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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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gemäß die russische Kraftverwendung ab. Es ist leicht für den Zar, sechs
"Jnfanteriecorps" bei Kischenew zu sammeln, aber sehr schwer, sechs Brigaden
in das Innere von Vorderasien vorzuschieben.

Jedoch, während dies die Aussichten für die fernere Zukunft sind, scheint schon
in der nächsten Zeit über Persien ein Gewitter loszubrechen. Möglich, daß Nußland
voraussieht, wie die späteren Verhältnisse ihm ungünstiger liegen werden, und
daß es darum den Schah von Persien zum Kampfe mit England hinzudrängen
bemüht ist. England dagegen hat bei seiner Erpedition, welche von Bom¬
bay aus nach dem persischen Meerbusen entsendet wird, Maßregeln getroffen,
welche -- z. B. die Mitaction des Imam von Maskat---auf indirecte persische
Eroberungen, vielleicht der Südprovinzen Farsistan und Laristan deuten. Die
Erwerbungen sollen zu dem vom Imam besessenen Streifen der Küste zu¬
geschlagen werden.




Das Staatsrecht der preußischen Monarchie.

Von L. von Romme. F. A. Brockhaus. 18S6. --

Das deutsche Staatsrecht war zur Zeit des Reichs ein ebenso beliebtes
Thema deutscher Juristen, als es nach dessen Auflösung selten Bearbeiter unter
ihnen findet. Der Grund davon ist kaum zu verkennen. Unterlag das Ver¬
hältniß der Reichsgewalt zu dem Landesherrn auch juristisch noch vielen Contro-
versen, so war doch factisch die Entwicklung des deutschen Staatslebens bereits
seit Ende des Mittelalters den Territorien zugefallen, und es gab für pas posi¬
tive Staatsrecht einen bestimmten Stoff, der angegriffen oder vertheidigt werden
konnte, dessen Existenz aber nicht mehr zu bezweifeln war. Anders war eS,
als der morsche Bau des Reichs endlich zusammenbrach. Die Souveränetät
der einstigen Reichsvasallen war nun auch rechtlich auerkannt. Aber zugleich
entstand ihr ein gefährlicherer Feind, als das ohnmächtige Kaiserthum an den
Ansprüchen des Volks, dessen beste Waffen das Bewußtsein eben bewährter
Kraft und die Erinnerung an unzweideutige fürstliche Versprechungen waren.

Eine Verfassungsurkunde und allgemeine Volksvertretung statt der bis¬
herigen ständischen Repräsentation, wo diese sich noch gegen die absolute
Fürstenmacht erhalten hatte, das war ungefähr die Summe jener Versprechungen,
deren letzter Theil auch im Art. 13 der Bundesacte sanctionirt worden war;
leider in so allgemeinen Worten, daß weder ein Minimum ständischer Rechte,
noch ein Termin, bis zu welchem diese spätestens ins Leben treten sollten,
festgesetzt war, und dem Buchstaben nach sogar zweifelhaft blieb, ob unter der
"landständischen Verfassung" die bisherige feudalständische oder die allgemeine


gemäß die russische Kraftverwendung ab. Es ist leicht für den Zar, sechs
„Jnfanteriecorps" bei Kischenew zu sammeln, aber sehr schwer, sechs Brigaden
in das Innere von Vorderasien vorzuschieben.

Jedoch, während dies die Aussichten für die fernere Zukunft sind, scheint schon
in der nächsten Zeit über Persien ein Gewitter loszubrechen. Möglich, daß Nußland
voraussieht, wie die späteren Verhältnisse ihm ungünstiger liegen werden, und
daß es darum den Schah von Persien zum Kampfe mit England hinzudrängen
bemüht ist. England dagegen hat bei seiner Erpedition, welche von Bom¬
bay aus nach dem persischen Meerbusen entsendet wird, Maßregeln getroffen,
welche — z. B. die Mitaction des Imam von Maskat—-auf indirecte persische
Eroberungen, vielleicht der Südprovinzen Farsistan und Laristan deuten. Die
Erwerbungen sollen zu dem vom Imam besessenen Streifen der Küste zu¬
geschlagen werden.




Das Staatsrecht der preußischen Monarchie.

