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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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der unumschränkten Gewalt zu schmeicheln, l Die Loyalität Victor Emanuels
zog es vor, mit seinem Volk besiegt zu erscheinen, er sah mit gesundem Blick,
das; die Aufrechthaltung der repräsentativen Regierung in ihrer Grundver¬
schiedenheit mit der lombardischen Verwaltung ein moralischer Schlagbaum
und ein eventuelles Kriegsmittel gegen Oestreich sei. Und auch das Volk
liebt seine Institutionen sowol deshalb, weil sie "ntiöstreichisch als weil
sie liberal sind, und mehr aus ersterem als aus letzterem Grund trägt
es geduldig die schweren Steuern, welche ihm ein Kriegsbudget von vier¬
zig Mill. Franken und die vierzig Mill. Zinsen für die Staatsschuld auflegen.
Dank diesem Muthe repräsentirt Sardinien noch mehr als zuvor die Möglich¬
keit eines unabhängigen Italiens. Diese Idee spukt jetzt nicht blos im Kopfe
von Flüchtlingen, sondern wird durch einen organisirten Staat mit Heer,
Flotte, Budget und Diplomatie vertreten, an dessen Spitze eine der ältesten
Herrscherfamilien Europas steht.

Das italienische Interesse hat auch allein Sardinien am Krimkrieg theil-
nehmen lassen, der ihm wol große Opfer gekostet, aber es auch durch seine
active Politik sehr gehoben hat. Es war doch etwas, Oestreich zum Trotz sich
neben die Großmächte im Congreß zu setzen. Graf Cavour, der als Verkör¬
perung dieser sardinischen Politik gelten darf, hat dort die italienische Frage
zur Sprache gebracht, und von europäischen Staatsmännern ward anerkannt,
daß der Zustand Italiens bedenklich sei und ein Heilmittel erheische. Seit
jener Zeit sind die Verhältnisse in der Schwebe geblieben. Sardinien ver¬
suchte mehrmals einzelne Streitfälle mit andern italienischen Staaten durch-
zufechten, war aber dabei nicht glücklich. Von England in der Cagliarisache
unklug im Stich gelassen, neigte es sich immer mehr Frankreich zu, bis es zu
der jetzigen Allianz kam. Im dritten Artikel wollen wir sehen, welche Aus¬
sichten diese Italien bietet, zunächst aber die päpstliche Frage uns klar zu
machen suchen.




Russische Denkwürdigkeiten.

Memoiren der Kaiserin Katharina der Zweiten. Von ihr selbst geschrieben. Nebst
einer Vorrede von A. Herzen. Autorisirte deutsche Übersetzung. Hannover,
Rümplcr. --

Mir diesen Memoiren, die von 1744 bis 1759 reichen, hat es nach der
Angabe des Herausgebers folgende Bewandtniß.

Gleich nach dem Tode der Kaiserin ließ sie ihr Nachfolger versiegeln;


der unumschränkten Gewalt zu schmeicheln, l Die Loyalität Victor Emanuels
zog es vor, mit seinem Volk besiegt zu erscheinen, er sah mit gesundem Blick,
das; die Aufrechthaltung der repräsentativen Regierung in ihrer Grundver¬
schiedenheit mit der lombardischen Verwaltung ein moralischer Schlagbaum
und ein eventuelles Kriegsmittel gegen Oestreich sei. Und auch das Volk
liebt seine Institutionen sowol deshalb, weil sie «ntiöstreichisch als weil
sie liberal sind, und mehr aus ersterem als aus letzterem Grund trägt
es geduldig die schweren Steuern, welche ihm ein Kriegsbudget von vier¬
zig Mill. Franken und die vierzig Mill. Zinsen für die Staatsschuld auflegen.
Dank diesem Muthe repräsentirt Sardinien noch mehr als zuvor die Möglich¬
keit eines unabhängigen Italiens. Diese Idee spukt jetzt nicht blos im Kopfe
von Flüchtlingen, sondern wird durch einen organisirten Staat mit Heer,
Flotte, Budget und Diplomatie vertreten, an dessen Spitze eine der ältesten
Herrscherfamilien Europas steht.

Das italienische Interesse hat auch allein Sardinien am Krimkrieg theil-
nehmen lassen, der ihm wol große Opfer gekostet, aber es auch durch seine
active Politik sehr gehoben hat. Es war doch etwas, Oestreich zum Trotz sich
neben die Großmächte im Congreß zu setzen. Graf Cavour, der als Verkör¬
perung dieser sardinischen Politik gelten darf, hat dort die italienische Frage
zur Sprache gebracht, und von europäischen Staatsmännern ward anerkannt,
daß der Zustand Italiens bedenklich sei und ein Heilmittel erheische. Seit
jener Zeit sind die Verhältnisse in der Schwebe geblieben. Sardinien ver¬
suchte mehrmals einzelne Streitfälle mit andern italienischen Staaten durch-
zufechten, war aber dabei nicht glücklich. Von England in der Cagliarisache
unklug im Stich gelassen, neigte es sich immer mehr Frankreich zu, bis es zu
der jetzigen Allianz kam. Im dritten Artikel wollen wir sehen, welche Aus¬
sichten diese Italien bietet, zunächst aber die päpstliche Frage uns klar zu
machen suchen.




Russische Denkwürdigkeiten.

Memoiren der Kaiserin Katharina der Zweiten. Von ihr selbst geschrieben. Nebst
einer Vorrede von A. Herzen. Autorisirte deutsche Übersetzung. Hannover,
Rümplcr. —

Mir diesen Memoiren, die von 1744 bis 1759 reichen, hat es nach der
Angabe des Herausgebers folgende Bewandtniß.

Gleich nach dem Tode der Kaiserin ließ sie ihr Nachfolger versiegeln;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/80>, abgerufen am 22.12.2024.