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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Aus dem tiefschmcrzltchen Ton dieser Rechtfertigung klingt noch etwas Anderes her¬
aus, das geheime Bewußtsein einer Schuld, gegen das vergebens alle Gründe der
Abstraction und des Idealismus aufgeboten werden, und diese Schuld war in der
That vorhanden. Es wäre sür Förster besser gewesen, wenn er mehr nach Leiden¬
schaften und weniger nach Ideen gehandelt hätte. Als er sich von seinem Vater¬
land losriß und sich mit den Feinden desselben verband, folgte er nicht der natür¬
lichen Stimme seines Herzens, sondern dem übelverstandcnen Begriff einer abstrac-
ten Pflicht. Um nach einem System zu handeln, gab er den vollen Inhalt seines
Lebens, auf; und was fand er? Hören wir ihn selbst (S. 103): "Du wlmschcst,
daß ich die Geschichte dieser gräuelvvllen Zeit schreiben möchte? Ich kann es nicht!
-- O, seit ich weiß, daß keine Tugend in der Revolution ist, ekelt es mich an.
Ich konnte, fern von allen idealischen Träumereien, mit unvollkommenen Menschen
zum Ziel gehen, unterwegs fallen und wieder aufstehen und weiter gehen, aber
mit Teufeln und herzlosen Teufeln, wie sie hier sind, ist es mir eine Sünde an
der Menschheit, an der heiligen Mutter Erde und an dem Licht der Sonne. Die
schmuzigen, unterirdischen Kanäle nachzugraben, in welchen diese Molche wühlen,
lohnt keines Geschichtschreibers Mühe. Immer nnr Eigennutz und Leidenschaft zu
finden, wo man Größe erwartet und verlangt; immer nur Worte für Gefühl, im¬
mer nur Prahlerei sür wirkliches Sein und Wirken --- wer kann das aushalten?" --
Förster verdammen kann nur ein Pharisäer, dessen trockenem Gemüth jener qual¬
volle Kampf der Selbstentzweiung fremd geblieben ist, dem grade starke Naturen
nicht selten unterliegen. Er verdient jenes tiefe Mitleid, das man einem tragischen
Geschick nie versagen darf; aber was er gethan, soll uns nicht als Vorbild, sondern
als Warnung dienen, und die Zeit dürfte nicht fern sein, wo eine solche Warnung
noth thun wird.


Prcisbelverbllllg.

-- Die Verleger der allgemeinen Mustcrzeitung in Stuttgart
(Engelhorn und Hochdanz) haben einen Preis von hundert Thalern für die bis
zum 1. August d. I. ihnen eingesandte beste Novelle ausgesetzt. Die concurriren¬
den Novellen sollen den Raum von 1^ bis 2 Druckbogen nicht überschreiten und
sich in Form und Inhalt nach den Anforderungen eines Damenjournals richten.
Die Verlagshandlung behält sich das Recht vor, auch von den nichtgckrönten No¬
vellen für die Mustcrzeituug Gebrauch zu machen, und honorirt die ausgewählten
mit vier Fricdrichsdor per Druckbogen. Jede eingesandte Novelle soll mit einem
Motto versehen sein und Namen und Wohnort des Verfassers in versiegelten Cou-
vert enthalten.




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als ver.uitwortl. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. -- Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. (5. Elvert in Leipzig.

Aus dem tiefschmcrzltchen Ton dieser Rechtfertigung klingt noch etwas Anderes her¬
aus, das geheime Bewußtsein einer Schuld, gegen das vergebens alle Gründe der
Abstraction und des Idealismus aufgeboten werden, und diese Schuld war in der
That vorhanden. Es wäre sür Förster besser gewesen, wenn er mehr nach Leiden¬
schaften und weniger nach Ideen gehandelt hätte. Als er sich von seinem Vater¬
land losriß und sich mit den Feinden desselben verband, folgte er nicht der natür¬
lichen Stimme seines Herzens, sondern dem übelverstandcnen Begriff einer abstrac-
ten Pflicht. Um nach einem System zu handeln, gab er den vollen Inhalt seines
Lebens, auf; und was fand er? Hören wir ihn selbst (S. 103): „Du wlmschcst,
daß ich die Geschichte dieser gräuelvvllen Zeit schreiben möchte? Ich kann es nicht!
— O, seit ich weiß, daß keine Tugend in der Revolution ist, ekelt es mich an.
Ich konnte, fern von allen idealischen Träumereien, mit unvollkommenen Menschen
zum Ziel gehen, unterwegs fallen und wieder aufstehen und weiter gehen, aber
mit Teufeln und herzlosen Teufeln, wie sie hier sind, ist es mir eine Sünde an
der Menschheit, an der heiligen Mutter Erde und an dem Licht der Sonne. Die
schmuzigen, unterirdischen Kanäle nachzugraben, in welchen diese Molche wühlen,
lohnt keines Geschichtschreibers Mühe. Immer nnr Eigennutz und Leidenschaft zu
finden, wo man Größe erwartet und verlangt; immer nur Worte für Gefühl, im¬
mer nur Prahlerei sür wirkliches Sein und Wirken -— wer kann das aushalten?" —
Förster verdammen kann nur ein Pharisäer, dessen trockenem Gemüth jener qual¬
volle Kampf der Selbstentzweiung fremd geblieben ist, dem grade starke Naturen
nicht selten unterliegen. Er verdient jenes tiefe Mitleid, das man einem tragischen
Geschick nie versagen darf; aber was er gethan, soll uns nicht als Vorbild, sondern
als Warnung dienen, und die Zeit dürfte nicht fern sein, wo eine solche Warnung
noth thun wird.


