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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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das zerstreute Treiben der Gelehrten centralisirend, die Studirstube popularisirend, immer
im Besondern das Allgemeine, im Ideal den bestimmten Zweck festhaltend. So war er
ein deutscher Bürger in der gesunden Bedeutung des Worts. Er war es aber noch in
einem höheren Sinn, in einer Richtung, die leider unserm Bürgerthum noch immer
zu fern liegt. Er konnte sich das^ Leben nicht denken, ohne eine ernste und uner¬
müdliche Betheiligung am Staat. In den schweren Jahren, die wir durchgemacht,
hat er nicht einen Augenblick abgelassen, nicht einen Augenblick dem Mißmuth nach¬
gegeben, und wenn er jenes Feuers, jenes edlen Zornes über das Schlechte im hohen
Grade fähig war, dessen Abwesenheit mitunter die Platte Alltäglichkeit sich selbst als
einen Vorzug einredet, so wurde dieses Feuer durch eine Besonnenheit ausgeglichen,
die im Augenblick wie im gesammten Lauf der Entwicklung stets das Wesentliche
vom Zufälligen zu unterscheiden wußte. Wer an dialektischer Gewandtheit, an Viel¬
seitigkeit der Gesichtspunkte, anch wol an Dctculkenntniß ihm überlegen war,
stand nicht selten beschämt vor der Ataraxie dieses gesunden Menschenverstandes
und vor der Jntensivität dieses Rechtsgefühls. Sein Tod ist ein schwerer, ein un¬
ersetzlicher Verlust, aber sein Andenken mag seinen Freunden stets ins Gedächtniß
rufen, daß auch in den verworrensten Zeitströmungen der Compaß nicht fehlt, wenn
man sich selbst treu bleibt.




Literatur.

Der hohe Norden im Natur- und Menschenleben. Dargestellt von Dr.
Georg Hartwig. Erste Lieferung. Mit einer Karte. Wiesbaden, Kreidel und nied-
rer. 1858. --- Ein Compilationswcrk, welches ein Seitenstück zu den neulich von
uns angezeigten Reisen in Centralafrika von Dr. Schaumburg bildet, und über
welches wir nach Vollendung des Ganzen ausführlicher Bericht erstatten werden. Für
jetzt begnügen wir uns zu bemerken, daß der Verfasser neben der Schilderung der
Pflanzen und Thiere, der Völker und Stämme des Nordens auch die Hauptereig-
nisse der Geschichte jener Länder und den Lebensgang der Männer in das Bereich
seiner Darstellung ziehen wird, welche hier als Forscher und Entdecker das Material
unsers Wissens von diesen Regionen sammelten. Das erste Heft gibt zunächst einen
Ueberblick über die Polarländer und das Polarmeer, charakterisirt das Volk der
Lappen, erzählt ferner die Reisen des bekannten finnischen Sprachforschers CastrcN
unter den nordeuropüischcn und sibirischen Polarmenschen und geht dann auf die
Samojeden über. Das nächste wird die Ostjaken schildern und die Eroberung Si-
biriens durch die Russen erzählen. Die Darstellung ist anschaulich, doch würde das
Buch gewonnen haben, wenn das Geschichtliche darin von dem Geographischen ge¬
schieden und -- etwa in einem ersten Kapitel -- für sich behandelt wäre. --




Verantwortlicher Redacteur: 0. Moritz Busch -- Verlag von F. L. Herbig
ni Leipzig.
Druck von C, E, Elbert in Leipzig,

das zerstreute Treiben der Gelehrten centralisirend, die Studirstube popularisirend, immer
im Besondern das Allgemeine, im Ideal den bestimmten Zweck festhaltend. So war er
ein deutscher Bürger in der gesunden Bedeutung des Worts. Er war es aber noch in
einem höheren Sinn, in einer Richtung, die leider unserm Bürgerthum noch immer
zu fern liegt. Er konnte sich das^ Leben nicht denken, ohne eine ernste und uner¬
müdliche Betheiligung am Staat. In den schweren Jahren, die wir durchgemacht,
hat er nicht einen Augenblick abgelassen, nicht einen Augenblick dem Mißmuth nach¬
gegeben, und wenn er jenes Feuers, jenes edlen Zornes über das Schlechte im hohen
Grade fähig war, dessen Abwesenheit mitunter die Platte Alltäglichkeit sich selbst als
einen Vorzug einredet, so wurde dieses Feuer durch eine Besonnenheit ausgeglichen,
die im Augenblick wie im gesammten Lauf der Entwicklung stets das Wesentliche
vom Zufälligen zu unterscheiden wußte. Wer an dialektischer Gewandtheit, an Viel¬
seitigkeit der Gesichtspunkte, anch wol an Dctculkenntniß ihm überlegen war,
stand nicht selten beschämt vor der Ataraxie dieses gesunden Menschenverstandes
und vor der Jntensivität dieses Rechtsgefühls. Sein Tod ist ein schwerer, ein un¬
ersetzlicher Verlust, aber sein Andenken mag seinen Freunden stets ins Gedächtniß
rufen, daß auch in den verworrensten Zeitströmungen der Compaß nicht fehlt, wenn
man sich selbst treu bleibt.




