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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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In der Anordnung und Gruppirung sind wesentliche Verbesserungen ein¬
getreten. In der ersten Ausgabe war z. B. die ägyptische Geschichte von den
ersten Ansängen bis zum Ende der Psammetichschen Dynastie behandelt; jetzt ist
bei der Anordnung des Ganzen die chronologische Folge zu Grunde gelegt, und
der Stoff zerfällt in drei Perioden, welche durch die Jahre 1250 und 720
voneinander geschieden werden, und zwar so, daß in der ersten Periode die
ägyptischen und die asiatischen Zustände gesondert betrachtet werden. So grup-
pirt sich der ganze ungeheure Stoff auf eine natürliche und zweckmäßige Weise,
und trotz der nothwendigen Mischung von Erzählung und Untersuchung ge¬
winnt man eine bequeme Uebersicht

Auch die künstlerische Form hat gewonnen. Zuweilen sind es nur kleine
Zusätze, die das Resultat schärfer Pointiren und die Periode faßlicher abrunden,
und fast in keinem Abschnitt ist die sorgsam heilende Hand ganz zu vermissen.

So können wir nur den Wunsch aussprechen, daß der Erfolg dieser zweiten
Ausgabe sich ebenso gedeihlich gestalte, als der der ersten; denn soviel wir der
gegenwärtig vorherrschenden Naturwissenschaft verdanken, so wird doch die echte
Bildung und Humanität viel weniger durch sie, als durch die geschichtlichen
Studien gefördert; jemehr wir erkenne", daß in der Entwicklung des Menschen¬
geschlechts Einheit und Zusammenhang herrscht, je reicher sich unsre Anschau¬
ungen in die buntbewegte Welt des Menschenlebens erweitern, destomehr
lernen wir bei uns selbst zu Hause sein, desto sicherer werden wir in unsern
Idealen, desto unbefangener in unserm Glauben. Herr Duncker hegt eine
gewisse Abneigung gegen die Philosophie, und er hat Recht, insofern sich diese
in Floskeln und Abstractionen bewegt, aber daß er selbst das Studium der
Philosophie gründlich durchgemacht, ist doch seiner historischen Darstellung zu¬
gutegekommen, denn nur wer sicher ist in den Ideen, findet sich auch in den
Thatsachen zurecht. --


Das deutsche Volk dargestellt in Vergangenheit und Gegenwart zur
Begründung der Zukunft. Leipzig, T. O. Weigel. --

Von dieser Sammlung, die wir schon mehrfach lebhaft befürwortet haben,
sind gegenwärtig zwei vollendete Werke von Professor Barthold anzuführen:
die Geschichte der deutschen Städte in vier Bänden;, die Geschichte der deutschen
Hansa in drei Bänden. Beide sind eine höchst dankenswerthe Bereicherung
der nationalen Literatur und verdienen die Aufmerksamkeit aller derer, welche
," der Geschichte nicht-nach Curiositäten suchen, sondern die ideelle Verbindung
von Gegenwart und Zukunft suchen, die klare Vorstellung von den Keimen
und Voraussetzungen, aus denen sich die weitere'Geschichte organisch ent¬
wickeln kann und soll.


In der Anordnung und Gruppirung sind wesentliche Verbesserungen ein¬
getreten. In der ersten Ausgabe war z. B. die ägyptische Geschichte von den
ersten Ansängen bis zum Ende der Psammetichschen Dynastie behandelt; jetzt ist
bei der Anordnung des Ganzen die chronologische Folge zu Grunde gelegt, und
der Stoff zerfällt in drei Perioden, welche durch die Jahre 1250 und 720
voneinander geschieden werden, und zwar so, daß in der ersten Periode die
ägyptischen und die asiatischen Zustände gesondert betrachtet werden. So grup-
pirt sich der ganze ungeheure Stoff auf eine natürliche und zweckmäßige Weise,
und trotz der nothwendigen Mischung von Erzählung und Untersuchung ge¬
winnt man eine bequeme Uebersicht

Auch die künstlerische Form hat gewonnen. Zuweilen sind es nur kleine
Zusätze, die das Resultat schärfer Pointiren und die Periode faßlicher abrunden,
und fast in keinem Abschnitt ist die sorgsam heilende Hand ganz zu vermissen.

