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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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mit dem Leben und diesen Zuständen versöhnt, Ueberall eine wüste Unord¬
nung, ein Gemisch von unreifem Hochmuth und Verschrobenheit. Wir glauben,
es kann dem deutschen Volk nicht gleichgiltig sein, so geschildert zu werden, um
so'weniger, da die Schilderungen nicht wahr sind, ja es würde eine nicht
geringe Kunst dazu gehören, in Deutschland eine solche Fülle von Zerrbildern
ciufzutreiben. als dieser Roman sie ausweist. Hochklingende Worte, an denen
es in der Vorrede nicht fehlt, verrathen ihre Absicht zu deutlich; wie es ihnen
aber gelingen kann, trotz ihrer Hohlheit wenigstens die Aufmerksamkeit auf
sich zu ziehn -- darüber Erklärungen zu geben, möchten wir noch gern ver¬
meiden.




Von der preußischen Grenze.

Daß die Kriegsbereitschaft von drei Armeecorps. unserm Bundescontingent, nicht
das letzte Wort unsrer Regierung in der großen Tagesfrage sein würde, konnte sich
jeder selbst sagen; wol aber mochte es manchen überraschen, daß die wettern mili¬
tärischen und finanziellen Vorlagen so schnell aus die ersten folgten. Auch wir
versteh" nicht, woher diese Beschleunigung kommt, da diese Maßregeln sehr viel kosten
und da eine unmittelbare Betheiligung am Kriege nicht in der Absicht zu liegen
scheint; aber wir glauben gern, daß der Regierung Thatsachen bekannt sind, von
denen wir nichts wissen und die eine schnellere Rüstung aus alle Gefahr hin erfor¬
derlich machen. Um fo nothwendiger wird es aber jetzt, wo die Action wirklich
beginnt, daß unsere Negierung sich über das, was sie vorhat, unserem und dem deut¬
schen Volk, fo wie den deutschen Bundesregierungen gegenüber klar und energisch
ausspricht.

Eine solche Offenheit ist jetzt doppelt nöthig, da die öffentliche Meinung, in
ruhigen Zeiten freilich etwas sehr Gleichgiltiges, jetzt anfängt eine ernste und ge¬
fährliche Macht zu werden. Es liegt in dieser Erhebung des deutschen Nationalgefühls
und schon in der Möglichkeit derselben etwas sehr Edles, etwas sehr Werthvolles sür
unsere Zukunft, und wenn wir auch nicht der Ansicht sind, daß dieselbe jetzt die
richtige Strömung gefunden hat. fo trägt die Schuld wahrlich nicht das deutsche
Volk. Die Erinnerung an Deutschlands Schmach in den Jahren 1805--1813.
die leidenschaftliche Erregung gegen den großen Friedensstörer, der unabsehbares
Elend über den ganzen Kontinent zu bringen droht, diese Gefühle suchen nach
einem thatkräftigen Ausdruck, und da die öffentliche Meinung sich stets demjenigen
""schließt, der die kräftigste und entschiedenste Action entfaltet, fo ist es sehr begreif¬
lich, daß der bei weitem größere Theil des deutschen Publicums mit seinen Gefühlen
dem östreichischen Heerlager folgt, dessen Fahnen wenigstens dem Anschein nach die
deutsche Sache vertreten. Was man auch der östreichischen Regierung vorwerfen
'"ag, Schwäche hat sie nicht gezeigt, und dem Starken und Entschlossenen folgt
ebenso der Feige wie der Muthige.

Diese Bewegung innerhalb des Volks ist so stark geworden, daß die deutschen
Regierungen, von denen ohnehin ein Theil mit dem Volk sympathisirt, ihr auf die


mit dem Leben und diesen Zuständen versöhnt, Ueberall eine wüste Unord¬
nung, ein Gemisch von unreifem Hochmuth und Verschrobenheit. Wir glauben,
es kann dem deutschen Volk nicht gleichgiltig sein, so geschildert zu werden, um
so'weniger, da die Schilderungen nicht wahr sind, ja es würde eine nicht
geringe Kunst dazu gehören, in Deutschland eine solche Fülle von Zerrbildern
ciufzutreiben. als dieser Roman sie ausweist. Hochklingende Worte, an denen
es in der Vorrede nicht fehlt, verrathen ihre Absicht zu deutlich; wie es ihnen
aber gelingen kann, trotz ihrer Hohlheit wenigstens die Aufmerksamkeit auf
sich zu ziehn — darüber Erklärungen zu geben, möchten wir noch gern ver¬
meiden.




Von der preußischen Grenze.

Daß die Kriegsbereitschaft von drei Armeecorps. unserm Bundescontingent, nicht
das letzte Wort unsrer Regierung in der großen Tagesfrage sein würde, konnte sich
jeder selbst sagen; wol aber mochte es manchen überraschen, daß die wettern mili¬
tärischen und finanziellen Vorlagen so schnell aus die ersten folgten. Auch wir
versteh» nicht, woher diese Beschleunigung kommt, da diese Maßregeln sehr viel kosten
und da eine unmittelbare Betheiligung am Kriege nicht in der Absicht zu liegen
scheint; aber wir glauben gern, daß der Regierung Thatsachen bekannt sind, von
denen wir nichts wissen und die eine schnellere Rüstung aus alle Gefahr hin erfor¬
derlich machen. Um fo nothwendiger wird es aber jetzt, wo die Action wirklich
beginnt, daß unsere Negierung sich über das, was sie vorhat, unserem und dem deut¬
schen Volk, fo wie den deutschen Bundesregierungen gegenüber klar und energisch
ausspricht.

Eine solche Offenheit ist jetzt doppelt nöthig, da die öffentliche Meinung, in
ruhigen Zeiten freilich etwas sehr Gleichgiltiges, jetzt anfängt eine ernste und ge¬
fährliche Macht zu werden. Es liegt in dieser Erhebung des deutschen Nationalgefühls
und schon in der Möglichkeit derselben etwas sehr Edles, etwas sehr Werthvolles sür
unsere Zukunft, und wenn wir auch nicht der Ansicht sind, daß dieselbe jetzt die
richtige Strömung gefunden hat. fo trägt die Schuld wahrlich nicht das deutsche
Volk. Die Erinnerung an Deutschlands Schmach in den Jahren 1805—1813.
die leidenschaftliche Erregung gegen den großen Friedensstörer, der unabsehbares
Elend über den ganzen Kontinent zu bringen droht, diese Gefühle suchen nach
einem thatkräftigen Ausdruck, und da die öffentliche Meinung sich stets demjenigen
«"schließt, der die kräftigste und entschiedenste Action entfaltet, fo ist es sehr begreif¬
lich, daß der bei weitem größere Theil des deutschen Publicums mit seinen Gefühlen
dem östreichischen Heerlager folgt, dessen Fahnen wenigstens dem Anschein nach die
deutsche Sache vertreten. Was man auch der östreichischen Regierung vorwerfen
'"ag, Schwäche hat sie nicht gezeigt, und dem Starken und Entschlossenen folgt
ebenso der Feige wie der Muthige.

Diese Bewegung innerhalb des Volks ist so stark geworden, daß die deutschen
Regierungen, von denen ohnehin ein Theil mit dem Volk sympathisirt, ihr auf die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/287>, abgerufen am 22.12.2024.