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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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an Beifall, Glanz und Ehre in Wien zutheilgeworden, hat mich nichts so
im Tiefsten ergrissen, als dieser brüderliche Kuß Beethovens." -- Recht liebens¬
würdig hat Rellstab sein Zusammentreffen mit dem Wunderknaben Felir Men-
delssohn-Bartholdy in Weimar erzählt, wo dieser durch seinen Lehrer Zelter
1821 bei Goethe eingeführt wurde. Der wunderbar begabte junge Künstler
entwickelte schon damals einzelne. Züge, in denen die Grundeigenthümlichkeit
seines Charakters hervortrat. Man ist in neuerer Zeit auf manche Schwächen
in dem Schaffen Mendelssohns aufmerksam geworden, welche die frühere un¬
bedingte Verehrung übersah. Es wäre nun wol einmal an der Zeit, daß
von einer kundigen Feder das Große zusammengestellt würde, welches die mo¬
derne Kunst einem ebenso allseitigen als künstlerisch edlen und gewissenhaften
Streben verdankt; Mendelssohn gehört nicht in die Reihe der schöpferischen
Kräfte, aber was vollendete Geschmacksbildung und Ehrlichkeit des künstlerischen
Enthusiasmus betrifft, hat er in der Geschichte der Musik kaum seinesglei¬
chen. -- Wir erlauben uns zu der Besprechung dieser beiden zusammengehörigen
Werke noch ein drittes hinzuzufügen, dessen Gegenstand etwas weiter davon
abliegt.


8in<ij orientali e tinguistiei, rsooolta porioltic" all K. 5. ^Scott, memdr"
ekelt" societa orioiUalo germimieil <ki llulle o I^ipsis. I^sseiolo piimo. In
Wluno, Volpsto. --

Aus Schriften ähnlichen Inhalts das deutsche Publicum hinzuweisen, ist
um so wichtiger, jemehr sich bisher die italienische Literatur von dem übrigen
Weltverkehr isolirt hat. Was in Deutschland, England oder Frankreich ge¬
schrieben wird, geht, wenn es nur von irgendeiner Bedeutung ist, sofort in
den allgemeinen Weltverkehr über; von der italienischen Literatur dagegen
nimmt man ziemlich wenig Notiz; und ebenso dringen die deutschen und eng¬
lischen Studien nur in äußerst geringer Zahl über die Alpen. Für die Poesie
würde eine solche Isolirtheit manche Vortheile haben, da in dieser Beziehung durch
das Weltbürgerthum alle künstlerische Physiognomie unterdrückt wird; aber
grade hier hört leider die Grenzmauer auf. Der französische Roman und das
französische Theater dominirt in Italien grade ebenso, wie in allen übrigen
Ländern Europas. Um so ^erfreulicher muß die gegenwärtige Schrift auf uns
wirken, da sie zeigt, daß der wissenschaftliche Zusammenhang zwischen den
Nationen Europas doch nicht ganz ausgehoben ist. Der Verfasser zeigt in
seiner Einleitung, welche eine philosophisch-historische Skizze über die Bildung
und den Zusammenhang der Sprachen und namentlich über die moderne Ent¬
wicklung der vergleichenden Sprachwissenschaft enthält, daß er mit den deut¬
schen Studien wohlbekannt isst. Er läßt dann eine kurze Uebersicht des
indischen Epos folgen und gibt dann die Probe einer Uebersetzung aus der


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an Beifall, Glanz und Ehre in Wien zutheilgeworden, hat mich nichts so
im Tiefsten ergrissen, als dieser brüderliche Kuß Beethovens." — Recht liebens¬
würdig hat Rellstab sein Zusammentreffen mit dem Wunderknaben Felir Men-
delssohn-Bartholdy in Weimar erzählt, wo dieser durch seinen Lehrer Zelter
1821 bei Goethe eingeführt wurde. Der wunderbar begabte junge Künstler
entwickelte schon damals einzelne. Züge, in denen die Grundeigenthümlichkeit
seines Charakters hervortrat. Man ist in neuerer Zeit auf manche Schwächen
in dem Schaffen Mendelssohns aufmerksam geworden, welche die frühere un¬
bedingte Verehrung übersah. Es wäre nun wol einmal an der Zeit, daß
von einer kundigen Feder das Große zusammengestellt würde, welches die mo¬
derne Kunst einem ebenso allseitigen als künstlerisch edlen und gewissenhaften
Streben verdankt; Mendelssohn gehört nicht in die Reihe der schöpferischen
Kräfte, aber was vollendete Geschmacksbildung und Ehrlichkeit des künstlerischen
Enthusiasmus betrifft, hat er in der Geschichte der Musik kaum seinesglei¬
chen. — Wir erlauben uns zu der Besprechung dieser beiden zusammengehörigen
Werke noch ein drittes hinzuzufügen, dessen Gegenstand etwas weiter davon
abliegt.


