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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Eisenoxyd und schwefelsauren Kalk gefärbt und bei allem grünen Thee, welchen
wir trinken, ist der Farbestoff schon durch das Vergrößerungsglas als ein feines,
bläuliches und weißes Pulver zu erkennen und durch chemische Analyse vielfach
nachgewiesen worden. Von diesen Farbestoffen ist der schwefelsaure Kalk (Gyps)
unschädlich. Das blausaure Eisenoxyd, eine Verbindung von Blausäure und
Eisen, ist allerdings giftig. Außer diesen Farbestoffen werden bei einzelnen
Sorten noch andere Zusätze gemacht, ein größerer Wohlgeruch wird durch Zusatz
einiger aromatischer Blüten, andre Farbeunancen durch Zusatz eines gelblichen
Pflanzenstoffes n. s. w. gebildet.

So ist das, was wir grünen Thee nennen,'nichts als eine Charlatanerie
unseres Handels. Denn man würde deu Chinesen Unrecht thun, wenn man an¬
nehmen wollte, daß sie ans böswilliger Absicht den rothhaarigen Barbaren ein so
gefälschtes Product octroyirt hätten. Die Sache macht sich im Handel'vielmehr
so. Bei einem beliebten Artikel, den wir aus der Fremde beziehen, bildet sich
beim Publicum und in der Handelswelt sehr bald eine Vorliebe für bestimmte
Eigenschaften dieses Artikels, aus oder, wie der Kaufmann sagt, es entsteht eine
Meinung für gewisse Eigenschaften. Diese Meinung ist oft sehr unverständig
und capriciös, zumal wenn sie Farbe und Form der Colonialwaaren bestimmt.
Ju manchen Gegenden schätzt man nur grüne Kaffeebohne", nur grüne Thees,
nur kleine Macisnüsse. Wenn diese Vorliebe aber einmal entstanden ist, so beeilt
sich der Kaufmann natürlich, ihr gefällig zu sein. Er drängt deu Producenten,
ihm die Waaren in der gewünschten Beschaffenheit zu liefern, und dieser, ist so
in der dringenden Veranlassung, sie der gewünschten Form des bestimmten Landes
anzupassen. Dies Anschmiegen an die eigenthümlichen Forderungen der verschie¬
denen Länder findet also nicht bei den theebereitenden Chinesen allein statt, auch unsre
Fabrikanten sino genöthigt, bei jedem Exportartikel ganz dieselben Rücksichten zu
nehmen.

Wer als Freund des Thees sich gründlicher belehren will, dem sei das an¬
gezeigte Buch empfohlen. -- Wenn nur die Uebersetzung selbst nicht so sehr unter
der Mittelmäßigkeit wäre.




Wochenbericht.

-- Seit unserem letztem Bericht hat die politische Situation
Spaniens eine plötzliche und ungünstige Veränderung erfahren. Die Aussichten auf eine
Aera gesetzlicher und friedlicher Entwickelung haben sich verdunkelt; von neuem ist
das Land an den drohenden Abgrund der Staatsstreiche und gewaltsamen Erschüt¬
terungen gedrängt. Verfolge" wir in kurzem.Ueberblick deu Verlauf der Ereignisse, die
diesem beklagenswerthen Umschwung vorhergegangen sind u"d ih" zum Theil hervorge-


Grenzl'oder. I- 9

Eisenoxyd und schwefelsauren Kalk gefärbt und bei allem grünen Thee, welchen
wir trinken, ist der Farbestoff schon durch das Vergrößerungsglas als ein feines,
bläuliches und weißes Pulver zu erkennen und durch chemische Analyse vielfach
nachgewiesen worden. Von diesen Farbestoffen ist der schwefelsaure Kalk (Gyps)
unschädlich. Das blausaure Eisenoxyd, eine Verbindung von Blausäure und
Eisen, ist allerdings giftig. Außer diesen Farbestoffen werden bei einzelnen
Sorten noch andere Zusätze gemacht, ein größerer Wohlgeruch wird durch Zusatz
einiger aromatischer Blüten, andre Farbeunancen durch Zusatz eines gelblichen
Pflanzenstoffes n. s. w. gebildet.