So können wir nur den Wunsch aussprechen, daß der Erfolg dieser zweiten
Ausgabe sich ebenso gedeihlich gestalte, als der der ersten; denn soviel wir der
gegenwärtig vorherrschenden Naturwissenschaft verdanken, so wird doch die echte
Bildung und Humanität viel weniger durch sie, als durch die geschichtlichen
Studien gefördert; jemehr wir erkenne», daß in der Entwicklung des Menschen¬
geschlechts Einheit und Zusammenhang herrscht, je reicher sich unsre Anschau¬
ungen in die buntbewegte Welt des Menschenlebens erweitern, destomehr
lernen wir bei uns selbst zu Hause sein, desto sicherer werden wir in unsern
Idealen, desto unbefangener in unserm Glauben. Herr Duncker hegt eine
gewisse Abneigung gegen die Philosophie, und er hat Recht, insofern sich diese
in Floskeln und Abstractionen bewegt, aber daß er selbst das Studium der
Philosophie gründlich durchgemacht, ist doch seiner historischen Darstellung zu¬
gutegekommen, denn nur wer sicher ist in den Ideen, findet sich auch in den
Thatsachen zurecht. —


Das deutsche Volk dargestellt in Vergangenheit und Gegenwart zur
Begründung der Zukunft. Leipzig, T. O. Weigel. —

Von dieser Sammlung, die wir schon mehrfach lebhaft befürwortet haben,
sind gegenwärtig zwei vollendete Werke von Professor Barthold anzuführen:
die Geschichte der deutschen Städte in vier Bänden;, die Geschichte der deutschen
Hansa in drei Bänden. Beide sind eine höchst dankenswerthe Bereicherung
der nationalen Literatur und verdienen die Aufmerksamkeit aller derer, welche
,» der Geschichte nicht-nach Curiositäten suchen, sondern die ideelle Verbindung
von Gegenwart und Zukunft suchen, die klare Vorstellung von den Keimen
und Voraussetzungen, aus denen sich die weitere'Geschichte organisch ent¬
wickeln kann und soll.


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[0130] In der Anordnung und Gruppirung sind wesentliche Verbesserungen ein¬ getreten. In der ersten Ausgabe war z. B. die ägyptische Geschichte von den ersten Ansängen bis zum Ende der Psammetichschen Dynastie behandelt; jetzt ist bei der Anordnung des Ganzen die chronologische Folge zu Grunde gelegt, und der Stoff zerfällt in drei Perioden, welche durch die Jahre 1250 und 720 voneinander geschieden werden, und zwar so, daß in der ersten Periode die ägyptischen und die asiatischen Zustände gesondert betrachtet werden. So grup- pirt sich der ganze ungeheure Stoff auf eine natürliche und zweckmäßige Weise, und trotz der nothwendigen Mischung von Erzählung und Untersuchung ge¬ winnt man eine bequeme Uebersicht Auch die künstlerische Form hat gewonnen. Zuweilen sind es nur kleine Zusätze, die das Resultat schärfer Pointiren und die Periode faßlicher abrunden, und fast in keinem Abschnitt ist die sorgsam heilende Hand ganz zu vermissen. So können wir nur den Wunsch aussprechen, daß der Erfolg dieser zweiten Ausgabe sich ebenso gedeihlich gestalte, als der der ersten; denn soviel wir der gegenwärtig vorherrschenden Naturwissenschaft verdanken, so wird doch die echte Bildung und Humanität viel weniger durch sie, als durch die geschichtlichen Studien gefördert; jemehr wir erkenne», daß in der Entwicklung des Menschen¬ geschlechts Einheit und Zusammenhang herrscht, je reicher sich unsre Anschau¬ ungen in die buntbewegte Welt des Menschenlebens erweitern, destomehr lernen wir bei uns selbst zu Hause sein, desto sicherer werden wir in unsern Idealen, desto unbefangener in unserm Glauben. Herr Duncker hegt eine gewisse Abneigung gegen die Philosophie, und er hat Recht, insofern sich diese in Floskeln und Abstractionen bewegt, aber daß er selbst das Studium der Philosophie gründlich durchgemacht, ist doch seiner historischen Darstellung zu¬ gutegekommen, denn nur wer sicher ist in den Ideen, findet sich auch in den Thatsachen zurecht. — Das deutsche Volk dargestellt in Vergangenheit und Gegenwart zur Begründung der Zukunft. Leipzig, T. O. Weigel. — Von dieser Sammlung, die wir schon mehrfach lebhaft befürwortet haben, sind gegenwärtig zwei vollendete Werke von Professor Barthold anzuführen: die Geschichte der deutschen Städte in vier Bänden;, die Geschichte der deutschen Hansa in drei Bänden. Beide sind eine höchst dankenswerthe Bereicherung der nationalen Literatur und verdienen die Aufmerksamkeit aller derer, welche ,» der Geschichte nicht-nach Curiositäten suchen, sondern die ideelle Verbindung von Gegenwart und Zukunft suchen, die klare Vorstellung von den Keimen und Voraussetzungen, aus denen sich die weitere'Geschichte organisch ent¬ wickeln kann und soll.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/130>, abgerufen am 05.12.2024.