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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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hat, nur zu Gunsten Rußlands ausfallen kann. Eine russisch-französische Allianz
ist die Gefahr, die bereits seit 1807 Nuropa bedroht. Sie wurde.damals nur durch
den maßlosen Ehrgeiz Napoleons I. abgewandt, sie ist in diesem Augenblick uur
darum weniger zu fürchte", weil Rußland zu erschöpft ist, um im Lauf der nächsten
Jahre an ein aggressives Verfahren zu denken, aber sie ist darum noch keineswegs
beseitigt, und der Staat, der hier wie in Italien zunächst gefährdet ist, Oestreich,
hat alle Ursache auf seiner Hut zu sein. Allein kaun es einem Bündniß von Frank¬
reich und Nußland nicht widerstehen, denn was für Bundesgenossen dem ersteren
unter Umständen sich bieten, darauf wirft der Proceß Bnngyn ein eigenthümliches
Licht. Die alten ungarischen und italienischen Verschwörer von Profession werden
allenfalls auch russisch, wenn es gegen Oestreich geht. Oestreich findet nur zwei
Bundesgenossen, die ihm eine genügende Sicherheit geben können. Preußen und
England. Durch eine eigenthümliche Verkettung von Umstünden ist der erstere Staat
jetzt gleichfalls in der Lage, mit seinem Willen nicht hervortreten zu können; aber
der Augenblick wird doch nicht'ausbleiben, wo dies Verhältniß sich wendet und dann
legt Preußen ein entscheidendes Gewicht in die Wagschale der großen europäischen
Parteien. Mit einer Politik, in der nur der Kurzsichtige Klugheit findet, hat Oest¬
reich bis jetzt jede Gelegenheit benutzt, allen wahren und vermeintlichen Interessen
Preußens hemmend in den Weg zu treten und dem stammverwandten Staat Krän-
kungen zuzufügen, die man nur im Augenblick zwingender Nothwendigkeit vergißt.
Es ist hohe Zeit, eine andere Bahn einzuschlagen. Die Chimäre eines mitteleuro¬
päischen Kaiserreichs kann wol als ein Spielwerk müßiger Stunden, aber nicht als
die consequente Idee eines Staatsmanns betrachtet werden. Es war die größte
Thorheit der östreichischen Staatsmänner, ihr Heil in der Schwächung Preußens zu
suchen; ganz abgesehen davon, daß man in der Politik wie im bürgerlichen Leben
eine wirksame Hilfe nur gegen ein entsprechendes Äquivalent erwirbt, ist die Sicher¬
heit Oestreichs daran geknüpft, daß ihm ein starkes, in seiner Kraftentwicklung un¬
gehindertes Preußen zur Seite steht. Es ist bei dem guten Willen der beiderseitigen
Staatsmänner sehr leicht und es wäre ein Gewinn für ganz Deutschland, daß
beide Staaten ihre eigenen und Dentschlands Zwecke gemeinschaftlich durchführen;
sonst aber könnten Umstände eintreten, die eine Wiederaufnahme der Politik von
1795 und 18Ul>, die traurigste für Deutschland, sehr nahe legten und für Preu¬
ßen weniger gefährlich machten, als es damals der Fall war. Die Regierungen
haben uns vor zehn Jahren so eindringlich zugerufen, man solle nicht mit Phrasen
und Abstractionen, sondern mit Thatsachen rechnen, daß wir wohl berechtigt sind,
ihnen diese Ermahnung zurückzugeben.




Das Vermächtnis; des Freiherrn von Wummern an die Schillerstiftnng
zu Leipzig.

Durch diese kleine Broschüre wird ein Rechtsstreit, der sich bisher des un¬
zweckmäßigen Mittels eines literarischen Sccmdals bediente, in die angemessene


hat, nur zu Gunsten Rußlands ausfallen kann. Eine russisch-französische Allianz
ist die Gefahr, die bereits seit 1807 Nuropa bedroht. Sie wurde.damals nur durch
den maßlosen Ehrgeiz Napoleons I. abgewandt, sie ist in diesem Augenblick uur
darum weniger zu fürchte», weil Rußland zu erschöpft ist, um im Lauf der nächsten
Jahre an ein aggressives Verfahren zu denken, aber sie ist darum noch keineswegs
beseitigt, und der Staat, der hier wie in Italien zunächst gefährdet ist, Oestreich,
hat alle Ursache auf seiner Hut zu sein. Allein kaun es einem Bündniß von Frank¬
reich und Nußland nicht widerstehen, denn was für Bundesgenossen dem ersteren
unter Umständen sich bieten, darauf wirft der Proceß Bnngyn ein eigenthümliches
Licht. Die alten ungarischen und italienischen Verschwörer von Profession werden
allenfalls auch russisch, wenn es gegen Oestreich geht. Oestreich findet nur zwei
Bundesgenossen, die ihm eine genügende Sicherheit geben können. Preußen und
England. Durch eine eigenthümliche Verkettung von Umstünden ist der erstere Staat
jetzt gleichfalls in der Lage, mit seinem Willen nicht hervortreten zu können; aber
der Augenblick wird doch nicht'ausbleiben, wo dies Verhältniß sich wendet und dann
legt Preußen ein entscheidendes Gewicht in die Wagschale der großen europäischen
Parteien. Mit einer Politik, in der nur der Kurzsichtige Klugheit findet, hat Oest¬
reich bis jetzt jede Gelegenheit benutzt, allen wahren und vermeintlichen Interessen
Preußens hemmend in den Weg zu treten und dem stammverwandten Staat Krän-
kungen zuzufügen, die man nur im Augenblick zwingender Nothwendigkeit vergißt.
Es ist hohe Zeit, eine andere Bahn einzuschlagen. Die Chimäre eines mitteleuro¬
päischen Kaiserreichs kann wol als ein Spielwerk müßiger Stunden, aber nicht als
die consequente Idee eines Staatsmanns betrachtet werden. Es war die größte
Thorheit der östreichischen Staatsmänner, ihr Heil in der Schwächung Preußens zu
suchen; ganz abgesehen davon, daß man in der Politik wie im bürgerlichen Leben
eine wirksame Hilfe nur gegen ein entsprechendes Äquivalent erwirbt, ist die Sicher¬
heit Oestreichs daran geknüpft, daß ihm ein starkes, in seiner Kraftentwicklung un¬
gehindertes Preußen zur Seite steht. Es ist bei dem guten Willen der beiderseitigen
Staatsmänner sehr leicht und es wäre ein Gewinn für ganz Deutschland, daß
beide Staaten ihre eigenen und Dentschlands Zwecke gemeinschaftlich durchführen;
sonst aber könnten Umstände eintreten, die eine Wiederaufnahme der Politik von
1795 und 18Ul>, die traurigste für Deutschland, sehr nahe legten und für Preu¬
ßen weniger gefährlich machten, als es damals der Fall war. Die Regierungen
haben uns vor zehn Jahren so eindringlich zugerufen, man solle nicht mit Phrasen
und Abstractionen, sondern mit Thatsachen rechnen, daß wir wohl berechtigt sind,
ihnen diese Ermahnung zurückzugeben.




