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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Reich, untereinander gebrochen haben, und so entschieden gebrochen, wie es
hier der Fall ist, kann im Bereich des einen für den andern kein neutrales
Gebiet respectirt werden.

Die Nachricht von der seitens des Kaisers von Rußland beschlossenen
Wiederherstellung Polens mußte hier nothwendig einen diesen Eindruck machen.
Es ist das ein politischer Fcchterstreich, der nicht minder gegen die beiden deut¬
schen wie gegen die Westmächte zielt und nicht verfehlen wird, allen zugleich
bedeutende, jetzt noch unberechenbar erscheinende Verlegenheiten zu bereiten.
Wenn auch ein Theil der Polen sich damit nicht zufrieden geben wird, die Zu¬
stände des "Congreßkönigreichö" retablirt zu sehen -- und soviel man weiß,
beabsichtigt der Zar bis dahin noch nichts Weiteres -- so haben doch hiesige
Emigranten, wie man wissen will, der Diplomatie erklärt, daß die Maßregel
ihres Wissens nicht alles Anklanges unter dem polnischen Rolle entbehren
werde, und eine nationale Fraction jedenfalls sich bereirsinden lassen werde,
auf diese Bedingungen hin mit Nußland zu gehen.

Die meisten Gesandten sind nun endlich aus dem Bosporus, wo sie
während des Sommers residirten, in ihre Winterpalais zu Pera zurückgekehrt.
DaS Signal dazu gaben die Herren von Brück (östreichischer Jnternuntius)
und Monsieur Benedetti (französischer Geschäftsträger). Nur Lord Nedcliffe
weilt nach wie vor noch in Therapia, und bewahrt aufs neue den obigen
gegenüber eine Nückhaltung und Jsolirungssucht, die er nur eben in den
letzten Tagen des September, mitten im Jubel über die Schlacht an der
Alma, auf einige Tage hatte fallen lassen, und welche ihm seit Anbeginn der
orientalischen Differenzen zur Regel geworden zu sein scheint. In den letzten
Tagen hatte er wol Ursache mürrisch zu sein, denn die Dinge gehen nicht so
wie man es erwarten durfte und im besondern wie man im Interesse der
guten Sache wünschen muß.




Ein Besuch beim türkischen Kriegsminister.

Der Weg zum Seriaskerat oder dem osmanischen Kriegsministerium ist,
obwol durch die winkligen Gassen Stambuls hindurchführend, darum nicht zu
verfehlen, weil der hoch aufragende Ganginkulle (Brandthurm) oder Seriasker-
thurm, welcher im Hofe dicht vor dem Haupteingange steht, und von nller-
wärts her gesehen werden kann, ihn für jedermann weiset. Nachdem man eine
der beiden Brücken passtrt hat, nimmt man die Richtung auf den schlanken
Bau, und kann nach zwölf bis fünfzehn Minuten an Ort und Stelle sein.
Eine Mauer schließt die verschiedenen Gebäude ein, welche das Seriaskerat


Reich, untereinander gebrochen haben, und so entschieden gebrochen, wie es
hier der Fall ist, kann im Bereich des einen für den andern kein neutrales
Gebiet respectirt werden.

Die Nachricht von der seitens des Kaisers von Rußland beschlossenen
Wiederherstellung Polens mußte hier nothwendig einen diesen Eindruck machen.
Es ist das ein politischer Fcchterstreich, der nicht minder gegen die beiden deut¬
schen wie gegen die Westmächte zielt und nicht verfehlen wird, allen zugleich
bedeutende, jetzt noch unberechenbar erscheinende Verlegenheiten zu bereiten.
Wenn auch ein Theil der Polen sich damit nicht zufrieden geben wird, die Zu¬
stände des „Congreßkönigreichö" retablirt zu sehen — und soviel man weiß,
beabsichtigt der Zar bis dahin noch nichts Weiteres — so haben doch hiesige
Emigranten, wie man wissen will, der Diplomatie erklärt, daß die Maßregel
ihres Wissens nicht alles Anklanges unter dem polnischen Rolle entbehren
werde, und eine nationale Fraction jedenfalls sich bereirsinden lassen werde,
auf diese Bedingungen hin mit Nußland zu gehen.

