Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.die Oeffentlichkeit gesetzlich besteht, aber, wie man beobachtet haben will, zu Die Gefahr eines europäischen Krieges. Ich weiß nicht, wie weit Sie die Gefahr eines allgemeinen europäischen Krie¬ die Oeffentlichkeit gesetzlich besteht, aber, wie man beobachtet haben will, zu Die Gefahr eines europäischen Krieges. Ich weiß nicht, wie weit Sie die Gefahr eines allgemeinen europäischen Krie¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0125" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105936"/> <p xml:id="ID_301" prev="#ID_300"> die Oeffentlichkeit gesetzlich besteht, aber, wie man beobachtet haben will, zu<lb/> wenig Andrem führt, als praktischen Leuten im Winter auf gemeine Kosten<lb/> eine warme Stube zu gewähren. Zu Criminalverhandlungen drängt sich das<lb/> Publicum nicht nur nach dem Sitzungssaal; es liest auch die Gerichtszeitung<lb/> und den Publizisten mit einem Eiser, wie den neuen Pittaval und Temmesche<lb/> Criminalnovellen. Wir geben zu, daß der Grund davon zum Theil in der<lb/> noch immer vorwiegenden Schriftlichkeit und dem formalen Charakter des<lb/> Civilprocesses liegt, während das Criminalverfahrm wirklich mündlich ist,<lb/> nach materieller Wahrheit strebt und zudem mit Stoffen zu thun hat, die<lb/> einen tiefen Blick in das Labyrinth der menschlichen Leidenschaften öffnen. Aber<lb/> wir glauben, daß dies nicht der einzige Grund ist. Von deferirten und rese-<lb/> rirten Eiden, von Beweislast und präcludirten Fristen verstehen die Wenigsten<lb/> etwas. Aber jeder traut sich zu, in einem bestimmten Fall ebenso gut als der<lb/> Richter zu entscheiden, ob dieser Mensch diese That, ob er sie mit Vorbedacht<lb/> und Zurechnungssnhigkeit begangen habe, oder nicht. Ohne arrogant zu sein,<lb/> kann jeder Mensch von gewöhnlicher Begabung und Lebenserfahrung sich ein<lb/> richtiges Urtheil hierüber wirklich zutraun, und das ist die Erwägung, welche<lb/> die Gesetzgebung veranlaßt hat. Männer von den oben genannten Eigen¬<lb/> schaften, deren Vermögensverhältnisse außerdem eine gewisse Unabhängigkeit<lb/> verbürgen und eine kurze Versäumniß ihres Erwerbs gestatten, zur Entschei¬<lb/> dung der Schuldfrage hinzuzuziehen, — das ist die vernünftige Veranlassung<lb/> zur Einführung von Geschwornen, mit deren Ursprung und Bedeutung wir<lb/> uns das nächste Mal beschäftigen wollen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Gefahr eines europäischen Krieges.</head><lb/> <p xml:id="ID_302" next="#ID_303"> Ich weiß nicht, wie weit Sie die Gefahr eines allgemeinen europäischen Krie¬<lb/> ges, auf den bereits mehre Symptome der heutigen bewegten Zeit hinzudeuten<lb/> scheinen, für drohend ansehen. Ein Urtheil hierüber muß selbstredend verschieden aus¬<lb/> fallen, je nach dem räumlichen Standpunkte, aus dem man sich befindet. Stimmung<lb/> und Ansichten werden nur zu oft von Eindrücken beherrscht, die zum Theil localer<lb/> Natur sind. Außerdem muß unsere Meinung über eine derartige Frage nothwendig<lb/> von etwaigen Benachrichtigungen, Notizen und Wünschen afficirt werden, die uns<lb/> zugegangen sind. Was mich angeht, so erkläre ich gleich hier im Eingange! daß<lb/> mir eine derartige Bevorzugung in keiner Beziehung zu Theil geworden ist, und daß<lb/> ich in Hinsicht aus meine Information über den betreffenden Punkt im Gegentheil<lb/> durchaus nur auf dem Boden stehe, welchen eine ziemlich aufmerksame Lectüre einiger<lb/> deutschen und auswärtigen Zeitungen zu geben vermag. Eben darum ist es vielleicht<lb/> eine allzukühne Voraussetzung, wenn ich annehme, dieser in jedem Falle nur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0125]
die Oeffentlichkeit gesetzlich besteht, aber, wie man beobachtet haben will, zu
wenig Andrem führt, als praktischen Leuten im Winter auf gemeine Kosten
eine warme Stube zu gewähren. Zu Criminalverhandlungen drängt sich das
Publicum nicht nur nach dem Sitzungssaal; es liest auch die Gerichtszeitung
und den Publizisten mit einem Eiser, wie den neuen Pittaval und Temmesche
Criminalnovellen. Wir geben zu, daß der Grund davon zum Theil in der
noch immer vorwiegenden Schriftlichkeit und dem formalen Charakter des
Civilprocesses liegt, während das Criminalverfahrm wirklich mündlich ist,
nach materieller Wahrheit strebt und zudem mit Stoffen zu thun hat, die
einen tiefen Blick in das Labyrinth der menschlichen Leidenschaften öffnen. Aber
wir glauben, daß dies nicht der einzige Grund ist. Von deferirten und rese-
rirten Eiden, von Beweislast und präcludirten Fristen verstehen die Wenigsten
etwas. Aber jeder traut sich zu, in einem bestimmten Fall ebenso gut als der
Richter zu entscheiden, ob dieser Mensch diese That, ob er sie mit Vorbedacht
und Zurechnungssnhigkeit begangen habe, oder nicht. Ohne arrogant zu sein,
kann jeder Mensch von gewöhnlicher Begabung und Lebenserfahrung sich ein
richtiges Urtheil hierüber wirklich zutraun, und das ist die Erwägung, welche
die Gesetzgebung veranlaßt hat. Männer von den oben genannten Eigen¬
schaften, deren Vermögensverhältnisse außerdem eine gewisse Unabhängigkeit
verbürgen und eine kurze Versäumniß ihres Erwerbs gestatten, zur Entschei¬
dung der Schuldfrage hinzuzuziehen, — das ist die vernünftige Veranlassung
zur Einführung von Geschwornen, mit deren Ursprung und Bedeutung wir
uns das nächste Mal beschäftigen wollen.
Die Gefahr eines europäischen Krieges.
Ich weiß nicht, wie weit Sie die Gefahr eines allgemeinen europäischen Krie¬
ges, auf den bereits mehre Symptome der heutigen bewegten Zeit hinzudeuten
scheinen, für drohend ansehen. Ein Urtheil hierüber muß selbstredend verschieden aus¬
fallen, je nach dem räumlichen Standpunkte, aus dem man sich befindet. Stimmung
und Ansichten werden nur zu oft von Eindrücken beherrscht, die zum Theil localer
Natur sind. Außerdem muß unsere Meinung über eine derartige Frage nothwendig
von etwaigen Benachrichtigungen, Notizen und Wünschen afficirt werden, die uns
zugegangen sind. Was mich angeht, so erkläre ich gleich hier im Eingange! daß
mir eine derartige Bevorzugung in keiner Beziehung zu Theil geworden ist, und daß
ich in Hinsicht aus meine Information über den betreffenden Punkt im Gegentheil
durchaus nur auf dem Boden stehe, welchen eine ziemlich aufmerksame Lectüre einiger
deutschen und auswärtigen Zeitungen zu geben vermag. Eben darum ist es vielleicht
eine allzukühne Voraussetzung, wenn ich annehme, dieser in jedem Falle nur
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