Prcisbelverbllllg.

— Die Verleger der allgemeinen Mustcrzeitung in Stuttgart
(Engelhorn und Hochdanz) haben einen Preis von hundert Thalern für die bis
zum 1. August d. I. ihnen eingesandte beste Novelle ausgesetzt. Die concurriren¬
den Novellen sollen den Raum von 1^ bis 2 Druckbogen nicht überschreiten und
sich in Form und Inhalt nach den Anforderungen eines Damenjournals richten.
Die Verlagshandlung behält sich das Recht vor, auch von den nichtgckrönten No¬
vellen für die Mustcrzeituug Gebrauch zu machen, und honorirt die ausgewählten
mit vier Fricdrichsdor per Druckbogen. Jede eingesandte Novelle soll mit einem
Motto versehen sein und Namen und Wohnort des Verfassers in versiegelten Cou-
vert enthalten.




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als ver.uitwortl. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. — Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. (5. Elvert in Leipzig.
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[0528] Aus dem tiefschmcrzltchen Ton dieser Rechtfertigung klingt noch etwas Anderes her¬ aus, das geheime Bewußtsein einer Schuld, gegen das vergebens alle Gründe der Abstraction und des Idealismus aufgeboten werden, und diese Schuld war in der That vorhanden. Es wäre sür Förster besser gewesen, wenn er mehr nach Leiden¬ schaften und weniger nach Ideen gehandelt hätte. Als er sich von seinem Vater¬ land losriß und sich mit den Feinden desselben verband, folgte er nicht der natür¬ lichen Stimme seines Herzens, sondern dem übelverstandcnen Begriff einer abstrac- ten Pflicht. Um nach einem System zu handeln, gab er den vollen Inhalt seines Lebens, auf; und was fand er? Hören wir ihn selbst (S. 103): „Du wlmschcst, daß ich die Geschichte dieser gräuelvvllen Zeit schreiben möchte? Ich kann es nicht! — O, seit ich weiß, daß keine Tugend in der Revolution ist, ekelt es mich an. Ich konnte, fern von allen idealischen Träumereien, mit unvollkommenen Menschen zum Ziel gehen, unterwegs fallen und wieder aufstehen und weiter gehen, aber mit Teufeln und herzlosen Teufeln, wie sie hier sind, ist es mir eine Sünde an der Menschheit, an der heiligen Mutter Erde und an dem Licht der Sonne. Die schmuzigen, unterirdischen Kanäle nachzugraben, in welchen diese Molche wühlen, lohnt keines Geschichtschreibers Mühe. Immer nnr Eigennutz und Leidenschaft zu finden, wo man Größe erwartet und verlangt; immer nur Worte für Gefühl, im¬ mer nur Prahlerei sür wirkliches Sein und Wirken -— wer kann das aushalten?" — Förster verdammen kann nur ein Pharisäer, dessen trockenem Gemüth jener qual¬ volle Kampf der Selbstentzweiung fremd geblieben ist, dem grade starke Naturen nicht selten unterliegen. Er verdient jenes tiefe Mitleid, das man einem tragischen Geschick nie versagen darf; aber was er gethan, soll uns nicht als Vorbild, sondern als Warnung dienen, und die Zeit dürfte nicht fern sein, wo eine solche Warnung noth thun wird. Prcisbelverbllllg. — Die Verleger der allgemeinen Mustcrzeitung in Stuttgart (Engelhorn und Hochdanz) haben einen Preis von hundert Thalern für die bis zum 1. August d. I. ihnen eingesandte beste Novelle ausgesetzt. Die concurriren¬ den Novellen sollen den Raum von 1^ bis 2 Druckbogen nicht überschreiten und sich in Form und Inhalt nach den Anforderungen eines Damenjournals richten. Die Verlagshandlung behält sich das Recht vor, auch von den nichtgckrönten No¬ vellen für die Mustcrzeituug Gebrauch zu machen, und honorirt die ausgewählten mit vier Fricdrichsdor per Druckbogen. Jede eingesandte Novelle soll mit einem Motto versehen sein und Namen und Wohnort des Verfassers in versiegelten Cou- vert enthalten. Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt. Als ver.uitwortl. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. — Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. Druck von C. (5. Elvert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/528>, abgerufen am 23.07.2024.