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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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sich entwickeln könnten, da aller Schulunterricht ihnen fern liegt. Deutsch oder
polnisch lesen können sehr wenige; so lief mir einst in Galacz, einer kleinen
Stadt Galiziens, auf der Straße ein Kaufmann nach und bat mich, ihm
doch einen Zettel vorzulesen, auf dem einige Bestellungen standen. Sie sind
unreinlich, geizig, eigennützig, betrügerisch, unverträglich, neugierig im höch¬
sten Grad und zudringlich; geht man z. B. bei jüdischen Kaufgewölbcn
vorüber, so stehen die Juden in der Thür, rufen den Vorübergehenden an,
laufen ihm ein Stück nach, halten ihn wol gar beim Rock fest und nennen
alle Waaren her. die ihr Gewölbe enthält. Furchtsamkeit ist ihnen allen
angeboren. Spricht man sie höflich an, so antworten sie brutal, verfährt
man aber kurz, wo möglich grob mit ihnen, so ziehen sie schnell den Hut,
und sind die Höflichkeit selbst. Indessen gehören auch einige gute Eigenschaf¬
ten zu ihrem Charakter. Sie sind mäßig und nie wird man einen betrunke¬
nen Juden sehen, während der Anblick von Betrunkenen dem Fremden in Polen
nur zu häusig wird. Sie sind gefällig, so weit es ihnen nichts kostet. Sie äußern
großen Gemeingeist, und unterstützen ihre Nothleidenden aufs freigebigste.
Und ihre schönste Tugend, welche den Christen als Vorbild dienen könnte,
ist ihr festes Zusammenhalten und ihr Wohlthun. Wie es überall
Arme und Reiche gibt, so auch unter ihnen, niemals aber wird man in
Galizien einen Juden betteln sehen. Die Wohlhabenden helfen den
Bedürftigen so viel als möglich, sie theilen sogar für den Schabbeß Kerzen
aus. damit auch die Armen dem Gebrauch, viel Lichter an diesem Tage zu
brennen, nachkommen können. Auch die Soldaten jüdischer Religion werden
von ihren Glaubensgenossen vielfach unterstützt. Wenn große Feiertage sind,
geht der Rabbiner zu dem betreffenden Commandanten, bittet sür sie auf diese
Tage um Urlaub, und theilt sie dann zu den reichen Jsraeliten ein, wo sie
während der ganzen Festtage unentgeldlich gespeist und unterhalten werden.
Stirbt ein Jude so lange er Soldat ist, so begraben ihn seine Glaubens¬
genossen und kleiden ihn vorher auf eigene Kosten in die übliche Todten-
kleidung. Alte Jungfern gibt es unter Juden nicht. Hat ein Mädchen bis
zu einem gewissen Jahre nicht geheirathet, so gibt ihr die. Gemeinde einen
Mann, und stattet sie. wenn das Brautpaar arm ist, auch noch aus.


F- Hu.


Literatur.

Allgemeine kirchliche Chronik von Karl Matthes. 4. Jahrgang, das
Jahr 1857. Leipzig. Verlag von Gustav Mnyer. 1858. -- Mit Vergnügen sehen
wir, daß diese Jahresübersicht über die Ereignisse aus dem Gebiete der Kirche fort-


sich entwickeln könnten, da aller Schulunterricht ihnen fern liegt. Deutsch oder
polnisch lesen können sehr wenige; so lief mir einst in Galacz, einer kleinen
Stadt Galiziens, auf der Straße ein Kaufmann nach und bat mich, ihm
doch einen Zettel vorzulesen, auf dem einige Bestellungen standen. Sie sind
unreinlich, geizig, eigennützig, betrügerisch, unverträglich, neugierig im höch¬
sten Grad und zudringlich; geht man z. B. bei jüdischen Kaufgewölbcn
vorüber, so stehen die Juden in der Thür, rufen den Vorübergehenden an,
laufen ihm ein Stück nach, halten ihn wol gar beim Rock fest und nennen
alle Waaren her. die ihr Gewölbe enthält. Furchtsamkeit ist ihnen allen
angeboren. Spricht man sie höflich an, so antworten sie brutal, verfährt
man aber kurz, wo möglich grob mit ihnen, so ziehen sie schnell den Hut,
und sind die Höflichkeit selbst. Indessen gehören auch einige gute Eigenschaf¬
ten zu ihrem Charakter. Sie sind mäßig und nie wird man einen betrunke¬
nen Juden sehen, während der Anblick von Betrunkenen dem Fremden in Polen
nur zu häusig wird. Sie sind gefällig, so weit es ihnen nichts kostet. Sie äußern
großen Gemeingeist, und unterstützen ihre Nothleidenden aufs freigebigste.
Und ihre schönste Tugend, welche den Christen als Vorbild dienen könnte,
ist ihr festes Zusammenhalten und ihr Wohlthun. Wie es überall
Arme und Reiche gibt, so auch unter ihnen, niemals aber wird man in
Galizien einen Juden betteln sehen. Die Wohlhabenden helfen den
Bedürftigen so viel als möglich, sie theilen sogar für den Schabbeß Kerzen
aus. damit auch die Armen dem Gebrauch, viel Lichter an diesem Tage zu
brennen, nachkommen können. Auch die Soldaten jüdischer Religion werden
von ihren Glaubensgenossen vielfach unterstützt. Wenn große Feiertage sind,
geht der Rabbiner zu dem betreffenden Commandanten, bittet sür sie auf diese
Tage um Urlaub, und theilt sie dann zu den reichen Jsraeliten ein, wo sie
während der ganzen Festtage unentgeldlich gespeist und unterhalten werden.
Stirbt ein Jude so lange er Soldat ist, so begraben ihn seine Glaubens¬
genossen und kleiden ihn vorher auf eigene Kosten in die übliche Todten-
kleidung. Alte Jungfern gibt es unter Juden nicht. Hat ein Mädchen bis
zu einem gewissen Jahre nicht geheirathet, so gibt ihr die. Gemeinde einen
Mann, und stattet sie. wenn das Brautpaar arm ist, auch noch aus.


F- Hu.


Literatur.

Allgemeine kirchliche Chronik von Karl Matthes. 4. Jahrgang, das
Jahr 1857. Leipzig. Verlag von Gustav Mnyer. 1858. — Mit Vergnügen sehen
wir, daß diese Jahresübersicht über die Ereignisse aus dem Gebiete der Kirche fort-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/445>, abgerufen am 22.12.2024.