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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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grade diese Darstellung, obgleich wir uns vielmehr auf historischem Boden be¬
wegen, den Eindruck einer gewissen Unstetigkeit, waS aber nicht dem Verfasser zur
Last fällt, sondern nur seinem Gegenstand". Und diese getrübte Färbung geht
noch bis ins eigentlich historische Zeitalter hinein, bis endlich mit dem Reich des
Darius die Einsicht in den wirklichen Staatsmechanismus beginnt. Diese letztere
Darstellung ist ganz vortrefflich, und gibt einen schönen Abschluß des vorhisto¬
rischen Zeitalters.

Alle diese Notizen haben wir nur darum gegeben, um auf die Verschieden¬
heit der Aufgabe hinzuweisen, die sich Herr Duncker im Gegensatz zu den sonstigen
Lehrbüchern der alten Geschichte gestellt hat. Die ästhetische Form des Werks
verdient das entschiedenste Lob, denn es ist soviel Colorit darin angewendet,
als die Quellen nur immer verstatten, und trotzdem ist der historische Stil ge¬
wahrt. Noch ein anderes Lob müssen wir in Beziehung ans die sittliche Haltung
aussprechen. Es waren hier zwei-Klippen zu vermeiden, einerseits die Pedanterie,
fortwährend den Maßstab unserer eigenen sittlichen Vorstellungen an fremde Cul-
turverhältnisse zu legen, sodann die entgegengesetzte, in der Vertiefung in deu
Stoss deu sittlichen Begriff ganz aus dem Auge zu verlieren. Herr Duncker
hat sich mit weiser Mäßigung in der Mitte dieser zwei Extreme bewegt und so
macht deun das vortreffliche Buch auch in dieser Beziehung einen befriedigenden
Eindruck.


Allgemeine Geschichte des Welthandels von Scherer. 2. Theil. Von der
Entdeckung Amerikas bis zum Friede" von Versailles. Leipzig, Harn. Schultze.--

Deu Standpunkt, von dem diese Geschichte aufgefaßt sein will, haben wir
bereits bei unserer ersten Anzeige angedeutet. Sie hat weder einen gelehrten
Zweck, noch geht sie auf neue Entwickelung der technischen Principien ans. Sie
ist für das größere Publicum geschrieben, indem 'hier ein Gegenstand, den man
sonst in den verschiedenen Lehrbüchern der Staatengeschichte zerstreut nachsuchen
Muß, von einem sachverständigen Manu geordnet und zusammenhangend darge¬
stellt wird. Der Verfasser vermeidet geflissentlich die Anwendung eines bestimmten
handelswissenschaftlichcn Princips, er will nur das vorhandene Material in einer
lichtvollen, unterhaltenden Form darstellen und das Weitere dem eigenen Nach¬
denken überlassen. Die Verdienste, welche eine solche Arbeit in Anspruch nehmen
kann, sind daher Genauigkeit in der Auswahl der Thatsachen, Vermeidung aller
Nebensachen, die keine sichere Basis haben, Deutlichkeit in der Schilde¬
rung, Anschaulichkeit und Lebendigkeit der Form. Diese Verdienste müssen
wir anerkennen. Das Buch liest sich sehr bequem, es ist in einem vortrefflichen
Stil geschrieben, das, was der Verfasser sagen will, ist bestimmt gesagt, und
dabei gibt es dem Leser wenigstens eine ungefähre Vorstellung, wie die Ent¬
wickelung der allgemeinen WcltvcrlMnisse, der Fortschritt der Bildung und Er-


Grcuzl'eden, I. 18Ul. 23

grade diese Darstellung, obgleich wir uns vielmehr auf historischem Boden be¬
wegen, den Eindruck einer gewissen Unstetigkeit, waS aber nicht dem Verfasser zur
Last fällt, sondern nur seinem Gegenstand«. Und diese getrübte Färbung geht
noch bis ins eigentlich historische Zeitalter hinein, bis endlich mit dem Reich des
Darius die Einsicht in den wirklichen Staatsmechanismus beginnt. Diese letztere
Darstellung ist ganz vortrefflich, und gibt einen schönen Abschluß des vorhisto¬
rischen Zeitalters.

Alle diese Notizen haben wir nur darum gegeben, um auf die Verschieden¬
heit der Aufgabe hinzuweisen, die sich Herr Duncker im Gegensatz zu den sonstigen
Lehrbüchern der alten Geschichte gestellt hat. Die ästhetische Form des Werks
verdient das entschiedenste Lob, denn es ist soviel Colorit darin angewendet,
als die Quellen nur immer verstatten, und trotzdem ist der historische Stil ge¬
wahrt. Noch ein anderes Lob müssen wir in Beziehung ans die sittliche Haltung
aussprechen. Es waren hier zwei-Klippen zu vermeiden, einerseits die Pedanterie,
fortwährend den Maßstab unserer eigenen sittlichen Vorstellungen an fremde Cul-
turverhältnisse zu legen, sodann die entgegengesetzte, in der Vertiefung in deu
Stoss deu sittlichen Begriff ganz aus dem Auge zu verlieren. Herr Duncker
hat sich mit weiser Mäßigung in der Mitte dieser zwei Extreme bewegt und so
macht deun das vortreffliche Buch auch in dieser Beziehung einen befriedigenden
Eindruck.


Allgemeine Geschichte des Welthandels von Scherer. 2. Theil. Von der
Entdeckung Amerikas bis zum Friede» von Versailles. Leipzig, Harn. Schultze.—

Deu Standpunkt, von dem diese Geschichte aufgefaßt sein will, haben wir
bereits bei unserer ersten Anzeige angedeutet. Sie hat weder einen gelehrten
Zweck, noch geht sie auf neue Entwickelung der technischen Principien ans. Sie
ist für das größere Publicum geschrieben, indem 'hier ein Gegenstand, den man
sonst in den verschiedenen Lehrbüchern der Staatengeschichte zerstreut nachsuchen
Muß, von einem sachverständigen Manu geordnet und zusammenhangend darge¬
stellt wird. Der Verfasser vermeidet geflissentlich die Anwendung eines bestimmten
handelswissenschaftlichcn Princips, er will nur das vorhandene Material in einer
lichtvollen, unterhaltenden Form darstellen und das Weitere dem eigenen Nach¬
denken überlassen. Die Verdienste, welche eine solche Arbeit in Anspruch nehmen
kann, sind daher Genauigkeit in der Auswahl der Thatsachen, Vermeidung aller
Nebensachen, die keine sichere Basis haben, Deutlichkeit in der Schilde¬
rung, Anschaulichkeit und Lebendigkeit der Form. Diese Verdienste müssen
wir anerkennen. Das Buch liest sich sehr bequem, es ist in einem vortrefflichen
Stil geschrieben, das, was der Verfasser sagen will, ist bestimmt gesagt, und
dabei gibt es dem Leser wenigstens eine ungefähre Vorstellung, wie die Ent¬
wickelung der allgemeinen WcltvcrlMnisse, der Fortschritt der Bildung und Er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/185>, abgerufen am 03.07.2024.