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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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die Seekrankheit, welche die Badegäste aus der Reise vom Festlande nach der
Insel befallen werde, als besonderes Motiv für die Einrichtung eines See¬
bades auf Juist hingestellt. Das ward nun von den zugezogenen Medicinern
sehr übel aufgenommen, und vielleicht war es dieser Punkt, der seinem ganzen
Project den Hals brach. Die Gutachten der Aerzte sprachen sich ungünstig
aus: "Man wisse nichts von solchen Neuerungen, und was das durch die
Ueberfahrt zu erregende Erbrechen betreffe, so möge das viele von der Reise
abschrecken, da solches bequemer und wohlfeiler zu Hause verursacht werden
könne." Die Angelegenheit wurde einstweilen zur Seite gelegt, und erst im
Jahre 1797 wieder aufgenommen, wo denn die Provinzialregierung die An¬
legung des Seebades auf der Insel Norderney beschloß und in Ausführung
brachte. Seit dem Jahre -18-19 hat die hannoversche Regierung das Bad
übernommen. Norderney ist seitdem unter den Nordseebädern wol das erste
durch seine natürlichen Vorzüge und durch die solide und bequeme Einrich¬
tung seiner Anstalten.




Ueber die Operationsfrage in der Krim.

Die Erkenntniß der allgemeinen Verhältnisse, welche den Krieg in der
Krim beherrschen, ist allenthalben --nur nicht, wie es scheint, in Paris und
im Kriegsrath des Generals Pelissier -- soweit gelangt, daß bereits in den
Massen des Publicums die Ansicht feststeht, wie es nur einen erfolgreichen
Operationsplan für die alliirte Armee gibt; -- daß es zufolge desselben dar¬
auf ankommt, eine Massenconcentrirung aller englisch-französisch-türkisch-
sardinischen Streitkräfte zu Eupatoria auszuführen und zwar so schnell wie
möglich, denn die Tage, in denen man auf diesen Punkt gestützt operiren
kann, sind gezählt und werden vielleicht schon in der zweiten Hälfte des Sep¬
tember, wenn die Stürme, welche zur Zeit der Nachtgleichen den Pontus auf¬
wühlen und die offene Rhede von Kosloff (Eupatoria) für eine Flotte un¬
haltbar machen, beginnen, ihr Ende erreichen; -- daß ferner es eine Rücksicht
zweiter Bedeutung ist, ob man bei dieser Concentrirung den Belagerungstrain
(Park) vor der angegriffenen Festung retten kann oder nicht, denn aufgegeben,
wird er später dennoch, sammt Sebastopol, in die Hände der Verbündeten
fallen, wenn dieselben im Vormarsch von Eupatoria auf Simpheropol oder
Baktschi Serai das Geschick des Feldzuges siegreich im Felde entschieden haben
werden.

So klar, nun dies alles immerhin auch ist, und wiewenig Zweifel dar¬
über bestehen mögen, daß die große Aufgabe ungelöst bleiben wird, wenn


Grenzboten. III. 186ö. 43

die Seekrankheit, welche die Badegäste aus der Reise vom Festlande nach der
Insel befallen werde, als besonderes Motiv für die Einrichtung eines See¬
bades auf Juist hingestellt. Das ward nun von den zugezogenen Medicinern
sehr übel aufgenommen, und vielleicht war es dieser Punkt, der seinem ganzen
Project den Hals brach. Die Gutachten der Aerzte sprachen sich ungünstig
aus: „Man wisse nichts von solchen Neuerungen, und was das durch die
Ueberfahrt zu erregende Erbrechen betreffe, so möge das viele von der Reise
abschrecken, da solches bequemer und wohlfeiler zu Hause verursacht werden
könne." Die Angelegenheit wurde einstweilen zur Seite gelegt, und erst im
Jahre 1797 wieder aufgenommen, wo denn die Provinzialregierung die An¬
legung des Seebades auf der Insel Norderney beschloß und in Ausführung
brachte. Seit dem Jahre -18-19 hat die hannoversche Regierung das Bad
übernommen. Norderney ist seitdem unter den Nordseebädern wol das erste
durch seine natürlichen Vorzüge und durch die solide und bequeme Einrich¬
tung seiner Anstalten.




Ueber die Operationsfrage in der Krim.

