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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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zeit, aus Meiningen (das Verhältniß mit Herder war durch Karoline völlig
wieder hergestellt*): "Meine Karoline ist nichts als die pure, lautere, gar mit
keinem Ich behaftete Liebe, trotz ihrer philosophischen Bildung durch Kiese-
Wetter." -- An Frau Herder, 18. März 1802: "Ich war in Hildburghausen,
sah die blühende Feuchtersleben. sprach sehr mit ihr und sagte still: Gott sei
Dank!" -- 22. April: "Eben kommt Frau v. Kalb. Ihre Erscheinung kommt
wie ein Frühling in den meiningischen Winter. Ihre Einsamkeit hat ihrer
Kraft eine bescheidene Stille gegeben. Auch meine Frau ehrt sie hoch." --
Von Karoline v. Feuchtersleben hören wir nichts weiter; Jean Paul erlebte
nach sehr glücklicher Ehe noch die silberne Hochzeit.




Prellers römische Mythologie.
Berlin, Weidmann.

Bekanntlich sind wir, besonders nach dem Vorgange unserer großen Dich¬
ter, gewohnt, die griechischen und römischen Götternamen ohne Unterschied zu
gebrauchen. Goethes Iphigenie ist eine Priesterin Dianens, nicht der Artemis,
Tantalvs wird zu Jovis. nicht zu Zeus Tische geladen, zu Prometheus reden
Minerva und Mercur, nicht Athene und Hermes. In den Göttern Griechen¬
lands ist diese Mischung der Gottheiten aus zwei verschiedenen Religionen auf
die Spitze getrieben: im Ganzen herrschen hier Vorstellungen aus dem grie¬
chischen Glauben und der griechischen Sage vor, aber sie sind durchaus mit
römischen und italienischen verwebt. Neben den griechischen Dryaden, Ore°
aber und Najaden erscheinen die italienischen Camenen, der Todesgott ist
ein römischer Genius und die Liebesgöttin heißt abwechselnd Venus Ama-
thusia und Cythere. Es fällt uns nicht ein, gegen die Fortdauer dieses Ge¬
brauchs etwas sagen zu wollen, da jetzt wol jedermann weiß, was er sich bei
den Namen zu denken hat: aber er hat doch lange Zeit dazu beigetragen, die
Begriffe des größern Publicums von römischer und griechischer Mythologie
ZU verwirren und namentlich die Vorstellung zu verbreiten, daß die Götter



-) An Otto, 28. Aug.: "Ich kam ohne Hoffnung der alten Liebe zu Herder, wegen
meines Umgangs mit den Schlegelisten, und erhielt eine wärmere, am meisten durch meine
Frau."

zeit, aus Meiningen (das Verhältniß mit Herder war durch Karoline völlig
wieder hergestellt*): „Meine Karoline ist nichts als die pure, lautere, gar mit
keinem Ich behaftete Liebe, trotz ihrer philosophischen Bildung durch Kiese-
Wetter." — An Frau Herder, 18. März 1802: „Ich war in Hildburghausen,
sah die blühende Feuchtersleben. sprach sehr mit ihr und sagte still: Gott sei
Dank!" — 22. April: „Eben kommt Frau v. Kalb. Ihre Erscheinung kommt
wie ein Frühling in den meiningischen Winter. Ihre Einsamkeit hat ihrer
Kraft eine bescheidene Stille gegeben. Auch meine Frau ehrt sie hoch." —
Von Karoline v. Feuchtersleben hören wir nichts weiter; Jean Paul erlebte
nach sehr glücklicher Ehe noch die silberne Hochzeit.




Prellers römische Mythologie.
Berlin, Weidmann.

Bekanntlich sind wir, besonders nach dem Vorgange unserer großen Dich¬
ter, gewohnt, die griechischen und römischen Götternamen ohne Unterschied zu
gebrauchen. Goethes Iphigenie ist eine Priesterin Dianens, nicht der Artemis,
Tantalvs wird zu Jovis. nicht zu Zeus Tische geladen, zu Prometheus reden
Minerva und Mercur, nicht Athene und Hermes. In den Göttern Griechen¬
lands ist diese Mischung der Gottheiten aus zwei verschiedenen Religionen auf
die Spitze getrieben: im Ganzen herrschen hier Vorstellungen aus dem grie¬
chischen Glauben und der griechischen Sage vor, aber sie sind durchaus mit
römischen und italienischen verwebt. Neben den griechischen Dryaden, Ore°
aber und Najaden erscheinen die italienischen Camenen, der Todesgott ist
ein römischer Genius und die Liebesgöttin heißt abwechselnd Venus Ama-
thusia und Cythere. Es fällt uns nicht ein, gegen die Fortdauer dieses Ge¬
brauchs etwas sagen zu wollen, da jetzt wol jedermann weiß, was er sich bei
den Namen zu denken hat: aber er hat doch lange Zeit dazu beigetragen, die
Begriffe des größern Publicums von römischer und griechischer Mythologie
ZU verwirren und namentlich die Vorstellung zu verbreiten, daß die Götter



-) An Otto, 28. Aug.: „Ich kam ohne Hoffnung der alten Liebe zu Herder, wegen
meines Umgangs mit den Schlegelisten, und erhielt eine wärmere, am meisten durch meine
Frau."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/391>, abgerufen am 22.12.2024.