So ist das, was wir grünen Thee nennen,'nichts als eine Charlatanerie
unseres Handels. Denn man würde deu Chinesen Unrecht thun, wenn man an¬
nehmen wollte, daß sie ans böswilliger Absicht den rothhaarigen Barbaren ein so
gefälschtes Product octroyirt hätten. Die Sache macht sich im Handel'vielmehr
so. Bei einem beliebten Artikel, den wir aus der Fremde beziehen, bildet sich
beim Publicum und in der Handelswelt sehr bald eine Vorliebe für bestimmte
Eigenschaften dieses Artikels, aus oder, wie der Kaufmann sagt, es entsteht eine
Meinung für gewisse Eigenschaften. Diese Meinung ist oft sehr unverständig
und capriciös, zumal wenn sie Farbe und Form der Colonialwaaren bestimmt.
Ju manchen Gegenden schätzt man nur grüne Kaffeebohne», nur grüne Thees,
nur kleine Macisnüsse. Wenn diese Vorliebe aber einmal entstanden ist, so beeilt
sich der Kaufmann natürlich, ihr gefällig zu sein. Er drängt deu Producenten,
ihm die Waaren in der gewünschten Beschaffenheit zu liefern, und dieser, ist so
in der dringenden Veranlassung, sie der gewünschten Form des bestimmten Landes
anzupassen. Dies Anschmiegen an die eigenthümlichen Forderungen der verschie¬
denen Länder findet also nicht bei den theebereitenden Chinesen allein statt, auch unsre
Fabrikanten sino genöthigt, bei jedem Exportartikel ganz dieselben Rücksichten zu
nehmen.

Wer als Freund des Thees sich gründlicher belehren will, dem sei das an¬
gezeigte Buch empfohlen. — Wenn nur die Uebersetzung selbst nicht so sehr unter
der Mittelmäßigkeit wäre.




Wochenbericht.

— Seit unserem letztem Bericht hat die politische Situation
Spaniens eine plötzliche und ungünstige Veränderung erfahren. Die Aussichten auf eine
Aera gesetzlicher und friedlicher Entwickelung haben sich verdunkelt; von neuem ist
das Land an den drohenden Abgrund der Staatsstreiche und gewaltsamen Erschüt¬
terungen gedrängt. Verfolge» wir in kurzem.Ueberblick deu Verlauf der Ereignisse, die
diesem beklagenswerthen Umschwung vorhergegangen sind u»d ih» zum Theil hervorge-


Grenzl'oder. I- 9
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[0073] Eisenoxyd und schwefelsauren Kalk gefärbt und bei allem grünen Thee, welchen wir trinken, ist der Farbestoff schon durch das Vergrößerungsglas als ein feines, bläuliches und weißes Pulver zu erkennen und durch chemische Analyse vielfach nachgewiesen worden. Von diesen Farbestoffen ist der schwefelsaure Kalk (Gyps) unschädlich. Das blausaure Eisenoxyd, eine Verbindung von Blausäure und Eisen, ist allerdings giftig. Außer diesen Farbestoffen werden bei einzelnen Sorten noch andere Zusätze gemacht, ein größerer Wohlgeruch wird durch Zusatz einiger aromatischer Blüten, andre Farbeunancen durch Zusatz eines gelblichen Pflanzenstoffes n. s. w. gebildet. So ist das, was wir grünen Thee nennen,'nichts als eine Charlatanerie unseres Handels. Denn man würde deu Chinesen Unrecht thun, wenn man an¬ nehmen wollte, daß sie ans böswilliger Absicht den rothhaarigen Barbaren ein so gefälschtes Product octroyirt hätten. Die Sache macht sich im Handel'vielmehr so. Bei einem beliebten Artikel, den wir aus der Fremde beziehen, bildet sich beim Publicum und in der Handelswelt sehr bald eine Vorliebe für bestimmte Eigenschaften dieses Artikels, aus oder, wie der Kaufmann sagt, es entsteht eine Meinung für gewisse Eigenschaften. Diese Meinung ist oft sehr unverständig und capriciös, zumal wenn sie Farbe und Form der Colonialwaaren bestimmt. Ju manchen Gegenden schätzt man nur grüne Kaffeebohne», nur grüne Thees, nur kleine Macisnüsse. Wenn diese Vorliebe aber einmal entstanden ist, so beeilt sich der Kaufmann natürlich, ihr gefällig zu sein. Er drängt deu Producenten, ihm die Waaren in der gewünschten Beschaffenheit zu liefern, und dieser, ist so in der dringenden Veranlassung, sie der gewünschten Form des bestimmten Landes anzupassen. Dies Anschmiegen an die eigenthümlichen Forderungen der verschie¬ denen Länder findet also nicht bei den theebereitenden Chinesen allein statt, auch unsre Fabrikanten sino genöthigt, bei jedem Exportartikel ganz dieselben Rücksichten zu nehmen. Wer als Freund des Thees sich gründlicher belehren will, dem sei das an¬ gezeigte Buch empfohlen. — Wenn nur die Uebersetzung selbst nicht so sehr unter der Mittelmäßigkeit wäre. Wochenbericht. — Seit unserem letztem Bericht hat die politische Situation Spaniens eine plötzliche und ungünstige Veränderung erfahren. Die Aussichten auf eine Aera gesetzlicher und friedlicher Entwickelung haben sich verdunkelt; von neuem ist das Land an den drohenden Abgrund der Staatsstreiche und gewaltsamen Erschüt¬ terungen gedrängt. Verfolge» wir in kurzem.Ueberblick deu Verlauf der Ereignisse, die diesem beklagenswerthen Umschwung vorhergegangen sind u»d ih» zum Theil hervorge- Grenzl'oder. I- 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/73>, abgerufen am 22.07.2024.