Das Vermächtnis; des Freiherrn von Wummern an die Schillerstiftnng
zu Leipzig.

Durch diese kleine Broschüre wird ein Rechtsstreit, der sich bisher des un¬
zweckmäßigen Mittels eines literarischen Sccmdals bediente, in die angemessene


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[0326] hat, nur zu Gunsten Rußlands ausfallen kann. Eine russisch-französische Allianz ist die Gefahr, die bereits seit 1807 Nuropa bedroht. Sie wurde.damals nur durch den maßlosen Ehrgeiz Napoleons I. abgewandt, sie ist in diesem Augenblick uur darum weniger zu fürchte», weil Rußland zu erschöpft ist, um im Lauf der nächsten Jahre an ein aggressives Verfahren zu denken, aber sie ist darum noch keineswegs beseitigt, und der Staat, der hier wie in Italien zunächst gefährdet ist, Oestreich, hat alle Ursache auf seiner Hut zu sein. Allein kaun es einem Bündniß von Frank¬ reich und Nußland nicht widerstehen, denn was für Bundesgenossen dem ersteren unter Umständen sich bieten, darauf wirft der Proceß Bnngyn ein eigenthümliches Licht. Die alten ungarischen und italienischen Verschwörer von Profession werden allenfalls auch russisch, wenn es gegen Oestreich geht. Oestreich findet nur zwei Bundesgenossen, die ihm eine genügende Sicherheit geben können. Preußen und England. Durch eine eigenthümliche Verkettung von Umstünden ist der erstere Staat jetzt gleichfalls in der Lage, mit seinem Willen nicht hervortreten zu können; aber der Augenblick wird doch nicht'ausbleiben, wo dies Verhältniß sich wendet und dann legt Preußen ein entscheidendes Gewicht in die Wagschale der großen europäischen Parteien. Mit einer Politik, in der nur der Kurzsichtige Klugheit findet, hat Oest¬ reich bis jetzt jede Gelegenheit benutzt, allen wahren und vermeintlichen Interessen Preußens hemmend in den Weg zu treten und dem stammverwandten Staat Krän- kungen zuzufügen, die man nur im Augenblick zwingender Nothwendigkeit vergißt. Es ist hohe Zeit, eine andere Bahn einzuschlagen. Die Chimäre eines mitteleuro¬ päischen Kaiserreichs kann wol als ein Spielwerk müßiger Stunden, aber nicht als die consequente Idee eines Staatsmanns betrachtet werden. Es war die größte Thorheit der östreichischen Staatsmänner, ihr Heil in der Schwächung Preußens zu suchen; ganz abgesehen davon, daß man in der Politik wie im bürgerlichen Leben eine wirksame Hilfe nur gegen ein entsprechendes Äquivalent erwirbt, ist die Sicher¬ heit Oestreichs daran geknüpft, daß ihm ein starkes, in seiner Kraftentwicklung un¬ gehindertes Preußen zur Seite steht. Es ist bei dem guten Willen der beiderseitigen Staatsmänner sehr leicht und es wäre ein Gewinn für ganz Deutschland, daß beide Staaten ihre eigenen und Dentschlands Zwecke gemeinschaftlich durchführen; sonst aber könnten Umstände eintreten, die eine Wiederaufnahme der Politik von 1795 und 18Ul>, die traurigste für Deutschland, sehr nahe legten und für Preu¬ ßen weniger gefährlich machten, als es damals der Fall war. Die Regierungen haben uns vor zehn Jahren so eindringlich zugerufen, man solle nicht mit Phrasen und Abstractionen, sondern mit Thatsachen rechnen, daß wir wohl berechtigt sind, ihnen diese Ermahnung zurückzugeben. Das Vermächtnis; des Freiherrn von Wummern an die Schillerstiftnng zu Leipzig. Durch diese kleine Broschüre wird ein Rechtsstreit, der sich bisher des un¬ zweckmäßigen Mittels eines literarischen Sccmdals bediente, in die angemessene

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/326>, abgerufen am 30.12.2024.