gehen, und man machte mir Hoffnung, daß ich dort ein zeitiger abgehendes Boot treffen würde. Denn ich hatte einmal den lebhaften Wunsch, zur See zu reisen, um nicht in der Post den gewaltigen Bogen machen zu müssen, den die Straße nach Oviedo über Burgos. Valladolid und Leon beschreibt. Die Fahrt nach Bil¬ bao in der Diligenza aus den ihrer Vortrefflichkeit wegen mit Recht berühm¬ ten Straßen Biscavas ging so rasch und gemächlich von statten, daß ich die abschreckenden Vorstellungen von Reisen in Spanien ins Reich der Fabel zu verweisen anfing, freilich nur um schon in den nächsten Tagen desto gründ¬ licher überzeugt zu werden, wie sehr sie gegründet sind. Bald kamen uns die Grenzboten II. 1359.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/91>, abgerufen am 22.12.2024.