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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Die dänische Ministerkrisis.

Die Krisis in Kopenhagen ist nach fast fünfwöchentlicher Dauer einst¬
weilen beendigt, nicht aus Mangel an Krankheit, sondern aus Mangel an
Heilkraft; die innere Zerrüttung des Gesammtstaates machte es unmöglich,
einen Minister für Holstein und Lauenburg zu finden; nach Außen hin mußte
Dänemark sich so hinfällig zeigen, daß auf die kurze Notiz, die deutschen
Großmächte würden sich an den Bund wenden, das Ministerium sich aus
sich selbst reconstruirte und, was seit dem Aufhören der Mythe niedagewesen,
das Regiment über deutsche Bundesstaaten einem Dänen überlassen mußte.
Dänemark war nie so schwach und klein, wie in diesem Augenblicke, die An¬
zahl und die Macht seiner Gegner nie so groß; alle, die im Jahre 18S1 auf
dänischer Seite standen, gruppiren sich gegenwärtig zu Gunsten der Herzog-
thümer Holstein und Lauenburg. -- Auch macht die dänische Note vom
13. d. M. bereits die Concession: "die holsteinischen Provinzialstände zu einer
außerordentlichen Versammlung im Laufe des diesjährigen Augustmonates ein¬
zuberufen, um denselben einen revidirten Entwurf der Verfassung für die be¬
sonderen Angelegenheiten des Herzogthums Holstein zur verfassungsmäßigen
Verhandlung vorzulegen; die Vorlage soll namentlich auch diejenigen Be¬
stimmungen umfassen, welche den Umfang der besonderen Angelegenheiten deS
Herzogthums Holstein regeln, und den Provinzialständen vollständige Gelegen¬
heit gegeben werden, sich über die Abgrenzung der ständischen Competenz frei
und ungehindert auszusprechen." --

In schlauer dänischer Weise ist zwar die Concession nur eine scheinbare
und im Reellen eine sehr ungenügende, so sehr, daß nach dem starken An¬
lauf, den die Cabinete von Berlin und Wien in ihren Noten genommen
haben, wol mit Sicherheit erwartet werden darf, sie werden sich bei dieser
Nachgiebigkeit keineswegs beruhigen. Denn nach den Verabredungen von
^851 und 1852, auf welche die deutschen Noten sich stützen, muß Dänemark
nicht eine Specialverfassung, sondern die Gesammtverfassung den Ständen,
die freilich nur das Recht des Raths besitzen, vorlegen und nicht blos den
Ständen Holsteins, sondern auch den Ständen des Herzogthums Schleswig


Grenzboten. II. -I8L7. 31
Die dänische Ministerkrisis.

Die Krisis in Kopenhagen ist nach fast fünfwöchentlicher Dauer einst¬
weilen beendigt, nicht aus Mangel an Krankheit, sondern aus Mangel an
Heilkraft; die innere Zerrüttung des Gesammtstaates machte es unmöglich,
einen Minister für Holstein und Lauenburg zu finden; nach Außen hin mußte
Dänemark sich so hinfällig zeigen, daß auf die kurze Notiz, die deutschen
Großmächte würden sich an den Bund wenden, das Ministerium sich aus
sich selbst reconstruirte und, was seit dem Aufhören der Mythe niedagewesen,
das Regiment über deutsche Bundesstaaten einem Dänen überlassen mußte.
Dänemark war nie so schwach und klein, wie in diesem Augenblicke, die An¬
zahl und die Macht seiner Gegner nie so groß; alle, die im Jahre 18S1 auf
dänischer Seite standen, gruppiren sich gegenwärtig zu Gunsten der Herzog-
thümer Holstein und Lauenburg. — Auch macht die dänische Note vom
13. d. M. bereits die Concession: „die holsteinischen Provinzialstände zu einer
außerordentlichen Versammlung im Laufe des diesjährigen Augustmonates ein¬
zuberufen, um denselben einen revidirten Entwurf der Verfassung für die be¬
sonderen Angelegenheiten des Herzogthums Holstein zur verfassungsmäßigen
Verhandlung vorzulegen; die Vorlage soll namentlich auch diejenigen Be¬
stimmungen umfassen, welche den Umfang der besonderen Angelegenheiten deS
Herzogthums Holstein regeln, und den Provinzialständen vollständige Gelegen¬
heit gegeben werden, sich über die Abgrenzung der ständischen Competenz frei
und ungehindert auszusprechen." —