8in<ij orientali e tinguistiei, rsooolta porioltic» all K. 5. ^Scott, memdr»
ekelt» societa orioiUalo germimieil <ki llulle o I^ipsis. I^sseiolo piimo. In
Wluno, Volpsto. —

Aus Schriften ähnlichen Inhalts das deutsche Publicum hinzuweisen, ist
um so wichtiger, jemehr sich bisher die italienische Literatur von dem übrigen
Weltverkehr isolirt hat. Was in Deutschland, England oder Frankreich ge¬
schrieben wird, geht, wenn es nur von irgendeiner Bedeutung ist, sofort in
den allgemeinen Weltverkehr über; von der italienischen Literatur dagegen
nimmt man ziemlich wenig Notiz; und ebenso dringen die deutschen und eng¬
lischen Studien nur in äußerst geringer Zahl über die Alpen. Für die Poesie
würde eine solche Isolirtheit manche Vortheile haben, da in dieser Beziehung durch
das Weltbürgerthum alle künstlerische Physiognomie unterdrückt wird; aber
grade hier hört leider die Grenzmauer auf. Der französische Roman und das
französische Theater dominirt in Italien grade ebenso, wie in allen übrigen
Ländern Europas. Um so ^erfreulicher muß die gegenwärtige Schrift auf uns
wirken, da sie zeigt, daß der wissenschaftliche Zusammenhang zwischen den
Nationen Europas doch nicht ganz ausgehoben ist. Der Verfasser zeigt in
seiner Einleitung, welche eine philosophisch-historische Skizze über die Bildung
und den Zusammenhang der Sprachen und namentlich über die moderne Ent¬
wicklung der vergleichenden Sprachwissenschaft enthält, daß er mit den deut¬
schen Studien wohlbekannt isst. Er läßt dann eine kurze Uebersicht des
indischen Epos folgen und gibt dann die Probe einer Uebersetzung aus der


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[0347] ,.' an Beifall, Glanz und Ehre in Wien zutheilgeworden, hat mich nichts so im Tiefsten ergrissen, als dieser brüderliche Kuß Beethovens." — Recht liebens¬ würdig hat Rellstab sein Zusammentreffen mit dem Wunderknaben Felir Men- delssohn-Bartholdy in Weimar erzählt, wo dieser durch seinen Lehrer Zelter 1821 bei Goethe eingeführt wurde. Der wunderbar begabte junge Künstler entwickelte schon damals einzelne. Züge, in denen die Grundeigenthümlichkeit seines Charakters hervortrat. Man ist in neuerer Zeit auf manche Schwächen in dem Schaffen Mendelssohns aufmerksam geworden, welche die frühere un¬ bedingte Verehrung übersah. Es wäre nun wol einmal an der Zeit, daß von einer kundigen Feder das Große zusammengestellt würde, welches die mo¬ derne Kunst einem ebenso allseitigen als künstlerisch edlen und gewissenhaften Streben verdankt; Mendelssohn gehört nicht in die Reihe der schöpferischen Kräfte, aber was vollendete Geschmacksbildung und Ehrlichkeit des künstlerischen Enthusiasmus betrifft, hat er in der Geschichte der Musik kaum seinesglei¬ chen. — Wir erlauben uns zu der Besprechung dieser beiden zusammengehörigen Werke noch ein drittes hinzuzufügen, dessen Gegenstand etwas weiter davon abliegt. 8in<ij orientali e tinguistiei, rsooolta porioltic» all K. 5. ^Scott, memdr» ekelt» societa orioiUalo germimieil <ki llulle o I^ipsis. I^sseiolo piimo. In Wluno, Volpsto. — Aus Schriften ähnlichen Inhalts das deutsche Publicum hinzuweisen, ist um so wichtiger, jemehr sich bisher die italienische Literatur von dem übrigen Weltverkehr isolirt hat. Was in Deutschland, England oder Frankreich ge¬ schrieben wird, geht, wenn es nur von irgendeiner Bedeutung ist, sofort in den allgemeinen Weltverkehr über; von der italienischen Literatur dagegen nimmt man ziemlich wenig Notiz; und ebenso dringen die deutschen und eng¬ lischen Studien nur in äußerst geringer Zahl über die Alpen. Für die Poesie würde eine solche Isolirtheit manche Vortheile haben, da in dieser Beziehung durch das Weltbürgerthum alle künstlerische Physiognomie unterdrückt wird; aber grade hier hört leider die Grenzmauer auf. Der französische Roman und das französische Theater dominirt in Italien grade ebenso, wie in allen übrigen Ländern Europas. Um so ^erfreulicher muß die gegenwärtige Schrift auf uns wirken, da sie zeigt, daß der wissenschaftliche Zusammenhang zwischen den Nationen Europas doch nicht ganz ausgehoben ist. Der Verfasser zeigt in seiner Einleitung, welche eine philosophisch-historische Skizze über die Bildung und den Zusammenhang der Sprachen und namentlich über die moderne Ent¬ wicklung der vergleichenden Sprachwissenschaft enthält, daß er mit den deut¬ schen Studien wohlbekannt isst. Er läßt dann eine kurze Uebersicht des indischen Epos folgen und gibt dann die Probe einer Uebersetzung aus der 43*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/347>, abgerufen am 22.07.2024.