Literatur.

Der hohe Norden im Natur- und Menschenleben. Dargestellt von Dr.
Georg Hartwig. Erste Lieferung. Mit einer Karte. Wiesbaden, Kreidel und nied-
rer. 1858. -— Ein Compilationswcrk, welches ein Seitenstück zu den neulich von
uns angezeigten Reisen in Centralafrika von Dr. Schaumburg bildet, und über
welches wir nach Vollendung des Ganzen ausführlicher Bericht erstatten werden. Für
jetzt begnügen wir uns zu bemerken, daß der Verfasser neben der Schilderung der
Pflanzen und Thiere, der Völker und Stämme des Nordens auch die Hauptereig-
nisse der Geschichte jener Länder und den Lebensgang der Männer in das Bereich
seiner Darstellung ziehen wird, welche hier als Forscher und Entdecker das Material
unsers Wissens von diesen Regionen sammelten. Das erste Heft gibt zunächst einen
Ueberblick über die Polarländer und das Polarmeer, charakterisirt das Volk der
Lappen, erzählt ferner die Reisen des bekannten finnischen Sprachforschers CastrcN
unter den nordeuropüischcn und sibirischen Polarmenschen und geht dann auf die
Samojeden über. Das nächste wird die Ostjaken schildern und die Eroberung Si-
biriens durch die Russen erzählen. Die Darstellung ist anschaulich, doch würde das
Buch gewonnen haben, wenn das Geschichtliche darin von dem Geographischen ge¬
schieden und — etwa in einem ersten Kapitel — für sich behandelt wäre. —




Verantwortlicher Redacteur: 0. Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig
ni Leipzig.
Druck von C, E, Elbert in Leipzig,
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[0288] das zerstreute Treiben der Gelehrten centralisirend, die Studirstube popularisirend, immer im Besondern das Allgemeine, im Ideal den bestimmten Zweck festhaltend. So war er ein deutscher Bürger in der gesunden Bedeutung des Worts. Er war es aber noch in einem höheren Sinn, in einer Richtung, die leider unserm Bürgerthum noch immer zu fern liegt. Er konnte sich das^ Leben nicht denken, ohne eine ernste und uner¬ müdliche Betheiligung am Staat. In den schweren Jahren, die wir durchgemacht, hat er nicht einen Augenblick abgelassen, nicht einen Augenblick dem Mißmuth nach¬ gegeben, und wenn er jenes Feuers, jenes edlen Zornes über das Schlechte im hohen Grade fähig war, dessen Abwesenheit mitunter die Platte Alltäglichkeit sich selbst als einen Vorzug einredet, so wurde dieses Feuer durch eine Besonnenheit ausgeglichen, die im Augenblick wie im gesammten Lauf der Entwicklung stets das Wesentliche vom Zufälligen zu unterscheiden wußte. Wer an dialektischer Gewandtheit, an Viel¬ seitigkeit der Gesichtspunkte, anch wol an Dctculkenntniß ihm überlegen war, stand nicht selten beschämt vor der Ataraxie dieses gesunden Menschenverstandes und vor der Jntensivität dieses Rechtsgefühls. Sein Tod ist ein schwerer, ein un¬ ersetzlicher Verlust, aber sein Andenken mag seinen Freunden stets ins Gedächtniß rufen, daß auch in den verworrensten Zeitströmungen der Compaß nicht fehlt, wenn man sich selbst treu bleibt. Literatur. Der hohe Norden im Natur- und Menschenleben. Dargestellt von Dr. Georg Hartwig. Erste Lieferung. Mit einer Karte. Wiesbaden, Kreidel und nied- rer. 1858. -— Ein Compilationswcrk, welches ein Seitenstück zu den neulich von uns angezeigten Reisen in Centralafrika von Dr. Schaumburg bildet, und über welches wir nach Vollendung des Ganzen ausführlicher Bericht erstatten werden. Für jetzt begnügen wir uns zu bemerken, daß der Verfasser neben der Schilderung der Pflanzen und Thiere, der Völker und Stämme des Nordens auch die Hauptereig- nisse der Geschichte jener Länder und den Lebensgang der Männer in das Bereich seiner Darstellung ziehen wird, welche hier als Forscher und Entdecker das Material unsers Wissens von diesen Regionen sammelten. Das erste Heft gibt zunächst einen Ueberblick über die Polarländer und das Polarmeer, charakterisirt das Volk der Lappen, erzählt ferner die Reisen des bekannten finnischen Sprachforschers CastrcN unter den nordeuropüischcn und sibirischen Polarmenschen und geht dann auf die Samojeden über. Das nächste wird die Ostjaken schildern und die Eroberung Si- biriens durch die Russen erzählen. Die Darstellung ist anschaulich, doch würde das Buch gewonnen haben, wenn das Geschichtliche darin von dem Geographischen ge¬ schieden und — etwa in einem ersten Kapitel — für sich behandelt wäre. — Verantwortlicher Redacteur: 0. Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig ni Leipzig. Druck von C, E, Elbert in Leipzig,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/288>, abgerufen am 22.07.2024.