Von L. von Romme. F. A. Brockhaus. 18S6. —

Das deutsche Staatsrecht war zur Zeit des Reichs ein ebenso beliebtes
Thema deutscher Juristen, als es nach dessen Auflösung selten Bearbeiter unter
ihnen findet. Der Grund davon ist kaum zu verkennen. Unterlag das Ver¬
hältniß der Reichsgewalt zu dem Landesherrn auch juristisch noch vielen Contro-
versen, so war doch factisch die Entwicklung des deutschen Staatslebens bereits
seit Ende des Mittelalters den Territorien zugefallen, und es gab für pas posi¬
tive Staatsrecht einen bestimmten Stoff, der angegriffen oder vertheidigt werden
konnte, dessen Existenz aber nicht mehr zu bezweifeln war. Anders war eS,
als der morsche Bau des Reichs endlich zusammenbrach. Die Souveränetät
der einstigen Reichsvasallen war nun auch rechtlich auerkannt. Aber zugleich
entstand ihr ein gefährlicherer Feind, als das ohnmächtige Kaiserthum an den
Ansprüchen des Volks, dessen beste Waffen das Bewußtsein eben bewährter
Kraft und die Erinnerung an unzweideutige fürstliche Versprechungen waren.

Eine Verfassungsurkunde und allgemeine Volksvertretung statt der bis¬
herigen ständischen Repräsentation, wo diese sich noch gegen die absolute
Fürstenmacht erhalten hatte, das war ungefähr die Summe jener Versprechungen,
deren letzter Theil auch im Art. 13 der Bundesacte sanctionirt worden war;
leider in so allgemeinen Worten, daß weder ein Minimum ständischer Rechte,
noch ein Termin, bis zu welchem diese spätestens ins Leben treten sollten,
festgesetzt war, und dem Buchstaben nach sogar zweifelhaft blieb, ob unter der
„landständischen Verfassung" die bisherige feudalständische oder die allgemeine


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[0310] gemäß die russische Kraftverwendung ab. Es ist leicht für den Zar, sechs „Jnfanteriecorps" bei Kischenew zu sammeln, aber sehr schwer, sechs Brigaden in das Innere von Vorderasien vorzuschieben. Jedoch, während dies die Aussichten für die fernere Zukunft sind, scheint schon in der nächsten Zeit über Persien ein Gewitter loszubrechen. Möglich, daß Nußland voraussieht, wie die späteren Verhältnisse ihm ungünstiger liegen werden, und daß es darum den Schah von Persien zum Kampfe mit England hinzudrängen bemüht ist. England dagegen hat bei seiner Erpedition, welche von Bom¬ bay aus nach dem persischen Meerbusen entsendet wird, Maßregeln getroffen, welche — z. B. die Mitaction des Imam von Maskat—-auf indirecte persische Eroberungen, vielleicht der Südprovinzen Farsistan und Laristan deuten. Die Erwerbungen sollen zu dem vom Imam besessenen Streifen der Küste zu¬ geschlagen werden. Das Staatsrecht der preußischen Monarchie. Von L. von Romme. F. A. Brockhaus. 18S6. — Das deutsche Staatsrecht war zur Zeit des Reichs ein ebenso beliebtes Thema deutscher Juristen, als es nach dessen Auflösung selten Bearbeiter unter ihnen findet. Der Grund davon ist kaum zu verkennen. Unterlag das Ver¬ hältniß der Reichsgewalt zu dem Landesherrn auch juristisch noch vielen Contro- versen, so war doch factisch die Entwicklung des deutschen Staatslebens bereits seit Ende des Mittelalters den Territorien zugefallen, und es gab für pas posi¬ tive Staatsrecht einen bestimmten Stoff, der angegriffen oder vertheidigt werden konnte, dessen Existenz aber nicht mehr zu bezweifeln war. Anders war eS, als der morsche Bau des Reichs endlich zusammenbrach. Die Souveränetät der einstigen Reichsvasallen war nun auch rechtlich auerkannt. Aber zugleich entstand ihr ein gefährlicherer Feind, als das ohnmächtige Kaiserthum an den Ansprüchen des Volks, dessen beste Waffen das Bewußtsein eben bewährter Kraft und die Erinnerung an unzweideutige fürstliche Versprechungen waren. Eine Verfassungsurkunde und allgemeine Volksvertretung statt der bis¬ herigen ständischen Repräsentation, wo diese sich noch gegen die absolute Fürstenmacht erhalten hatte, das war ungefähr die Summe jener Versprechungen, deren letzter Theil auch im Art. 13 der Bundesacte sanctionirt worden war; leider in so allgemeinen Worten, daß weder ein Minimum ständischer Rechte, noch ein Termin, bis zu welchem diese spätestens ins Leben treten sollten, festgesetzt war, und dem Buchstaben nach sogar zweifelhaft blieb, ob unter der „landständischen Verfassung" die bisherige feudalständische oder die allgemeine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/310>, abgerufen am 23.07.2024.