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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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möchte sonst bis zu den Jncnnabcln zurückgehn. Noch haben wir die Situation
in Händen, aber es ist uns keine zu lange Frist gesteckt.

Wie ehrlich es die von Oestreich oder von den Inhabern östreichischer Papiere
inspinrten Blätter meinen, zeigt sich jetzt, da sie nach der Erklärung des preußischen
Ministers, die weiter geht als nöthig, in ihren Schmähungen gegen Preußen nicht blos
fortfahren, sondern sich überbieten. -- Die Nationalzcitung hat in diesen Tagen ein sehr
wahres Wort gesprochen: dem wir ganz beitreten, wenn durch die Anmaßung ein¬
zelner Staaten, Preußen durch Majvritätsschlüsse zu einer ihnen beliebigen Zeit in
den Krieg zu treiben, der Bund gesprengt wird, so hat Preußen die Verantwortung
für diesen Schritt abzulehnen, gleichviel ob man ihn rühmt oder verdammt. --> Die
kleinern Staaten sind an sich vollkommen in ihrem Recht, wenn sie Preußen nicht
blindlings folgen wollen; Preußen kann aber dasselbe Recht in Anspruch nehmen,
und da zur Einigkeit doch nothwendig gehört, daß der eine dem andern bis zu einer
gewissen Grenze nachgibt, so ist wol keine Frage, wem in diesem Wettstreit des
Patriotismus die meiste Nachgiebigkeit anzurathen ist: den Hilfesuchenden oder den
5 5 Hilfegcbendcn.




Literatur.

Bilder italienischen Landes und Lebens. Beiträge zur Physiognomik
Italiens und seiner Bewohner. 1. Bd. -- Berlin, 1859. Druck und Verlag von
E. S. Mittler und Sohn. -- Der Verfasser hat als Erzieher eines jungen floren¬
tinischen Adligen sechs Jahr (von 1847 bis 1853) in Toscana gelebt und dieses Groß-
herzogthum auf einer Reihe von Ausflügen nach allen, auch den unbekanntesten Theilen
kennen gelernt. Sein Zweck war, die empfangenen Eindrücke so wiederzugeben, daß sie
in der Phantasie des Lesers ein charakteristisches Totalbild der von ihm geschauten Land¬
schaften, Mensche" und Denkmäler erzeugten. Vorzüglich war es ihm um den physiogno-
mischen Charakter der Landschaft zu thun, eine Aufgabe, die ihm vorzüglich gut
gelungen ist. Er sieht gut, findet überall die rechten Farben und die rechte Stim¬
mung und bringt zu seinen Schilderungen die Liebe zum Detail mit, welche dem
Landschafts- und Sittenbilde allein Leben und Interesse gibt; dazu bewahrte
ihn sein langer Aufenthalt im Lande vor Irrthümern und vorschnellen Urtheilen,
und so unterscheidet sich sein Buch wesentlich von den Touristcnmachwerkcn, welche
die letzten Jahre brachten. Seine Schilderungen von Florenz. Pisa. Lucca. Massa.
Carrara und Livorno werden namentlich in jetziger Zeit lebhaftes Interesse erwecken.
Als das Gelungenste aber möchten wir seine Bilder aus dem Apennin und aus den
Maremmen bezeichnen. Ob der zweite Band, welcher Rom, Neapel und Sicilien
beschreiben soll, bei dem verhältnißmäßig kurzen Aufenthalt des Verfassers in diesen
Gegenden dem ersten entspricht, wird abzuwarten sein. Ist dies der Fall, so wird
B. das Ganze das Beste sein, was seit vielen Jahren über Italien erschienen ist.




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch -- Verlag von F. L. Herbig
w Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

möchte sonst bis zu den Jncnnabcln zurückgehn. Noch haben wir die Situation
in Händen, aber es ist uns keine zu lange Frist gesteckt.

Wie ehrlich es die von Oestreich oder von den Inhabern östreichischer Papiere
inspinrten Blätter meinen, zeigt sich jetzt, da sie nach der Erklärung des preußischen
Ministers, die weiter geht als nöthig, in ihren Schmähungen gegen Preußen nicht blos
fortfahren, sondern sich überbieten. — Die Nationalzcitung hat in diesen Tagen ein sehr
wahres Wort gesprochen: dem wir ganz beitreten, wenn durch die Anmaßung ein¬
zelner Staaten, Preußen durch Majvritätsschlüsse zu einer ihnen beliebigen Zeit in
den Krieg zu treiben, der Bund gesprengt wird, so hat Preußen die Verantwortung
für diesen Schritt abzulehnen, gleichviel ob man ihn rühmt oder verdammt. —> Die
kleinern Staaten sind an sich vollkommen in ihrem Recht, wenn sie Preußen nicht
blindlings folgen wollen; Preußen kann aber dasselbe Recht in Anspruch nehmen,
und da zur Einigkeit doch nothwendig gehört, daß der eine dem andern bis zu einer
gewissen Grenze nachgibt, so ist wol keine Frage, wem in diesem Wettstreit des
Patriotismus die meiste Nachgiebigkeit anzurathen ist: den Hilfesuchenden oder den
5 5 Hilfegcbendcn.




Literatur.

Bilder italienischen Landes und Lebens. Beiträge zur Physiognomik
Italiens und seiner Bewohner. 1. Bd. — Berlin, 1859. Druck und Verlag von
E. S. Mittler und Sohn. — Der Verfasser hat als Erzieher eines jungen floren¬
tinischen Adligen sechs Jahr (von 1847 bis 1853) in Toscana gelebt und dieses Groß-
herzogthum auf einer Reihe von Ausflügen nach allen, auch den unbekanntesten Theilen
kennen gelernt. Sein Zweck war, die empfangenen Eindrücke so wiederzugeben, daß sie
in der Phantasie des Lesers ein charakteristisches Totalbild der von ihm geschauten Land¬
schaften, Mensche» und Denkmäler erzeugten. Vorzüglich war es ihm um den physiogno-
mischen Charakter der Landschaft zu thun, eine Aufgabe, die ihm vorzüglich gut
gelungen ist. Er sieht gut, findet überall die rechten Farben und die rechte Stim¬
mung und bringt zu seinen Schilderungen die Liebe zum Detail mit, welche dem
Landschafts- und Sittenbilde allein Leben und Interesse gibt; dazu bewahrte
ihn sein langer Aufenthalt im Lande vor Irrthümern und vorschnellen Urtheilen,
und so unterscheidet sich sein Buch wesentlich von den Touristcnmachwerkcn, welche
die letzten Jahre brachten. Seine Schilderungen von Florenz. Pisa. Lucca. Massa.
Carrara und Livorno werden namentlich in jetziger Zeit lebhaftes Interesse erwecken.
Als das Gelungenste aber möchten wir seine Bilder aus dem Apennin und aus den
Maremmen bezeichnen. Ob der zweite Band, welcher Rom, Neapel und Sicilien
beschreiben soll, bei dem verhältnißmäßig kurzen Aufenthalt des Verfassers in diesen
Gegenden dem ersten entspricht, wird abzuwarten sein. Ist dies der Fall, so wird
B. das Ganze das Beste sein, was seit vielen Jahren über Italien erschienen ist.




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig
w Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/370>, abgerufen am 22.12.2024.