Die Erkenntniß der allgemeinen Verhältnisse, welche den Krieg in der
Krim beherrschen, ist allenthalben —nur nicht, wie es scheint, in Paris und
im Kriegsrath des Generals Pelissier — soweit gelangt, daß bereits in den
Massen des Publicums die Ansicht feststeht, wie es nur einen erfolgreichen
Operationsplan für die alliirte Armee gibt; — daß es zufolge desselben dar¬
auf ankommt, eine Massenconcentrirung aller englisch-französisch-türkisch-
sardinischen Streitkräfte zu Eupatoria auszuführen und zwar so schnell wie
möglich, denn die Tage, in denen man auf diesen Punkt gestützt operiren
kann, sind gezählt und werden vielleicht schon in der zweiten Hälfte des Sep¬
tember, wenn die Stürme, welche zur Zeit der Nachtgleichen den Pontus auf¬
wühlen und die offene Rhede von Kosloff (Eupatoria) für eine Flotte un¬
haltbar machen, beginnen, ihr Ende erreichen; — daß ferner es eine Rücksicht
zweiter Bedeutung ist, ob man bei dieser Concentrirung den Belagerungstrain
(Park) vor der angegriffenen Festung retten kann oder nicht, denn aufgegeben,
wird er später dennoch, sammt Sebastopol, in die Hände der Verbündeten
fallen, wenn dieselben im Vormarsch von Eupatoria auf Simpheropol oder
Baktschi Serai das Geschick des Feldzuges siegreich im Felde entschieden haben
werden.

So klar, nun dies alles immerhin auch ist, und wiewenig Zweifel dar¬
über bestehen mögen, daß die große Aufgabe ungelöst bleiben wird, wenn


Grenzboten. III. 186ö. 43
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[0361] die Seekrankheit, welche die Badegäste aus der Reise vom Festlande nach der Insel befallen werde, als besonderes Motiv für die Einrichtung eines See¬ bades auf Juist hingestellt. Das ward nun von den zugezogenen Medicinern sehr übel aufgenommen, und vielleicht war es dieser Punkt, der seinem ganzen Project den Hals brach. Die Gutachten der Aerzte sprachen sich ungünstig aus: „Man wisse nichts von solchen Neuerungen, und was das durch die Ueberfahrt zu erregende Erbrechen betreffe, so möge das viele von der Reise abschrecken, da solches bequemer und wohlfeiler zu Hause verursacht werden könne." Die Angelegenheit wurde einstweilen zur Seite gelegt, und erst im Jahre 1797 wieder aufgenommen, wo denn die Provinzialregierung die An¬ legung des Seebades auf der Insel Norderney beschloß und in Ausführung brachte. Seit dem Jahre -18-19 hat die hannoversche Regierung das Bad übernommen. Norderney ist seitdem unter den Nordseebädern wol das erste durch seine natürlichen Vorzüge und durch die solide und bequeme Einrich¬ tung seiner Anstalten. Ueber die Operationsfrage in der Krim. Die Erkenntniß der allgemeinen Verhältnisse, welche den Krieg in der Krim beherrschen, ist allenthalben —nur nicht, wie es scheint, in Paris und im Kriegsrath des Generals Pelissier — soweit gelangt, daß bereits in den Massen des Publicums die Ansicht feststeht, wie es nur einen erfolgreichen Operationsplan für die alliirte Armee gibt; — daß es zufolge desselben dar¬ auf ankommt, eine Massenconcentrirung aller englisch-französisch-türkisch- sardinischen Streitkräfte zu Eupatoria auszuführen und zwar so schnell wie möglich, denn die Tage, in denen man auf diesen Punkt gestützt operiren kann, sind gezählt und werden vielleicht schon in der zweiten Hälfte des Sep¬ tember, wenn die Stürme, welche zur Zeit der Nachtgleichen den Pontus auf¬ wühlen und die offene Rhede von Kosloff (Eupatoria) für eine Flotte un¬ haltbar machen, beginnen, ihr Ende erreichen; — daß ferner es eine Rücksicht zweiter Bedeutung ist, ob man bei dieser Concentrirung den Belagerungstrain (Park) vor der angegriffenen Festung retten kann oder nicht, denn aufgegeben, wird er später dennoch, sammt Sebastopol, in die Hände der Verbündeten fallen, wenn dieselben im Vormarsch von Eupatoria auf Simpheropol oder Baktschi Serai das Geschick des Feldzuges siegreich im Felde entschieden haben werden. So klar, nun dies alles immerhin auch ist, und wiewenig Zweifel dar¬ über bestehen mögen, daß die große Aufgabe ungelöst bleiben wird, wenn Grenzboten. III. 186ö. 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/361>, abgerufen am 22.12.2024.