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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Neue Bücher über bildende Kunst.
Fingerzeige aus dem Gebiete der kirchlichen Kunst von August Rei¬
ch eus per g er. Besondere Ausgabe mit drei Tafeln Abbildungen. Leipzig,
T. O. Weigel. 18os. --

Das geistvolle und interessante Werk erscheint hier in einer billigern, für
das größere Publicum bestimmten Ausgabe und gibt uns zugleich durch die
Vorrede Veranlassung, noch einmal darauf einzugehen. -- Es ist wunderlich,
wie man die Leute mißversteht, wenn man eine bestimmte Idee mit sich herum¬
trägt, die ihr Licht auf alle übrigen Gegenstände wirft. Herr Reichensperger
vermuthet in dem Beifall, den wir seinen künstlerischen Ansichten zollen, eine
geheime, wenn auch widerwillige Neigung zum Katholicismus, und in unsrer
Aufforderung, den künstlerischen Gesichtspunkt vom kirchlichen zu scheiden, sieht
er wieder eine fieberhafte Angst vor dem Katholicismus. Es ist keines von
beiden der Fall, sondern die Sache verhält sich folgendermaßen.

In Beziehung auf die Baukunst sind wir nicht seine principiellen Gegner,
sondern seine principiellen Freunde, ja wir stehn ihm näher als sein Recensent
in den historisch-politischen Jahrbüchern, denn wir denken über die Anwen¬
dung der Malerei innerhalb der Architektur genau so wie er. Wenn wir in
einzelnen Punkten eine abweichende Meinung hegen, so sind das eben nur
Meinungsverschiedenheiten, die das Princip nicht berühren.

In Beziehung auf die kirchliche Baukunst sind wir auch nicht seine Geg¬
ner, sondern wir sind darin völlig indifferent. Was Herr Reichensperger als
Katholik seiner.Kirche für Rathschläge gibt in Beziehung auf die Anforderungen,
die sie als solche an den Baumeister zu stellen hat, das ist uns völlig gleich-
giltig. Darüber einig zu werden ist Sache der Kirche, die uns nichts angeht,
sowie es Sache eines Kunstvereins ist, sich über die Anforderungen, die er in
Betreff einer Bildergalerie an den Baumeister zu stellen hat, zu einigen, Sache
des Privatmanns, dem Baumeister klar zu machen, wie er wohnen, ans welche
Weise er sein Haus verwerthen will. Ju dem leitenden Princip, das Herr
Reichensperger vertritt und das er höchst geistvoll auseinandergesetzt, stehen wir
ganz auf seiner Seite: daß man nämlich nicht, wie die Akademiker, von außen
nach innen, sondern von innen nach außen bauen müsse, daß der praktische
Gebrauch das Bestimmende sein müsse, und daß man in Beziehung auf die
äußere Form nur darnach zu streben habe, dieselbe dem Inhalt so angemessen
und würdig als möglich zu machen. In allen diesen Punkten treten wir ihm
völlig bei.

Wenn er aber ferner behauptet, seine Ansichten über Baukunst aus seiner
kirchlichen Ueberzeugung geschöpft zu haben, so halten wir das gradezu für ab-


Grenzbvlen. II. t86ö. 18
Neue Bücher über bildende Kunst.
Fingerzeige aus dem Gebiete der kirchlichen Kunst von August Rei¬
ch eus per g er. Besondere Ausgabe mit drei Tafeln Abbildungen. Leipzig,
T. O. Weigel. 18os. —

Das geistvolle und interessante Werk erscheint hier in einer billigern, für
das größere Publicum bestimmten Ausgabe und gibt uns zugleich durch die
Vorrede Veranlassung, noch einmal darauf einzugehen. — Es ist wunderlich,
wie man die Leute mißversteht, wenn man eine bestimmte Idee mit sich herum¬
trägt, die ihr Licht auf alle übrigen Gegenstände wirft. Herr Reichensperger
vermuthet in dem Beifall, den wir seinen künstlerischen Ansichten zollen, eine
geheime, wenn auch widerwillige Neigung zum Katholicismus, und in unsrer
Aufforderung, den künstlerischen Gesichtspunkt vom kirchlichen zu scheiden, sieht
er wieder eine fieberhafte Angst vor dem Katholicismus. Es ist keines von
beiden der Fall, sondern die Sache verhält sich folgendermaßen.

In Beziehung auf die Baukunst sind wir nicht seine principiellen Gegner,
sondern seine principiellen Freunde, ja wir stehn ihm näher als sein Recensent
in den historisch-politischen Jahrbüchern, denn wir denken über die Anwen¬
dung der Malerei innerhalb der Architektur genau so wie er. Wenn wir in
einzelnen Punkten eine abweichende Meinung hegen, so sind das eben nur
Meinungsverschiedenheiten, die das Princip nicht berühren.