Die meisten Gesandten sind nun endlich aus dem Bosporus, wo sie
während des Sommers residirten, in ihre Winterpalais zu Pera zurückgekehrt.
DaS Signal dazu gaben die Herren von Brück (östreichischer Jnternuntius)
und Monsieur Benedetti (französischer Geschäftsträger). Nur Lord Nedcliffe
weilt nach wie vor noch in Therapia, und bewahrt aufs neue den obigen
gegenüber eine Nückhaltung und Jsolirungssucht, die er nur eben in den
letzten Tagen des September, mitten im Jubel über die Schlacht an der
Alma, auf einige Tage hatte fallen lassen, und welche ihm seit Anbeginn der
orientalischen Differenzen zur Regel geworden zu sein scheint. In den letzten
Tagen hatte er wol Ursache mürrisch zu sein, denn die Dinge gehen nicht so
wie man es erwarten durfte und im besondern wie man im Interesse der
guten Sache wünschen muß.




Ein Besuch beim türkischen Kriegsminister.

Der Weg zum Seriaskerat oder dem osmanischen Kriegsministerium ist,
obwol durch die winkligen Gassen Stambuls hindurchführend, darum nicht zu
verfehlen, weil der hoch aufragende Ganginkulle (Brandthurm) oder Seriasker-
thurm, welcher im Hofe dicht vor dem Haupteingange steht, und von nller-
wärts her gesehen werden kann, ihn für jedermann weiset. Nachdem man eine
der beiden Brücken passtrt hat, nimmt man die Richtung auf den schlanken
Bau, und kann nach zwölf bis fünfzehn Minuten an Ort und Stelle sein.
Eine Mauer schließt die verschiedenen Gebäude ein, welche das Seriaskerat


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[0389] Reich, untereinander gebrochen haben, und so entschieden gebrochen, wie es hier der Fall ist, kann im Bereich des einen für den andern kein neutrales Gebiet respectirt werden. Die Nachricht von der seitens des Kaisers von Rußland beschlossenen Wiederherstellung Polens mußte hier nothwendig einen diesen Eindruck machen. Es ist das ein politischer Fcchterstreich, der nicht minder gegen die beiden deut¬ schen wie gegen die Westmächte zielt und nicht verfehlen wird, allen zugleich bedeutende, jetzt noch unberechenbar erscheinende Verlegenheiten zu bereiten. Wenn auch ein Theil der Polen sich damit nicht zufrieden geben wird, die Zu¬ stände des „Congreßkönigreichö" retablirt zu sehen — und soviel man weiß, beabsichtigt der Zar bis dahin noch nichts Weiteres — so haben doch hiesige Emigranten, wie man wissen will, der Diplomatie erklärt, daß die Maßregel ihres Wissens nicht alles Anklanges unter dem polnischen Rolle entbehren werde, und eine nationale Fraction jedenfalls sich bereirsinden lassen werde, auf diese Bedingungen hin mit Nußland zu gehen. Die meisten Gesandten sind nun endlich aus dem Bosporus, wo sie während des Sommers residirten, in ihre Winterpalais zu Pera zurückgekehrt. DaS Signal dazu gaben die Herren von Brück (östreichischer Jnternuntius) und Monsieur Benedetti (französischer Geschäftsträger). Nur Lord Nedcliffe weilt nach wie vor noch in Therapia, und bewahrt aufs neue den obigen gegenüber eine Nückhaltung und Jsolirungssucht, die er nur eben in den letzten Tagen des September, mitten im Jubel über die Schlacht an der Alma, auf einige Tage hatte fallen lassen, und welche ihm seit Anbeginn der orientalischen Differenzen zur Regel geworden zu sein scheint. In den letzten Tagen hatte er wol Ursache mürrisch zu sein, denn die Dinge gehen nicht so wie man es erwarten durfte und im besondern wie man im Interesse der guten Sache wünschen muß. Ein Besuch beim türkischen Kriegsminister. Der Weg zum Seriaskerat oder dem osmanischen Kriegsministerium ist, obwol durch die winkligen Gassen Stambuls hindurchführend, darum nicht zu verfehlen, weil der hoch aufragende Ganginkulle (Brandthurm) oder Seriasker- thurm, welcher im Hofe dicht vor dem Haupteingange steht, und von nller- wärts her gesehen werden kann, ihn für jedermann weiset. Nachdem man eine der beiden Brücken passtrt hat, nimmt man die Richtung auf den schlanken Bau, und kann nach zwölf bis fünfzehn Minuten an Ort und Stelle sein. Eine Mauer schließt die verschiedenen Gebäude ein, welche das Seriaskerat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/389>, abgerufen am 28.12.2024.