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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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unsern Widerspruch gegen die Haltung und Tendenz dieses Blattes auszusprechen.
Wir halten es daher im gegenwärtigen Augenblick für geeignet, auf das völlig
veränderte Verhältniß hinzuweisen. Die Nationalzeitung hat sich in Beziehung
auf die orientalische Frage, wenn wir von den äußern Formen und Redensarten
absehen, die ein Blatt nicht leicht abstreift und die in diesem Falle auch nicht das
Wesen der Sache berühren, durchaus so gehalten, wie wir es nur von einem
Blatt unserer eignen Partei wünschen könnten. Sie hat mit Entschiedenheit und
Verstand! die Sache der europäischen Civilisation gegen die Barbarei vertreten,
sie hat sich durch die Winkelzüge einer unsteten und schwankenden, aber dabei so¬
phistisch übermüthigen Partei nicht täuschen lassen. Es ist das um so wichtiger,
da sie gegenwärtig in Berlin das einzige größere Blatt ist, welches den Libera¬
lismus vertritt, und da ein Blatt, das in der Hauptstadt erscheint, grade in der
gegenwärtigen Krisis eine größere Bedeutung haben muß, als auch die tüchtigsten
Provinzialblätter. Zwar wäre es in manchen Beziehungen wünschenswert!) ge¬
wesen, daß sie den preußischen Kammern eine größere Aufmerksamkeit gewidmet
hätte, um das Publicum fortwährend darauf hinzuweisen, wo es die Concentration
seiner Ansichten und Ueberzeugungen zu erstreben habe; allein diesmal müssen
wir offen gestehen, daß ein sehr starker Glaube an die Nothwendigkeit der con-
stitutionellen Entwicklung Preußens dazu gehörte, um an der Haltung der gegen¬
wärtigen Kammern mit bleibendem Interesse theilzunehmen. Wir haben es
selber zu unserm Bedauern aussprechen müssen, daß die gegenwärtigen Kammern
den Ernst und die Bedeutung der Situation nicht so aufgefaßt haben, wie es
einer bedeutenden politischen Körperschaft würdig gewesen wäre. Wir haben das¬
selbe sogar von der Opposition sagen müssen, sofern wir sie als ein Ganzes be¬
trachten. Wir können es daher der Nationalzeitnng, die sich zu den Kammern
von vornherein in ein anderes Verhältniß gestellt hat, nicht verdenken, daß sie
ihrerseits wenigstens indirect eine sehr natürliche Theilnahmlostgkeit ausdrückt,
die doch nur dasselbe sagt, was der größere Theil des Publicums sich ohne¬
hin denkt.

Leider können wir die feste Haltung dem politischen Wankelmuth gegenüber
nicht bei allen denjenigen Zeitungen rühmen, die sonst unserer Ansicht näher stehen,
die aber mit der gewöhnlichen suffisance der Neutralität behaupten, sie seien nicht der
Ausdruck einer bestimmten Partei, sondern sie standen außerhalb der Parteien oder
über ihnen: eine Erklärung, die immer das Bekenntniß vollkommener politischer
Nullität ist. Ju mancher dieser Zeitungen findet das Publicum zu seinem Er¬
staunen in der einen Spalte die leidenschaftlichsten Erklärungen, daß Preußen sich
mit den Westmächten vereinigen müsse, daß die Neutralität eine Unmöglichkeit
oder ein politischer Selbstmvicd sei, in der zweiten Spalte die Versicherung, daß
es keine weisere Politik gebe, als die des 'Ministeriums Manteuffel, und daß
Deutschland vor allen Dingen darnach streben müsse, sich von den gegenwärtigen


unsern Widerspruch gegen die Haltung und Tendenz dieses Blattes auszusprechen.
Wir halten es daher im gegenwärtigen Augenblick für geeignet, auf das völlig
veränderte Verhältniß hinzuweisen. Die Nationalzeitung hat sich in Beziehung
auf die orientalische Frage, wenn wir von den äußern Formen und Redensarten
absehen, die ein Blatt nicht leicht abstreift und die in diesem Falle auch nicht das
Wesen der Sache berühren, durchaus so gehalten, wie wir es nur von einem
Blatt unserer eignen Partei wünschen könnten. Sie hat mit Entschiedenheit und
Verstand! die Sache der europäischen Civilisation gegen die Barbarei vertreten,
sie hat sich durch die Winkelzüge einer unsteten und schwankenden, aber dabei so¬
phistisch übermüthigen Partei nicht täuschen lassen. Es ist das um so wichtiger,
da sie gegenwärtig in Berlin das einzige größere Blatt ist, welches den Libera¬
lismus vertritt, und da ein Blatt, das in der Hauptstadt erscheint, grade in der
gegenwärtigen Krisis eine größere Bedeutung haben muß, als auch die tüchtigsten
Provinzialblätter. Zwar wäre es in manchen Beziehungen wünschenswert!) ge¬
wesen, daß sie den preußischen Kammern eine größere Aufmerksamkeit gewidmet
hätte, um das Publicum fortwährend darauf hinzuweisen, wo es die Concentration
seiner Ansichten und Ueberzeugungen zu erstreben habe; allein diesmal müssen
wir offen gestehen, daß ein sehr starker Glaube an die Nothwendigkeit der con-
stitutionellen Entwicklung Preußens dazu gehörte, um an der Haltung der gegen¬
wärtigen Kammern mit bleibendem Interesse theilzunehmen. Wir haben es
selber zu unserm Bedauern aussprechen müssen, daß die gegenwärtigen Kammern
den Ernst und die Bedeutung der Situation nicht so aufgefaßt haben, wie es
einer bedeutenden politischen Körperschaft würdig gewesen wäre. Wir haben das¬
selbe sogar von der Opposition sagen müssen, sofern wir sie als ein Ganzes be¬
trachten. Wir können es daher der Nationalzeitnng, die sich zu den Kammern
von vornherein in ein anderes Verhältniß gestellt hat, nicht verdenken, daß sie
ihrerseits wenigstens indirect eine sehr natürliche Theilnahmlostgkeit ausdrückt,
die doch nur dasselbe sagt, was der größere Theil des Publicums sich ohne¬
hin denkt.

Leider können wir die feste Haltung dem politischen Wankelmuth gegenüber
nicht bei allen denjenigen Zeitungen rühmen, die sonst unserer Ansicht näher stehen,
die aber mit der gewöhnlichen suffisance der Neutralität behaupten, sie seien nicht der
Ausdruck einer bestimmten Partei, sondern sie standen außerhalb der Parteien oder
über ihnen: eine Erklärung, die immer das Bekenntniß vollkommener politischer
Nullität ist. Ju mancher dieser Zeitungen findet das Publicum zu seinem Er¬
staunen in der einen Spalte die leidenschaftlichsten Erklärungen, daß Preußen sich
mit den Westmächten vereinigen müsse, daß die Neutralität eine Unmöglichkeit
oder ein politischer Selbstmvicd sei, in der zweiten Spalte die Versicherung, daß
es keine weisere Politik gebe, als die des 'Ministeriums Manteuffel, und daß
Deutschland vor allen Dingen darnach streben müsse, sich von den gegenwärtigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/59>, abgerufen am 22.12.2024.