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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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.-VermüMmung, durch welche sie heute noch dargestellt wird, zeigt sie bald lieb¬
lich, bald abschreckend. Und ihr zu Ehren wird in den Alpen bis nach Schwaben
hinein das Berchtenlaufen oder -springen gehalten, der Rest wahrscheinlich eines
Uralten Festtanzes. Zu Hunderten springen und hüpfen die Buben der Dörfer
in wunderlichen Verhüllungen mit Kuhschellen rasselnd, und Peitschen knallend
von Ort zu Ort, eine tolle wilde Schar, gleichsam deutsche Bachanten. In
schwäbischen Gegenden zieht Klaswuotan in den Reihen mit.

Dann sind die Nächte der Wintersonnenwende am Ende. Die Stille des
Schnees breitet sich über Haus und Hof, und gleichmäßig gehen die Tage
dahin. Mit den Vorfasten bricht neue Lust herein, die aber keinen deutschen
volksthümlichen Grund hat.

Für das deutsche Haus ist Weihnacht das höchste Fest.




Spanien in den letzten Jahren.

Am 8. November 183i eröffnete die Königin die constituirenden Cortes mit
einer Thronrede, welche selbstverständlich die unbedingteste Anerkennung der
constitutionellen Principien enthielt. Die Aufnahme, welche Jsabella zu Theil
wurde, bewies, daß mit Ausnahme der wenig zahlreichen äußersten Linken
entschieden antimonarchische Tendenzen keinen Boden in der Versammlung
hatten. Gleich im Beginn der Session indeß zeigte sich eine Spaltung, deren
nicht ausgesprochene Ursachen, wenngleich nicht direct die Frage ter Monarchie,
oder auch nur der Dynastie, doch das Interesse der Königin selbst empfindlich
berührten. Esparteros Bestrebungen um die Gunst der radicalen Fractionen,
die bei ihm geargwohntcn Projecte aus die Regentschaft hatten die Besorgnisse
der gemäßigten Progressisten erregt. Selbst ein Theil der entschiedenem war
keineswegs gewillt, derartige Pläne zu unterstützen, oder auch nur zu toleriren.
Weder die Erinnerungen an die frühere Regentschaft des Siegesherzogs, noch
die Meinung über seine Befähigung und Energie empfahlen die Erneuerung
des schon einmal so gänzlich gescheiterten Versuchs. Um so mehr drängten
sich die Extreme an den Chef der Regierung. Sie sahen in ihm nur die
Brücke zur völligen Durchführung der Revolution, während die noch nicht
äußerste, aber scharf pronvncine progressistische Linke, die Puroö, wie sie sich
nannten, durch die Beförderung seiner Pläne O'Dommel und die ihm an¬
hangenden mooerirlen Elemente aus der Verwaltung und Armee heraus¬
zudrängen, und namentlich durch Säuberung der letztern den Sieg ihrer Partei
zu vollenden dachten. Esparteros Volksbeliebtheit war zu groß, um ihn offen


.-VermüMmung, durch welche sie heute noch dargestellt wird, zeigt sie bald lieb¬
lich, bald abschreckend. Und ihr zu Ehren wird in den Alpen bis nach Schwaben
hinein das Berchtenlaufen oder -springen gehalten, der Rest wahrscheinlich eines
Uralten Festtanzes. Zu Hunderten springen und hüpfen die Buben der Dörfer
in wunderlichen Verhüllungen mit Kuhschellen rasselnd, und Peitschen knallend
von Ort zu Ort, eine tolle wilde Schar, gleichsam deutsche Bachanten. In
schwäbischen Gegenden zieht Klaswuotan in den Reihen mit.

Dann sind die Nächte der Wintersonnenwende am Ende. Die Stille des
Schnees breitet sich über Haus und Hof, und gleichmäßig gehen die Tage
dahin. Mit den Vorfasten bricht neue Lust herein, die aber keinen deutschen
volksthümlichen Grund hat.

Für das deutsche Haus ist Weihnacht das höchste Fest.




Spanien in den letzten Jahren.