In schlauer dänischer Weise ist zwar die Concession nur eine scheinbare
und im Reellen eine sehr ungenügende, so sehr, daß nach dem starken An¬
lauf, den die Cabinete von Berlin und Wien in ihren Noten genommen
haben, wol mit Sicherheit erwartet werden darf, sie werden sich bei dieser
Nachgiebigkeit keineswegs beruhigen. Denn nach den Verabredungen von
^851 und 1852, auf welche die deutschen Noten sich stützen, muß Dänemark
nicht eine Specialverfassung, sondern die Gesammtverfassung den Ständen,
die freilich nur das Recht des Raths besitzen, vorlegen und nicht blos den
Ständen Holsteins, sondern auch den Ständen des Herzogthums Schleswig


Grenzboten. II. -I8L7. 31
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[0409] Die dänische Ministerkrisis. Die Krisis in Kopenhagen ist nach fast fünfwöchentlicher Dauer einst¬ weilen beendigt, nicht aus Mangel an Krankheit, sondern aus Mangel an Heilkraft; die innere Zerrüttung des Gesammtstaates machte es unmöglich, einen Minister für Holstein und Lauenburg zu finden; nach Außen hin mußte Dänemark sich so hinfällig zeigen, daß auf die kurze Notiz, die deutschen Großmächte würden sich an den Bund wenden, das Ministerium sich aus sich selbst reconstruirte und, was seit dem Aufhören der Mythe niedagewesen, das Regiment über deutsche Bundesstaaten einem Dänen überlassen mußte. Dänemark war nie so schwach und klein, wie in diesem Augenblicke, die An¬ zahl und die Macht seiner Gegner nie so groß; alle, die im Jahre 18S1 auf dänischer Seite standen, gruppiren sich gegenwärtig zu Gunsten der Herzog- thümer Holstein und Lauenburg. — Auch macht die dänische Note vom 13. d. M. bereits die Concession: „die holsteinischen Provinzialstände zu einer außerordentlichen Versammlung im Laufe des diesjährigen Augustmonates ein¬ zuberufen, um denselben einen revidirten Entwurf der Verfassung für die be¬ sonderen Angelegenheiten des Herzogthums Holstein zur verfassungsmäßigen Verhandlung vorzulegen; die Vorlage soll namentlich auch diejenigen Be¬ stimmungen umfassen, welche den Umfang der besonderen Angelegenheiten deS Herzogthums Holstein regeln, und den Provinzialständen vollständige Gelegen¬ heit gegeben werden, sich über die Abgrenzung der ständischen Competenz frei und ungehindert auszusprechen." — In schlauer dänischer Weise ist zwar die Concession nur eine scheinbare und im Reellen eine sehr ungenügende, so sehr, daß nach dem starken An¬ lauf, den die Cabinete von Berlin und Wien in ihren Noten genommen haben, wol mit Sicherheit erwartet werden darf, sie werden sich bei dieser Nachgiebigkeit keineswegs beruhigen. Denn nach den Verabredungen von ^851 und 1852, auf welche die deutschen Noten sich stützen, muß Dänemark nicht eine Specialverfassung, sondern die Gesammtverfassung den Ständen, die freilich nur das Recht des Raths besitzen, vorlegen und nicht blos den Ständen Holsteins, sondern auch den Ständen des Herzogthums Schleswig Grenzboten. II. -I8L7. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/409>, abgerufen am 01.09.2024.