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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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besitz und die Ernte nicht blos den vierten Theil der Steuersumme liefern,
welche sie liefern würden, wenn jener Artikel des Halt in Ausführung ge¬
bracht würde. Es ist hiermit so wie es früher in vielen katholischen Ländern
war, wo die Geistlichkeit einen großen Theil des. Grundes und Bodens besaß
und keine Steuern entrichtete. In der Türkei sind die Ulema im Besitz von
mehr als drei Fünftheilen des Gebietes des Reiches, und bis jetzt waren sie
vollkommen steuerfrei. Eine Aufhebung dieses widernatürlichen Zustandes
würde eine beträchtliche Erleichterung der übrigen Steuerpflichtigen gestatten
und trotzdem die Einkünfte des Staats verdoppeln. Eine andere Maßregel
der Reform wäre die Aufhebung der Privilegien, nach welchen Konstantinopel
und seine Bannmeile von der Vermögenssteuer frei ist. Die Hauptstadt mit
ihrer Umgebung vertritt nach neuern Berechnungen etwa den fünfundzwanzig-
sten Theil der Bevölkerung der Türkei, und sie würde vielleicht den fünften
Theil der Einkünfte des Reiches vertreten, sobald jener Artikel eine Wahr¬
heit würde.

Es ließe sich noch Mancherlei über andere Reformen sagen, über die Mi߬
bräuche bei der Einhebung der Steuern und vorzüglich der Zehnten, über die
Vortheile einer directen EinHebung der Zehnten durch den Staat statt durch
Pächter, welche niemals den Pacht zahlen, den sie im Verhältniß zu ihrem
Gewinn entrichten sollten. Allein dies setzte eine gründliche Reinigung der
Bcamtenatmospliäre voraus, und diese wird noch lange ein frommer Wunsch
bleiben. Das, worauf es uns hier ankam, war nur zu zeigen, daß man
keine Ursache hat, die finanziellen Zustünde der Türkei für unheilbar zu hal¬
ten, und daß wenigstens Einiges geschehen ist, um Abhilfe zu schaffen.




Literatur.

Rellstabs zchnbändigcr Roman: "Drei Jahre von dreißiger", (Leipzig,
Brockhaus) ist nun vollendet; die Greuelthaten der Jesuiten in der Anschürung des
dreißigjährigen Krieges sind mit größter Anschaulichkeit vergegenwärtigt, ebenso die
Halbheit und Schwäche ihrer Gegner. -- Kingsleys geistvoller Roman "Hypatia",
den wir in diesen Blättern bereits besprochen, hat in Sophie v. Gilsa (Leipzig,
Brockhaus) eine Uebersetzerin gefunden; über die Tendenz des Werkes spricht sich Frh-
v. Bunsen in der Vorrede aus. -- Fr. Gcrstcickers: "Gold! ein calisornisches
Lebensbild von 1849" (3 Bd., Leipzig, Costenoble) schildert die neuesten Zustände


besitz und die Ernte nicht blos den vierten Theil der Steuersumme liefern,
welche sie liefern würden, wenn jener Artikel des Halt in Ausführung ge¬
bracht würde. Es ist hiermit so wie es früher in vielen katholischen Ländern
war, wo die Geistlichkeit einen großen Theil des. Grundes und Bodens besaß
und keine Steuern entrichtete. In der Türkei sind die Ulema im Besitz von
mehr als drei Fünftheilen des Gebietes des Reiches, und bis jetzt waren sie
vollkommen steuerfrei. Eine Aufhebung dieses widernatürlichen Zustandes
würde eine beträchtliche Erleichterung der übrigen Steuerpflichtigen gestatten
und trotzdem die Einkünfte des Staats verdoppeln. Eine andere Maßregel
der Reform wäre die Aufhebung der Privilegien, nach welchen Konstantinopel
und seine Bannmeile von der Vermögenssteuer frei ist. Die Hauptstadt mit
ihrer Umgebung vertritt nach neuern Berechnungen etwa den fünfundzwanzig-
sten Theil der Bevölkerung der Türkei, und sie würde vielleicht den fünften
Theil der Einkünfte des Reiches vertreten, sobald jener Artikel eine Wahr¬
heit würde.

Es ließe sich noch Mancherlei über andere Reformen sagen, über die Mi߬
bräuche bei der Einhebung der Steuern und vorzüglich der Zehnten, über die
Vortheile einer directen EinHebung der Zehnten durch den Staat statt durch
Pächter, welche niemals den Pacht zahlen, den sie im Verhältniß zu ihrem
Gewinn entrichten sollten. Allein dies setzte eine gründliche Reinigung der
Bcamtenatmospliäre voraus, und diese wird noch lange ein frommer Wunsch
bleiben. Das, worauf es uns hier ankam, war nur zu zeigen, daß man
keine Ursache hat, die finanziellen Zustünde der Türkei für unheilbar zu hal¬
ten, und daß wenigstens Einiges geschehen ist, um Abhilfe zu schaffen.




Literatur.

Rellstabs zchnbändigcr Roman: „Drei Jahre von dreißiger", (Leipzig,
Brockhaus) ist nun vollendet; die Greuelthaten der Jesuiten in der Anschürung des
dreißigjährigen Krieges sind mit größter Anschaulichkeit vergegenwärtigt, ebenso die
Halbheit und Schwäche ihrer Gegner. — Kingsleys geistvoller Roman „Hypatia",
den wir in diesen Blättern bereits besprochen, hat in Sophie v. Gilsa (Leipzig,
Brockhaus) eine Uebersetzerin gefunden; über die Tendenz des Werkes spricht sich Frh-
v. Bunsen in der Vorrede aus. — Fr. Gcrstcickers: „Gold! ein calisornisches
Lebensbild von 1849" (3 Bd., Leipzig, Costenoble) schildert die neuesten Zustände


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/406>, abgerufen am 03.07.2024.