Am 8. November 183i eröffnete die Königin die constituirenden Cortes mit
einer Thronrede, welche selbstverständlich die unbedingteste Anerkennung der
constitutionellen Principien enthielt. Die Aufnahme, welche Jsabella zu Theil
wurde, bewies, daß mit Ausnahme der wenig zahlreichen äußersten Linken
entschieden antimonarchische Tendenzen keinen Boden in der Versammlung
hatten. Gleich im Beginn der Session indeß zeigte sich eine Spaltung, deren
nicht ausgesprochene Ursachen, wenngleich nicht direct die Frage ter Monarchie,
oder auch nur der Dynastie, doch das Interesse der Königin selbst empfindlich
berührten. Esparteros Bestrebungen um die Gunst der radicalen Fractionen,
die bei ihm geargwohntcn Projecte aus die Regentschaft hatten die Besorgnisse
der gemäßigten Progressisten erregt. Selbst ein Theil der entschiedenem war
keineswegs gewillt, derartige Pläne zu unterstützen, oder auch nur zu toleriren.
Weder die Erinnerungen an die frühere Regentschaft des Siegesherzogs, noch
die Meinung über seine Befähigung und Energie empfahlen die Erneuerung
des schon einmal so gänzlich gescheiterten Versuchs. Um so mehr drängten
sich die Extreme an den Chef der Regierung. Sie sahen in ihm nur die
Brücke zur völligen Durchführung der Revolution, während die noch nicht
äußerste, aber scharf pronvncine progressistische Linke, die Puroö, wie sie sich
nannten, durch die Beförderung seiner Pläne O'Dommel und die ihm an¬
hangenden mooerirlen Elemente aus der Verwaltung und Armee heraus¬
zudrängen, und namentlich durch Säuberung der letztern den Sieg ihrer Partei
zu vollenden dachten. Esparteros Volksbeliebtheit war zu groß, um ihn offen


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[0456] .-VermüMmung, durch welche sie heute noch dargestellt wird, zeigt sie bald lieb¬ lich, bald abschreckend. Und ihr zu Ehren wird in den Alpen bis nach Schwaben hinein das Berchtenlaufen oder -springen gehalten, der Rest wahrscheinlich eines Uralten Festtanzes. Zu Hunderten springen und hüpfen die Buben der Dörfer in wunderlichen Verhüllungen mit Kuhschellen rasselnd, und Peitschen knallend von Ort zu Ort, eine tolle wilde Schar, gleichsam deutsche Bachanten. In schwäbischen Gegenden zieht Klaswuotan in den Reihen mit. Dann sind die Nächte der Wintersonnenwende am Ende. Die Stille des Schnees breitet sich über Haus und Hof, und gleichmäßig gehen die Tage dahin. Mit den Vorfasten bricht neue Lust herein, die aber keinen deutschen volksthümlichen Grund hat. Für das deutsche Haus ist Weihnacht das höchste Fest. Spanien in den letzten Jahren. Am 8. November 183i eröffnete die Königin die constituirenden Cortes mit einer Thronrede, welche selbstverständlich die unbedingteste Anerkennung der constitutionellen Principien enthielt. Die Aufnahme, welche Jsabella zu Theil wurde, bewies, daß mit Ausnahme der wenig zahlreichen äußersten Linken entschieden antimonarchische Tendenzen keinen Boden in der Versammlung hatten. Gleich im Beginn der Session indeß zeigte sich eine Spaltung, deren nicht ausgesprochene Ursachen, wenngleich nicht direct die Frage ter Monarchie, oder auch nur der Dynastie, doch das Interesse der Königin selbst empfindlich berührten. Esparteros Bestrebungen um die Gunst der radicalen Fractionen, die bei ihm geargwohntcn Projecte aus die Regentschaft hatten die Besorgnisse der gemäßigten Progressisten erregt. Selbst ein Theil der entschiedenem war keineswegs gewillt, derartige Pläne zu unterstützen, oder auch nur zu toleriren. Weder die Erinnerungen an die frühere Regentschaft des Siegesherzogs, noch die Meinung über seine Befähigung und Energie empfahlen die Erneuerung des schon einmal so gänzlich gescheiterten Versuchs. Um so mehr drängten sich die Extreme an den Chef der Regierung. Sie sahen in ihm nur die Brücke zur völligen Durchführung der Revolution, während die noch nicht äußerste, aber scharf pronvncine progressistische Linke, die Puroö, wie sie sich nannten, durch die Beförderung seiner Pläne O'Dommel und die ihm an¬ hangenden mooerirlen Elemente aus der Verwaltung und Armee heraus¬ zudrängen, und namentlich durch Säuberung der letztern den Sieg ihrer Partei zu vollenden dachten. Esparteros Volksbeliebtheit war zu groß, um ihn offen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/456>, abgerufen am 03.07.2024.