In Beziehung auf die kirchliche Baukunst sind wir auch nicht seine Geg¬
ner, sondern wir sind darin völlig indifferent. Was Herr Reichensperger als
Katholik seiner.Kirche für Rathschläge gibt in Beziehung auf die Anforderungen,
die sie als solche an den Baumeister zu stellen hat, das ist uns völlig gleich-
giltig. Darüber einig zu werden ist Sache der Kirche, die uns nichts angeht,
sowie es Sache eines Kunstvereins ist, sich über die Anforderungen, die er in
Betreff einer Bildergalerie an den Baumeister zu stellen hat, zu einigen, Sache
des Privatmanns, dem Baumeister klar zu machen, wie er wohnen, ans welche
Weise er sein Haus verwerthen will. Ju dem leitenden Princip, das Herr
Reichensperger vertritt und das er höchst geistvoll auseinandergesetzt, stehen wir
ganz auf seiner Seite: daß man nämlich nicht, wie die Akademiker, von außen
nach innen, sondern von innen nach außen bauen müsse, daß der praktische
Gebrauch das Bestimmende sein müsse, und daß man in Beziehung auf die
äußere Form nur darnach zu streben habe, dieselbe dem Inhalt so angemessen
und würdig als möglich zu machen. In allen diesen Punkten treten wir ihm
völlig bei.

Wenn er aber ferner behauptet, seine Ansichten über Baukunst aus seiner
kirchlichen Ueberzeugung geschöpft zu haben, so halten wir das gradezu für ab-


Grenzbvlen. II. t86ö. 18
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[0145] Neue Bücher über bildende Kunst. Fingerzeige aus dem Gebiete der kirchlichen Kunst von August Rei¬ ch eus per g er. Besondere Ausgabe mit drei Tafeln Abbildungen. Leipzig, T. O. Weigel. 18os. — Das geistvolle und interessante Werk erscheint hier in einer billigern, für das größere Publicum bestimmten Ausgabe und gibt uns zugleich durch die Vorrede Veranlassung, noch einmal darauf einzugehen. — Es ist wunderlich, wie man die Leute mißversteht, wenn man eine bestimmte Idee mit sich herum¬ trägt, die ihr Licht auf alle übrigen Gegenstände wirft. Herr Reichensperger vermuthet in dem Beifall, den wir seinen künstlerischen Ansichten zollen, eine geheime, wenn auch widerwillige Neigung zum Katholicismus, und in unsrer Aufforderung, den künstlerischen Gesichtspunkt vom kirchlichen zu scheiden, sieht er wieder eine fieberhafte Angst vor dem Katholicismus. Es ist keines von beiden der Fall, sondern die Sache verhält sich folgendermaßen. In Beziehung auf die Baukunst sind wir nicht seine principiellen Gegner, sondern seine principiellen Freunde, ja wir stehn ihm näher als sein Recensent in den historisch-politischen Jahrbüchern, denn wir denken über die Anwen¬ dung der Malerei innerhalb der Architektur genau so wie er. Wenn wir in einzelnen Punkten eine abweichende Meinung hegen, so sind das eben nur Meinungsverschiedenheiten, die das Princip nicht berühren. In Beziehung auf die kirchliche Baukunst sind wir auch nicht seine Geg¬ ner, sondern wir sind darin völlig indifferent. Was Herr Reichensperger als Katholik seiner.Kirche für Rathschläge gibt in Beziehung auf die Anforderungen, die sie als solche an den Baumeister zu stellen hat, das ist uns völlig gleich- giltig. Darüber einig zu werden ist Sache der Kirche, die uns nichts angeht, sowie es Sache eines Kunstvereins ist, sich über die Anforderungen, die er in Betreff einer Bildergalerie an den Baumeister zu stellen hat, zu einigen, Sache des Privatmanns, dem Baumeister klar zu machen, wie er wohnen, ans welche Weise er sein Haus verwerthen will. Ju dem leitenden Princip, das Herr Reichensperger vertritt und das er höchst geistvoll auseinandergesetzt, stehen wir ganz auf seiner Seite: daß man nämlich nicht, wie die Akademiker, von außen nach innen, sondern von innen nach außen bauen müsse, daß der praktische Gebrauch das Bestimmende sein müsse, und daß man in Beziehung auf die äußere Form nur darnach zu streben habe, dieselbe dem Inhalt so angemessen und würdig als möglich zu machen. In allen diesen Punkten treten wir ihm völlig bei. Wenn er aber ferner behauptet, seine Ansichten über Baukunst aus seiner kirchlichen Ueberzeugung geschöpft zu haben, so halten wir das gradezu für ab- Grenzbvlen. II. t86ö. 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/145>, abgerufen am 05.12.2024.