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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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theile ab, welche die Ausübung eines Maubads und der Posten eines Pro-
curators boten und er entschied sich für die Bewahrung dieses Postens.

Das klerikale Ministerium vom 30. März flößt daher, wie ich im An¬
fange dieser Skizze gesagt, dem Lande nur Gefühle der Repulsion, sowol durch
seine Zusammensetzung, wie durch seinen politischen Charakter und seinen Ur¬
sprung ein. Seine Uebernahme der Geschäfte bietet jedoch aus zwei Gesichts¬
punkten eine Genugthuung. Sie läßt als erstes Resultat die parlamentarische
Negierung wieder in ihren regelmäßigen und normalen Gang dadurch eintreten,
daß die Macht ein Princip repräsentirt; sie macht aller Zweideutigkeit ein
Ende, dieser Konfusion der Dinge und Menschen, welche das belgische Parla¬
ment in ein wahres Babel verwandelt hatte. Als zweites Resultat wird sie
die liberale Partei aus ihrer Erstarrung wecken, derselben ihre alte Kraft, ihre
alte Energie und vielleicht auch, was das Wünschenswerteste wäre ihre alte
,T. Einigkeit wiedergeben.




Die Wassmwtl) der Weichselmluschlnuder in WestMußen.

Die Zeitungen sind noch voll von dem Unglücke, welches die Bewohner
der Weichselniederung erlitten haben. Es scheint uns für die Sache der Un¬
glücklichen in hohem Grade ersprießlich, wenn in diesem entscheidenden Augen¬
blicke die Presse einem alten Vorurtheile entgegenarbeitet, das, noch aus den
Zeiten eines mangelhafen Verkehres stammend, in der Menge festsitzt und so
manche wohlthätige Hand an der Hilfeleistung der Verunglückten verhindern
könnte. Das größere Publicum Deutschlands theilt nämlich die Ansicht, daß
die Niederungen in Ost- und Westpreußen nur von einem durchweg reichen
Bauernstande bewohnt und zweitens von derlei Überschwemmungen in regel¬
mäßigen Zwischenräumen heimgesucht würden. Man glaubt daher allgemein^
daß ein solches Unglück für die Betheiligten leichter zu verschmerzen sei, als
in anderen Gegenden, ja, daß die Betroffenen selbst gewissermaßen mit solchen
elementaren Begegnissenj vertrauter und dagegen abgehärteter seien. Da nun
aber für Zwecke der Wohlthätigkeit möglichst Viele gewonnen werden müssen,
möchte es vom besten Erfolge sein, die Lage jener Gegenden und ihre Bewohner
specieller Nro streng wahrheitsgemäß zu charakterisieren und dadurch die Presse
in Stand zu setzen, ihrerseits eine ernste Pflicht zu erfüllen.*)

Unter "Werbern" versteht man in Preußen solche Landesstrecken, die den
Strömen durch Abdämmung abgewonnen wurden; insbesondere bezeichnet man



*) Ich'beziehe mich hierbei mit auf eine Aufforderung in der Königsberger Zeitung,, in
der Beilage zu Ur. 86.
Grenzboten. II. 28

theile ab, welche die Ausübung eines Maubads und der Posten eines Pro-
curators boten und er entschied sich für die Bewahrung dieses Postens.

Das klerikale Ministerium vom 30. März flößt daher, wie ich im An¬
fange dieser Skizze gesagt, dem Lande nur Gefühle der Repulsion, sowol durch
seine Zusammensetzung, wie durch seinen politischen Charakter und seinen Ur¬
sprung ein. Seine Uebernahme der Geschäfte bietet jedoch aus zwei Gesichts¬
punkten eine Genugthuung. Sie läßt als erstes Resultat die parlamentarische
Negierung wieder in ihren regelmäßigen und normalen Gang dadurch eintreten,
daß die Macht ein Princip repräsentirt; sie macht aller Zweideutigkeit ein
Ende, dieser Konfusion der Dinge und Menschen, welche das belgische Parla¬
ment in ein wahres Babel verwandelt hatte. Als zweites Resultat wird sie
die liberale Partei aus ihrer Erstarrung wecken, derselben ihre alte Kraft, ihre
alte Energie und vielleicht auch, was das Wünschenswerteste wäre ihre alte
,T. Einigkeit wiedergeben.




Die Wassmwtl) der Weichselmluschlnuder in WestMußen.

Die Zeitungen sind noch voll von dem Unglücke, welches die Bewohner
der Weichselniederung erlitten haben. Es scheint uns für die Sache der Un¬
glücklichen in hohem Grade ersprießlich, wenn in diesem entscheidenden Augen¬
blicke die Presse einem alten Vorurtheile entgegenarbeitet, das, noch aus den
Zeiten eines mangelhafen Verkehres stammend, in der Menge festsitzt und so
manche wohlthätige Hand an der Hilfeleistung der Verunglückten verhindern
könnte. Das größere Publicum Deutschlands theilt nämlich die Ansicht, daß
die Niederungen in Ost- und Westpreußen nur von einem durchweg reichen
Bauernstande bewohnt und zweitens von derlei Überschwemmungen in regel¬
mäßigen Zwischenräumen heimgesucht würden. Man glaubt daher allgemein^
daß ein solches Unglück für die Betheiligten leichter zu verschmerzen sei, als
in anderen Gegenden, ja, daß die Betroffenen selbst gewissermaßen mit solchen
elementaren Begegnissenj vertrauter und dagegen abgehärteter seien. Da nun
aber für Zwecke der Wohlthätigkeit möglichst Viele gewonnen werden müssen,
möchte es vom besten Erfolge sein, die Lage jener Gegenden und ihre Bewohner
specieller Nro streng wahrheitsgemäß zu charakterisieren und dadurch die Presse
in Stand zu setzen, ihrerseits eine ernste Pflicht zu erfüllen.*)

Unter „Werbern" versteht man in Preußen solche Landesstrecken, die den
Strömen durch Abdämmung abgewonnen wurden; insbesondere bezeichnet man



*) Ich'beziehe mich hierbei mit auf eine Aufforderung in der Königsberger Zeitung,, in
der Beilage zu Ur. 86.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/225>, abgerufen am 05.12.2024.