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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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den muß, um sich jenen Umbildungsproceß zu versinnlichen, nach einem strengen
System festgestellt und geordnet hat, so glauben wir damit alles gesagt zu haben,
was von unsrem Standpunkt zum Verständniß des Werks geschehen kann.

Etwas ganz Anderes ist es mit der wissenschaftlichen Prüfung. Herr
Rückert hat es verschmäht, in allen einzelnen Punkten Speculation und hi¬
storische Kritik so miteinander zu verbinden, daß man ihr Verhältniß zueinander
augenblicklich prüfen kann. Viele von den wichtigsten Deductionen suchen uns
nur durch die innere Wahrscheinlichkeit des Processes zu gewinnen, weisen aber
nicht nach, in welchem Verhältniß diese Ansichten zu den durch kritische Me¬
thode festgestellten Thatsachen stehen.

Hier wird es nun Sache der Männer der Wissenschaft sein, im Einzelnen
festzustellen, wieweit der speculative Inhalt die Probe der methodischen Kritik
besteht. Allein wenn sich auch nach dieser Prüfung herausstellen sollte, daß
von dem Einzelnen viel weniger stehen bleibt, als wir es mit fester Ueber¬
zeugung erwarten, so bleibt deshalb die Bedeutung des Werks doch bestehen,
denn es hat wenigstens correct und systematisch die Fragen festgestellt, die wir
an die Gelehrsamkeit zu richten haben, um uns von dem Uebergang aus dem
Heidenthum zum Christenthum bei den Deutschen ein anschauliches und blei¬
bendes Bild zu entwerfen. --


Geschichte der neuesten Zeit bis 1 8" j von Adolph Geister.
Leipzig, Lorck. --

Dem Versasser ist es vorzugsweise auf Vollständigkeit der einzelnen That¬
sachen, nicht auf Ausführlichkeit der ^ Erzählung angekommen. Das Buch ist
also weniger für die Lectüre als fürs Nachschlagen bestimmt. Wenn man da¬
bei abrechnet, was bei industriellen Unternehmungen (wir gebrauchen das Wort
nicht im tadelnden Sinn, da auch die Industrie ihre Berechtigung hat), an
Eilfertigkeit und Leichtsinn mit unterläuft, da ein wirkliches Quellenstudium
durch die Schnelligkeit der Arbeit und zum Theil selbst durch die Enge des
'Raums ausgeschlossen wird, so glauben wir das Werk dem größern Publicum
empfehlen zu können. Es ist auf alle Fälle der von Butan bearbeiteten Po¬
litischen Weltgeschichte vorzuziehen, schon weil es unbefangener ist und den
Thatsachen nie ein fremdes Gewand umwirft, wenigstens nicht mit Bewußtsein.
Die Anordnung und Gruppirung des Materials ist zweckmäßig, das Raisonne-
ment nicht bedeutend. Der Stil ist der bei solchen Handbüchern gewöhnliche,
es ist wenigstens nicht allzuviel Rhetorik darin,.obgleich sie nicht ganz hat ver¬
mieden werden können.




den muß, um sich jenen Umbildungsproceß zu versinnlichen, nach einem strengen
System festgestellt und geordnet hat, so glauben wir damit alles gesagt zu haben,
was von unsrem Standpunkt zum Verständniß des Werks geschehen kann.

Etwas ganz Anderes ist es mit der wissenschaftlichen Prüfung. Herr
Rückert hat es verschmäht, in allen einzelnen Punkten Speculation und hi¬
storische Kritik so miteinander zu verbinden, daß man ihr Verhältniß zueinander
augenblicklich prüfen kann. Viele von den wichtigsten Deductionen suchen uns
nur durch die innere Wahrscheinlichkeit des Processes zu gewinnen, weisen aber
nicht nach, in welchem Verhältniß diese Ansichten zu den durch kritische Me¬
thode festgestellten Thatsachen stehen.

Hier wird es nun Sache der Männer der Wissenschaft sein, im Einzelnen
festzustellen, wieweit der speculative Inhalt die Probe der methodischen Kritik
besteht. Allein wenn sich auch nach dieser Prüfung herausstellen sollte, daß
von dem Einzelnen viel weniger stehen bleibt, als wir es mit fester Ueber¬
zeugung erwarten, so bleibt deshalb die Bedeutung des Werks doch bestehen,
denn es hat wenigstens correct und systematisch die Fragen festgestellt, die wir
an die Gelehrsamkeit zu richten haben, um uns von dem Uebergang aus dem
Heidenthum zum Christenthum bei den Deutschen ein anschauliches und blei¬
bendes Bild zu entwerfen. —


Geschichte der neuesten Zeit bis 1 8» j von Adolph Geister.
Leipzig, Lorck. —

Dem Versasser ist es vorzugsweise auf Vollständigkeit der einzelnen That¬
sachen, nicht auf Ausführlichkeit der ^ Erzählung angekommen. Das Buch ist
also weniger für die Lectüre als fürs Nachschlagen bestimmt. Wenn man da¬
bei abrechnet, was bei industriellen Unternehmungen (wir gebrauchen das Wort
nicht im tadelnden Sinn, da auch die Industrie ihre Berechtigung hat), an
Eilfertigkeit und Leichtsinn mit unterläuft, da ein wirkliches Quellenstudium
durch die Schnelligkeit der Arbeit und zum Theil selbst durch die Enge des
'Raums ausgeschlossen wird, so glauben wir das Werk dem größern Publicum
empfehlen zu können. Es ist auf alle Fälle der von Butan bearbeiteten Po¬
litischen Weltgeschichte vorzuziehen, schon weil es unbefangener ist und den
Thatsachen nie ein fremdes Gewand umwirft, wenigstens nicht mit Bewußtsein.
Die Anordnung und Gruppirung des Materials ist zweckmäßig, das Raisonne-
ment nicht bedeutend. Der Stil ist der bei solchen Handbüchern gewöhnliche,
es ist wenigstens nicht allzuviel Rhetorik darin,.obgleich sie nicht ganz hat ver¬
mieden werden können.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/122>, abgerufen am 28.12.2024.